Siegen-Wittgenstein. Nicht nur wegen Corona: Öffentlicher Nahverkehr kostet den Kreis schon im nächsten Jahr 14,5 Millionen Euro.
Auf der einen Seite stehen Landrat und Kreiskämmerer: Sie fordern von den Städten und Gemeinden mehr Geld, damit der Kreistag seinen Haushalt ausgleichen kann. Auf der anderen Seite stehen die Bürgermeister und Stadtkämmerer: Eine erhöhte Kreisumlage treibt die Kommunen in den Nothaushalt – das ist die Konsequenz, wenn es ihnen nicht gelingt, 2022 schwarze Zahlen vorzuweisen, zum letztmöglichen Termin, den ihnen das Land zugesteht. Der Showdown beginnt in diesen Tagen mit dem Haushaltsberatungen.
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Die Kreisumlage
Spätestens am Freitag vor dem vierten Advent wird im Kreistag bei der Verabschiedung des Etats der weiße Rauch aufsteigen. Die Erhöhung der Kreisumlage von 34,6 auf 36 Prozent wird aber wohl nicht kommen. „Das ist noch nicht fertig gerechnet“, sagt Landrat Andreas Müller, „wir sehen Potenzial für eine Senkung.“ Allerdings nicht auf die von den Bürgermeistern geforderten 33 Prozent. „Die werden es bestimmt nicht.“ Die Pandemie soll den Kunstgriff´möglich machen, mehr Ausgaben als geplant zu „isolieren“, also erst nach 2024 zu bezahlen. Der Landrat denkt an die nicht geplanten neuen Impfstellen. „Ab 30. September waren wir ja nicht mehr zuständig“, erinnert Andreas Müller an die Schließung der Impfzentren, „dann allerdings doch nur für sechs Wochen.“
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„Auskömmlich“, so Kreiskämmerer Thomas Damm, wäre erst ein Hebesatz von 38 Prozent. So greift der Kreis mit etwa 10,5 Millionen Euro in die mit Krediten finanzierte Ausgleichsrücklage. Er habe Verständnis für die Sorgen der Kommunen, sagt Thomas Damm, der selbst einmal Stadtkämmerer in Freudenberg war. Deren Argumente („Allgemeinplätze“) mag er allerdings nicht.
Die Haushalte der Kommunen, die dem Kreis „mehr als auskömmliche“ Planung vorwerfen, hätten sich in den letzten zehn Jahren drei Mal besser entwickelt als die Etats des Kreises. Die Verbesserungen gegenüber dem Plan machen im Schnitt 1,6 Prozent aus, eigentlich sei das eine „Punktlandung“, meint der Landrat. Thomas Damm weiter: Die Kommunen legten in ihrer Steuerkraft schneller zu, als der Kreis dies mit der Umlage abschöpfe. Nicht gesehen werde, dass der Kreishaushalt vor allem ein „Sozialhaushalt“ sei: Allein an den Landschaftsverband werden 83,2 Millionen Euro überwiesen, das sind 45 Prozent der eingenommenen Kreisumlage.
Breitband und ÖPNV
Breitbandausbau: Mit 38,2 Millionen Euro trägt dieses Vorhaben entscheidend zum neuen Spitzenwert von 63,3 Millionen Euro für Investitionen im Jahr 2022 bei. Konkret geht es darum, die letzten zwei Prozent der noch nicht mit 50 Mbit versorgten Bandbreite anzuschließen. Für diese genau 1516 privaten und 2615 gewerblichen Adressen werden insgesamt mehr als 100 Millionen Euro zu investieren sein. Ab 2023 rechnet Andreas Müller mit einer erneut erhöhten „Aufgreifschwelle“ der Bundesförderung – dann könnten zum Beispiel 100 Mbit als Standard gesetzt werden: „Dann sind alle, die noch nicht mit Glasfaser versorgt sind, wieder dran.“ Nebenbei ärgert sich der Kämmerer: Weil der Großteil des Geldes vom Bund gezahlt und vom Kreis nur durchgeleitet wird, werde der Etat des Kreises künstlich aufgebläht – mit der Folge, dass die Sozialausgaben mit einem Anteil von „nur“ 67,8 Prozent unterbeleuchtet sind.
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ÖPNV: Der Kreis plant 5,8 Millionen Euro ein, um einen neuen „Höchsttarif“ zu subventionieren; damit soll ein unbegrenztes Steigen der Fahrpreise vermieden werden. Bereits in diesem Jahr hat der Kreis den Betrieb mit 3,8 Millionen Euro gestützt. Als Corona-Kosten, wie von den Bürgermeistern gefordert, will der Kämmerer diese Mehrausgabe nicht ausbuchen – das Problem, das die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) mit dem vorgegebenen Nahverkehrsplan nicht wirtschaftlich fahren können, sei schließlich schon vorher entstanden. Schülerticket, Nachtbus und eine „Grundzuweisung“ kommen dazu, sodass der öffentliche Nahverkehr insgesamt nun mit 14,5 Millionen Euro zu Buche schlägt. Formal sei das zwar eine der von den Kommunen kritisierten „freiwilligen“ Leistungen, räumt Landrat Andreas Müller ein. Daraus werde aber eine viel höhere Pflichtausgabe,wenn die VWS ihre Linienkonzessionen zurückgäben und der Kreis den Busverkehr EU-weit ausschreiben müsse.
Die anderen Themen
Jugendamt: Die Ausgaben für das Jugendamt steigen um 4,3 auf 77,5 Millionen Euro; auch hierfür soll die von den Kommunen zu zahlende Umlage erhöht werden. Der Hebesatz soll von 24,16 auf 24,94 Prozent steigen. „Die Kosten steigen seit 2018 enorm an“, sagt Kämmerer Thomas Damm. Zum einen für den stetigen Ausbau der Kitas – allein für die Übergangslösungen in Containern, die bis zur Fertigstellung von Neubauten gebraucht werden, sind 2,4 Millionen Euro eingeplant. Bemerkbar macht sich aber auch seit den Verbrechen in Lügde und Bergisch Gladbach die verstärkte Aufmerksamkeit für Kindeswohlgefährdungen. Hinzu kommen erhöhte Anforderungen bei den Hilfen für seelisch Behinderte und für Familien.
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Rettungswachen: Rund sechs Millionen Euro stehen für den weiteren Ausbau im Programm. Im nächsten Jahr wird die Rettungswache in Wilnsdorf erweitert, in Bad Berleburg und Bad Laasphe entstehen Neubauten. Auch Allenbach ist an der Reihe – dort steht der Standort allerdings noch nicht fest. „Wir sind mit mehreren Grundstückseigentümern an der B 508 im Gespräch.“ Bisher ist die Rettungswache in Ferndorf für Kreuztal und Hilchenbach zuständig. Beide Kommunen sollen nun eigene Wachen erhalten, für Kreuztal wird es einen neuen Standort nördlich der Hauptkreuzung geben.
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Kreisstraßen: Für die Unterhaltung, die Erneuerung und den Ausbau der Kreisstraßen sind 11,77 Millionen Euro eingeplant. Größte Einzelmaßnahme wird die Erneuerung der Ortsdurchfahrt Alchen.
Personal: Elf Stellen werden neu geschaffen – in der Kreisleitstelle, in der Klimaschutz-Stabsstelle, im Jugendamt zur Prävention vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, im Regionalen Sozialdienst, im Sozialamt, im Personalamt und in der Geschäftsstelle des Kreistags. Rund 1200 Beschäftigte teilen sich die nun 790,5 Stellen, die der Kreis allerdings nicht allein bezahlt; so sind zum Beispiel die Krankenkassen an der Rettungsdienst-Leitstelle beteiligt. Insgesamt steigen die Personalkosten um 1,5 Prozent auf 64,9 Millionen Euro.
Kommentar:Zwischen Corona und Nothaushalt – auf 2022 kommt es an
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