Siegerland. In drei großen Beiträgen führt die Zeitschrift „Siegerland“ ins Dritte Reich – einschließlich eines Blicks auf den Siegener Bunkerbau.

In drei Beiträgen führt die neue Ausgabe von „Siegerland“, den Blättern des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins, ins Dritte Reich.

1. Der Kriegsflugplatz: Lipper Höhe wird mehrfach bombardiert

Als NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn 1967 auf der Lipper Höhe den Siegerland-Flughafen eröffnete, betrat er historisch belasteten Boden: Mehr als 30 Jahre zuvor hatte das NS-Regime dort einem Kriegsflugplatz angelegt.

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„Allgemein eher ein Schattendasein“ habe der Flugplatz in militärischer Hinsicht gespielt, berichtet Michael Kelm in seinem Aufsatz für die neue Ausgabe von „Siegerland“, den Blättern des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins. 1945 wurden von hier Angriffe auf die Rheinbrücke bei Remagen geflogen, die zerstört werden sollte, um die Alliierten an der Rheinüberquerung zu hindern. Die Brücke brach aber erst zusammen, als die amerikanischen Truppen übersetzten. 1944 und 1945 wurde die Lipper Höhe mehrfach von amerikanischen Flugzeugen aus bombardiert.

Noch erhalten ist der Bahndamm im Quellgebiet der Buchheller südlich von Lippe.
Noch erhalten ist der Bahndamm im Quellgebiet der Buchheller südlich von Lippe. © Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein | Michael Kelm

Michael Kelm berichtet von der Anlage des Flugplatzes, die 1934 mit Vermessungsarbeiten begann. Ab 1938 war das Flugfeld betriebsbereit. Zur Tarnung waren die Betriebsgebäude als Gehöft und Scheune gestaltet. „Bisweilen wurden auch Kühe aus bemaltem Holz aufgestellt, um dem Aufklärer aus der Luft einen bäuerlichen Betrieb vorzutäuschen.“ Vom Bahnhof Emmerzhausen der Kleinbahn Scheuerfeld-Lippe wurde ein Gleisanschluss bis zum neuen Betriebsbahnhof Lipper Höhe gebaut. An der Ladestelle Gambach wurde Flugbenzin umgefüllt, an der Ladestelle Rübgarten erfolgte der Umschlag von Bomben. Nach dem Krieg baute die Siegener Kreisbahn die Schienen ab, die britische Besatzungsmacht übernahm den Schrott. Die Betonschwellen wurden auf anliegenden Bauernhöfen verbaut, der Scheinbauernhof wurde als Konsum-Laden genutzt. Am Standort des Bahnhofs Lipper Höhe ist heute das Flughafen-Restaurant. Im Jahr 2000 explodierte unter der Landesbahn eine Zehn-Zentner-Bombe.

2. Die Landkraftpost: Ab 1933 werden in den Dörfern Poststellen eröffnet

Mit einem Aufsatz über die Landkraftpost knüpft Wilfried Lerchstein an seine Geschichte der Postbusse im Siegerland an. 1933 wurden in einer Reihe von Dörfern Poststellen eröffnet. Die Landkraftpost brachte die Postsendungen vormittags dorthin, wo sie ausgetragen wurden, und holte nachmittags die Post von dort ab; auch bis zu drei Fahrgäste durften mitfahren. Geld- und Wertsachen wurden in einem verschließbaren Wagenkasten transportiert. „Bei hohen Wertladungen über 10.000 Reichsmark musste den Fahrer grundsätzlich ein Beifahrer begleiten“, berichtet Wilfried Lerchstein.

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Die erste Landkraftpost fuhr vom Postamt Kreuztal aus nach Hilchenbach und über die Kronprinzeneiche, Ruckersfeld, Eckmannshausen und Kredenbach zurück. Ab 1935 gab es eine zweite Tour von Segen nach Freudenberg, die Postämter Hilchenbach, Freudenberg und Burbach folgten. Mit der kommunalen Neugliederung 1969 wurden viele Poststellen in den Dörfern geschlossen, die Briefträger starteten nun von den Zentralorten aus.

Die Poststube im Wohnhaus öffnete nachmittags für zwei Stunden. 1993 war auch in Eckmannshausen Schluss.
Die Poststube im Wohnhaus öffnete nachmittags für zwei Stunden. 1993 war auch in Eckmannshausen Schluss. © Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein | Edeltraud Kämpfer

Wilfried Lerchstein erzählt beispielhaft die Geschichte der Poststellen in Herzhausen, Eckmannshausen und Unglinghausen, die es - als „Telegraphenhilfsstellen“ - auch schon lange vor Einführung der Landkraftpost gegeben hat. Wer im Dritten Reich in den Poststellen, die auch den öffentlichen Fernsprecher hatten, tätig sein wollte, musste nicht nur„unbescholten, zuverlässig und charakterfest, sondern auch arischer Abstammung sein“, zitiert Lerchstein aus den einschlägigen Bestimmungen von 1934. Die drei Poststellen waren erst dem Postamt Kreuztal, ab 1969 Hüttental-Weidenau zugeordnet und wurden 1993 geschlossen. Die Postsendungen kamen aus Siegen nach Netphen und wurden dort für die Zusteller sortiert. In Netphen selbst wurde noch 1989 im Einkaufszentrum ein neu gebautes Postamt geöffnet, das 1999 stillgelegt wurde.

3. Der Bunkerbau in Siegen – Beginn noch vor dem „Führerbefehl“

Ebenfalls in die Nazi-Zeit zurück führt der Beitrag von Herbert Bäumer über den Bau der Luftschutzbunker in Siegen – Luftschutzleiter war Oberbürgermeister Alfred Fissmer, dessen historische Rolle gerade im letzten Jahr in Siegen wieder kontrovers diskutiert worden ist, als es um die Benennung der nach ihm benannten Grünanlage an der Nikolaikirche ging. 1940 war der „Führerbefehl“ zum Bunkerbau ergangen, dem Siegen mit der Errichtung von 14 Hoch- und zwei Tiefbunkern nachkam. Erst in einer zweiten „Welle“ sollten auch die Außenbezirke in Weidenau, Geisweid und Kaan berücksichtigt werden – das war aber selbst 1944 noch nicht der Fall. Begonnen wurde, noch vor dem „Führerbefehl“, im Rahmen eines „Lazarettbauprogramms“ am Marien- und Stadtkrankenhaus.

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In einem weiteren Beitrag stellt Alfons Bender die Eisen- und Kupferverarbeitung in Struthütten ab dem Mittelalter dar.

Andreas Bingener begibt sich auf die Spuren der Zehntscheunen in Burbach – konkret fragt er, wozu es drei davon brauchte, in denen die Naturalien-Abgaben an die beiden Landesherrschaften Sayn und Nassau gesammelt wurden.

Rolf Heetfeld hat Gudrun Müser in ihrem Haus in der Weidenauer Siegstraße besucht. Zu ihren Vorfahren gehören die Fabrikanten Wilhelm Berg und Arnold Steffen. Sie selbst, Tochter des Zahnarzts Erich Müser, arbeitete als Diplom-Musikpädagogin und wurde Mitbegründerin des Siegerland-Orchesters, der heutigen Philharmonie Südwestfalen. Die 96-Jährige hat dem Autor Dokumente und Erinnerungsstücke gezeigt.

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Allein für das Material des Bunkers am Obergraben wurden 200 Güterzüge mit je 60 Waggons Zement, Eisen, Holz und anderer Baustoffe benötigt. Kriegsgefangene wurden bei den Bauarbeiten eingesetzt. Oberbürgermeister Fissmer ging die Fertigstellung zu langsam: „Die wenigsten (Bunkerbauten) sind in der jetzigen Form überhaupt zu gebrauchen“, schrieb er 1942 seinem Stadtbaurat, „die Leute holen sich ja in ihnen bei der Kälte und dem Durchzug den Tod.“ Andererseits mahnte Fissmer zur Sparsamkeit: „Es fehlt nur noch, dass wir die öffentlichen Luftschutzräume tapezieren und mit Teppichen auslegen, um ihnen auch gleichzeitig den Charakter eines bürgerlichen Hauses zu geben.“

Siegbergtunnel hätte schon Luftschutzraum sein können

Herbert Bäumer zitiert Prof. Hans-Peter Fries, der Fissmers Einsatz für seinen Großonkel Fritz Fries, den ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Fritz Fries, beschreibt: „Nach seinen eigenen Worten ist mein Großonkel durch diese Fürsprache dem Tode im KZ entronnen.“ Ebenfalls erwähnt wird Fissmers Vermerk, als Schutzraum einen Tunnel unter dem Siegberg zu bauen, der nach dem Krieg als Straße verwendet werden könne. „Wir bekämen sodann ein Bauwerk, das einzig in der Welt dastände und im Frieden eine nicht zu unterschätzende Verkehrserleichterung zur Folge hätte.“ Den Siegbergtunnel haben aktuell die Ratsfraktionen von CDU und SPD auf ihrer Agenda. Die zur Zeit Alfred Fissmers errichteten Bunker unterlagen auch nach dem Krieg einer Zweckbindung, die erst 2007 durch den Bund aufgehoben wurde.

Siegerland, Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins, Band 98/Heft 2 2021. Bezug über den Verein und den Buchhandel.

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