Siegen-Wittgenstein. Polizei ehrt wieder Siegen-Wittgensteiner mit Zivilcourage: Junge Frauen retten, Verletzte versorgen, Betrüger entlarven. „Das macht man einfach“

Man kann immer etwas tun, wenn andere in Not sind. Sich um das Opfer kümmern, andere um Hilfe bitten, die Polizei rufen, als Zeuge aussagen und sich am besten nicht selbst in Gefahr begeben. Die Polizei hat zusammen mit der AOK und dem FC Eiserfeld wieder Menschen geehrt, die genau das getan haben: Hin- und nicht weggesehen, nicht gezögert sondern gehandelt, Schlimmeres verhindert.

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„Wir sind froh, dass sie das getan haben“, sagt Landrat Andreas Müller im Rahmen der Feierstunde im Lyz. „Sie sind ein Vorbild und haben die Welt ein kleines bisschen besser gemacht.“

Jona Schäfer und Bo Henry Lingel helfen einem verletzten Radfahrer im Wald

Jona Schäfer und Bo Henry Lingel, beide 8, kennen sich schon seit dem Kindergarten. Eines Tages sind sie im Wald, sie haben eine Hütte gebaut, erzählt Jona, als er plötzlich von Henry gerufen wurde. Er rannte hin und sah einen älteren Jungen, der mit seinem Fahrrad auf einem Bike-Trail auf der Martinshardt gestürzt war. Der Lenker hatte sich in der Luft gedreht, der junge war mit dem Rücken gegen einen Baum geknallt und hatte Schmerzen, erzählt Jona.

Jona Schäfer (links) und Bo Henry Lingel helfen einem verletzten Jungen im Wald. Weil der Schmerzen hat, bereiten sie ihm ein Kissen aus Blättern. Dafür gibt’s Lob von Landrat Andreas Müller.
Jona Schäfer (links) und Bo Henry Lingel helfen einem verletzten Jungen im Wald. Weil der Schmerzen hat, bereiten sie ihm ein Kissen aus Blättern. Dafür gibt’s Lob von Landrat Andreas Müller. © Hendrik Schulz

Die Jungs rannten zur Straße, um einen Erwachsenen zu finden, damit der Rettungswagen kommt. Bis die Einsatzkräfte kamen, betteten die beiden den Verletzten auf ein Kissen aus Blättern, damit er es bequemer hatte, und führten die Sanitäter zur Unfallstelle. „Dafür braucht man keinen Mut, das macht man einfach“, sagt Henry.

Nicole Schneider wird misstrauisch, als ein Senior für 800 Euro Google-Play-Karten kauft

Nicole Schneider arbeitet in einer Lottoannahmestelle in Deuz. Als ein älterer Herr bei ihr im Laden auftauchte und für 800 Euro Google-Play-Karten, ein digitales Zahlungsmittel, kaufen wollte, wurde sie misstrauisch. Und fragte nach: Angeblich hatte er bei einem Gewinnspiel gewonnen, 38.500 Euro. Um den Gewinn freizuschalten, sollte er die Karten kaufen.

Für 800 Euro Google Play Karten, um einen Gewinn freizuschalten? Nicole Schneider, hier mit Britta Scholz von der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein, kommt das komisch vor.
Für 800 Euro Google Play Karten, um einen Gewinn freizuschalten? Nicole Schneider, hier mit Britta Scholz von der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein, kommt das komisch vor. © Hendrik Schulz

Nicole Schneider überzeugte den 83-Jährigen, zu warten und rief die Polizei. Die stellte fest, dass der Mann einem Betrüger aufgesessen war. „Sie haben verhindert, dass ein hoher Schaden entstanden ist“, lobt Britta Scholz von der Polizei. „Schon kleine Taten können Großes bewirken.“

Taxifahrerin Birgit Hermann bewahrt eine 90-Jährige davor, viel Geld zu verlieren

Birgit Hermann ist Taxifahrerin. Sie wurde von Betrügern zu einer 90-Jährigen Frau bestellt. Der hatten die Täter weisgemacht, dass ihr Enkel nach einem Unfall Geld für die Versicherung brauchte, ließen sich sogar von zunächst 11.000 auf 5000 Euro herunterhandeln, mehr hatte sie nicht auf der Bank. „Täter sind flexibel“, sagt Britta Scholz – sie warteten, bis die alte Dame während des Gesprächs den Namen ihres Enkels selber nannte. Und gaben sich auch noch „hilfsbereit“, indem sie das Taxi zur Bank riefen. Mit Birgit Hermann hatten sie nicht gerechnet.

Taxifahrerin Birgit Hermann (links) wird misstrauisch, als sie mitbekommt, dass eine alte Frau Geld abheben will, um die Gefahr eines Einbruchs abzuwenden.
Taxifahrerin Birgit Hermann (links) wird misstrauisch, als sie mitbekommt, dass eine alte Frau Geld abheben will, um die Gefahr eines Einbruchs abzuwenden. © Hendrik Schulz

Die war von Beginn an misstrauisch: Irgendwas stimmte da nicht. Zumal die alte Frau sehr nervös war. Sie verständigte ihre Kollegin in der Taxizentrale von Farnschläder, die rief die Polizei. Sie fuhren zurück, der Enkel kam nicht – und dass die Beamten am Haus der alten Frau vor Ort waren, bekamen die Täter leider mit. Aber der Betrug konnte verhindert werden. „Das hat nichts mit Dummheit zu tun“, betont Susanne Otto: Die Täter gehen sehr geschickt vor, reagieren flexibel und stellen sich auf solche Dinge ein.

Hasan Ali Cosar rettet junge Frau und verfolgt den Triebtäter bis die Polizei kommt

Hasan Ali Cosar sitzt abends mit seinem Schwiegervater im Auto in Buschhütten. Plötzlich sehen sie eine junge Frau, die schreit und sich gegen einen Mann wehrt. Schon im Bus von Weidenau hatte der die 17-Jährige belästigt; zuerst indem er sich neben sie gesetzt und vollgetextet und ihre Ablehnung ignoriert hatte. Dann, nachdem sie ausgestiegen war, indem er ihr folgte und ihr von hinten unter den Rock. Sie forderte ihn auf, sie in Ruhe zu lassen, wechselte die Straßenseite; der Mann folgte ihr, hielt sie fest, versuchte sie zu küssen. Bis Hasan Ali Cosar dazwischenging.

Hasan Ali Cosar (links) bewahrt eine junge Frau in Buschhütten vor den Zudringlichkeiten eines Mannes.
Hasan Ali Cosar (links) bewahrt eine junge Frau in Buschhütten vor den Zudringlichkeiten eines Mannes. © Hendrik Schulz

Der Mann floh, Cosar hinterher, verständigt währenddessen die Polizei. „Das hat er erst gar nicht gemerkt“, sagt er. Als der Täter es dann doch merkte, schlug er sich in die Büsche. Aber Cosar kennt sich aus in Buschhütten. Er schaffte es, den Mann zu stellen und festzuhalten. Sie habe ihn küssen wollen, behauptete er. „Das sah aber nicht so aus“, antwortete Cosar, hielt ihn weiter eisern fest und schleppte den Mann zurück zur Straße, wo die Polizei schon wartete. „Wir wissen, wie traumatisierend solche Ereignisse für die Opfer sein können“, sagt Polizist Bahman Pournazari. „Sie haben einen Menschen davor bewahrt.“

Daniel Bicher verursacht einen kleinen Verkehrsunfall und stellt sich selbst

Daniel Bicher bringt nichts aus der Ruhe. Wenn die Polizei vor der Tür steht nicht, wenn er im Lyz auf der Bühne steht nicht und ein kleiner Unfall auch nicht. Der war dem 13-Jährigen passiert: Die Kette seines Fahrrads war während der Fahrt abgesprungen, Bicher schaute runter und fuhr gegen ein Auto – leichter Schaden an der Rückleuchte.

Eine ehrliche Haut: Daniel Bicher, hier mit Bahman Pournazari von der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein im Lyz.
Eine ehrliche Haut: Daniel Bicher, hier mit Bahman Pournazari von der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein im Lyz. © Hendrik Schulz

„Die meisten wären einfach weitergefahren“, sagt Bahman Pournazari – Daniel Bicher rief die Polizei und stellte sich. „Auch kleine Taten verändern die Welt“, findet Pournazari, „Daniel ist jetzt schon ein Vorbild, im Kleinen.“

Erika Ursula Braach trickst Trickbetrüger aus und ermöglicht drei Verhaftungen

Erika Ursula Braach bekam an einem Augustabend einen Anruf mit unterdrückter Nummer. Eine Einbrecherbande sei festgenommen worden, behauptete ein falscher Polizist, aber nicht alle. Ihr Name sei auf einer gefundenen Liste aufgetaucht – zur Sicherheit solle sie ihr Geld von der Bank abheben. Total logisch. Das Taxi für den nächsten Morgen sei bereits bestellt.

Erika Ursula Braach, hier mit Susanne Otto, half der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein dabei, drei Betrüger zu schnappen.
Erika Ursula Braach, hier mit Susanne Otto, half der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein dabei, drei Betrüger zu schnappen. © Hendrik Schulz

Frau Braach zählte 1 und 1 zusammen und rief die echte Polizei. Die organisierte Einsatz und Zugriff für den nächsten Morgen und Frau Braach spielte mit – so gut, dass drei Verdächtige festgenommen werden konnten. „Das klappt selten, weil die Verdächtigen sehr misstrauisch sind“, erklärt Kommissarin Susanne Otto. Dank Erika Ursula Braach klappte es.

Ein junges Paar umstellt mit Nachbarn einen Einbrecher und nimmt ihn fest

Sophie Leimert und Timo Wolzenburg wohnen in Bad Laasphe neben der Grundschule. An einem lauen Sommerabend hörten sie vom Schulhof komische Geräusche, scheppern, klirren. Mitten in der Woche – schlechte Zeit für Jugendliche, die Party machen wollen. Sie wählten vorsorglich die 110 und gingen nachsehen. Es könnte ja ein Einbrecher sein. Ein Nachbar hatte die Geräusche auch gehört und entdeckt, dass eine Tür eingeschlagen worden war.

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„Arbeitsteilig und sehr umsichtig“, lobt Polizistin Susanne Bald, erkundeten die drei die Lage und umstellten die Schule, in der der Einbrecher sogar Licht gemacht hatte. Per Handy hielten sie die Leitstelle auf dem Laufenden – und als der Verdächtige seinen Arm aus der Tür streckte, hechteten sie vor und überwältigten den Mann. „Taktisch hätte es die Polizei nicht besser machen können“, sagt Susanne Bald.

David Sidel verfolgt einen Autoknacker über die Mittelstrecke 40 Hausnummern weit

David Sidel stand abends vor dem Haus, eine rauchen. Aus dem Fenster beobachtete seine Freundin Alexandra Strunk einen Mann, der aus dem geparkten Auto des Nachbarn stieg. Und dann zum nächsten Auto ging, sich hineinsetzte und mit einer Taschenlampe ausleuchtete.

Abendlicher Sprint: David Sidel, hier mit Susanne Otto, verfolgt einen Autoknacker.
Abendlicher Sprint: David Sidel, hier mit Susanne Otto, verfolgt einen Autoknacker. © WP | Hendrik Schulz

Der Mann haute schließlich ab, David Sidel hinterher, „Mittelstrecke, bestimmt 40 Hausnummern weit“, sagt er grinsend. Er rief dem Mann zu, er solle stehenbleiben – was der auch tat. Sidel hielt ihn fest, bis er sich beruhigt hatte und die Polizei da war. Das dauert ein wenig länger, weil er und seine Freundin in der Eile ihre Handys vergessen hatten. „Da legt sich ein Schalter im Kopf um, man handelt einfach und denkt nicht drüber nach“, sagt David Sidel.

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