Siegen-Wittgenstein. SPD und CDU setzen ihren Antrag zur Kreisumlage durch. Kreistag gedenkt der 221 Opfer der Corona-Pandemie in Siegen-Wittgenstein.

Mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen hat der Kreistag den Haushalt verabschiedet – nicht mit dem geplanten Fehlbedarf von 9,3 Millionen Euro, sondern mit einem Defizit von 17,4 Millionen Euro. Das ist die Folge der Mehrheitsentscheidung für 34,8 Prozent Kreisumlage, wie ihn SPD und CDU beantragt hatten. Kämmerer und Landrat hatten eine Anhebung von 34,6 auf 36 Prozent vorgeschlagen und auch entsprechend kalkuliert. FDP und UWG hatten sich der Forderung der Bürgermeisterkonferenz angeschlossen und 33 Prozent beantragt, die Siegen-Wittgensteiner Mitte (SWM) 34 Prozent.

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Der Landrat: Schweigeminute für Corona-Opfer

Landrat Andreas Müller hatte die Sitzung in der Weidenauer Bismarckhalle mit einem Gedenken an die 221 Einwohner des Kreises begonnen, die mit einer Corona-Infektion gestorben sind, der Jüngste war 32, die Älteste 101 Jahre alt. „Jede dieser 221 Personen hatte einen Namen, ein Leben, eine Geschichte, Angehörige, die zurückgeblieben sind. Jeder dieser Todesfälle hat großes Leid verursacht.“ Andreas Müller mahnte, „die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, um weiteres Leiden und Sterben nach Möglichkeit zu vermeiden.“ Und vertiefte das in seiner Haushaltsrede mit einem Aufruf zum Impfen und Boostern und einer Anmerkung zu den Grablichter-Vorfällen in Kreuztal und Siegen: „Das ist nicht nur geschmacklos, sondern greift nicht tolerierbar in die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ein.“ Rechtsverstöße von Impfgegnern und Coronaleugnern würden verfolgt: „Es gibt keine rechtsfreien Räume für Impfgegner.“

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In der zweiten Haushaltsdebatte dieses Jahres – der Etat für 2021 war erst im März verabschiedet worden – kämpfte Kämmerer Thomas Damm nicht mehr für seine Zahlen: Den später von der Mehrheit durchgesetzten Hebesatz hatte er bereits eingepreist – „der Kreis lebt von seiner Substanz“, folgerte er.

SPD: Maximales Entgegenkommen bei Kreisumlage

Michael Sittler (SPD) bezeichnete die 34,8 Prozent als maximales Entgegenkommen gegenüber den Kommunen, deren Sprecher, der Kreuztaler Bürgermeister Walter Kiß, denn auch anders als bei den beiden vorangegangenen Haushaltsdebatten auf einen Auftritt im Kreistag verzichtete. „Dieses Spielchen ist endlich“, sagte Sittler mit Blick auf die Ausgleichsrücklage, die sich nach Darstellung des Kämmerers nun auf einen verfügbaren Rest von 5,5 Millionen Euro und einen vom Kreistag für unantastbar erklärten „Sockel“ von weiteren 5 Millionen Euro reduziert.

Grüne Abschiede

Wechsel bei den Grünen: Christiane Berlin hat ihr Mandat aus persönlichen Gründen niedergelegt, Laura Kraft konzentriert sich auf ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete. Für sie sind der Kreuztaler Ulrich Schmidt-Kalteich und die Neunkirchenerin Manuela Köninger nachgerückt.Landrat Andreas Müller dankte den ausgeschiedenen Politikerinnen. Die Freudenbergerin Christiane Berlin war 2017 für den zurückgetretenen Fraktionschef Günter Jochum nachgerückt, sie war seit Januar 2020 Fraktionsvorsitzende. Laura Kraft aus Siegen war erst 2020 erstmals in den Kreistag gewählt worden, sie war stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

CDU: Sparpotenzials schummern

Hermann-Josef Droege (CDU) sprach von einem „vertretbaren Haushaltskompromiss“. Der Kreis sei nun gezwungen zur „Konzentration auf das realistisch Machbare“. Neue freiwillige Leistungen und neue Personalstellen dürfe es nicht mehr geben. Die CDU sei überzeugt, „dass über die gesamte Verwaltung verteilt noch Sparpotenziale schlummern. Droge: „Die CDU-Fraktion will nicht, dass unser Haushalt mit einem Kraftakt vor die Wand gefahren wird.“

Der Kreistag tagt in der Weidenauer Bismarckhalle.
Der Kreistag tagt in der Weidenauer Bismarckhalle. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Grüne: Beim Klimaschutz „konsequenes Nichtstun“

Thomas Börger (Grüne) verwies darauf, dass Klimaschutzpolitik ebenso drängend sei wie die Bewältigung der Pandemie. Der Kreis agiere „halbherzig“, sein Klimaschutzkonzept sei für die Kommunen „ein Feigenblatt für konsequentes Nichtstun“. Der Kooperation von SPD und CDU hielt Börger vor, sie sei „weder als besonders innovativ noch als gutes Team wahrzunehmen“.

AfD: Familien statt Kitas

Christian Zaum (AfD) beanstandete den Umfang der Sozialausgaben. „Die Relation stimmt nicht.“ Die Kreisverwaltung handele „wie ein Exekutivkomitee der Sozialverbände“. Der Ausbau der Kitas werde „mit der Brechstange vorangetrieben“. Zaum forderte, „Familien zu stärken, statt in Fremdbetreuung zu investieren“.

FDP: Kein Vertrauen mehr in Straßen.NRW

Guido Müller (FDP) bezeichnete den Kreistag als „deutlich gelähmter unterwegs“. Die SPD habe 2010 noch den öffentlichen Nahverkehr rekommunalisieren wollen – „das Thema ist komplett irgendwo im Abseits gelandet“. Kritisch bewertete Müller die Beteiligung des Kreises an der Erweiterung des Museums für Gegenwartskunst, dessen tägliche Besucherzahl mitunter„einstellig“ sei: „Gehen wir diesen Weg weiter?“ Der FDP-Fraktionschef forderte einen „eigenen Weg“ für das Kreisklinikum, das aus den Bedingungen des öffentlichen Dienstes herauszulösen sei, und neues Engagement im Straßenbau. Planung und Bau der Kreisstraßen müsse die Kreisverwaltung selbst übernehmen, die Übertragung an Straßen NRW sei aufzukündigen. „Ich habe kein Vertrauen mehr in diesen Landesbetrieb.“

SWM: Mehr Druck für Route 57

Dieter Born (SWM) machte die Route 57 zum Thema: Für den Bau der Ortsumgehungskette nach Wittgenstein sei „noch kein Hackenschlag getan“, der Kreis müsse „,mehr Druck in den Kessel bringen“. Um die Versorgung mit Wohnraum zu verbessern, müssten Baulücken geschlossen werden. Born regte an, für erschlossene, unbebaute Grundstücke eine Grundsteuer C wiedereinzuführen.

UWG: „Stinksauer“ über Jugendamts-Politik

Hans Günter Bertelmann (UWG) stellte die Kostenentwicklung des Jugendamts in den Mittelpunkt. Seit dem Frühjahr des letzten Jahres liege das Gutachten vor, das „durchaus deutliches Potenzial für eine Kostenreduzierung“ aufzeige. Dass danach „nichts von Bedeutung“ geschehen sei, mache seine Fraktion „stinksauer“.

Linke: Kein Geld für Route 57

Ullrich Georgi (Linke) sah für die Route 57 („Mag ja sein, dass Sie sie für lebenswichtig halten – wir tun es nicht“) wenig Chancen: Die verfügbaren finanziellen Mittel würden nun erst recht in die A 45 mit ihren maroden Brücken fließen. Georgi schloss sich den Argumenten an, die Kreisumlage so zu gestalten, dass Kommunen nicht in den Nothaushalt getrieben werden – für viele endet 2022 die Haushaltssicherung. Der Linken-Fraktionschef wiederholte seine Auffassung, dass der Siegerland-Flughafen „überflüssig wie ein Kropf“ sei. Das gelte für die dafür aufgewendeten 1,5 Millionen Euro ebenso wie für das mit mittlerweile 750.000 Euro ausgestattete „1000-(Photovoltaik-)Dächer-Programm“.

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