Siegen. . Sie sind Helden des Alltags: 14 Bürgerinnen und Bürger haben zuerst an andere gedacht und gehandelt – und damit Menschenleben gerettet.

„Zivilcourage ist leider manchmal Mangelware. Zum Glück gibt es die, die etwas tun, wo es notwendig, aber nicht selbstverständlich ist“. Die, die Landrat Andreas Müller hier beschreibt, wurden genau dafür am Montag, 12. November, im Lyz geehrt: Kreispolizeibehörde, AOK und FC Eiserfeld haben Menschen ausgezeichnet, die nicht gleichgültig und bequem waren, sondern mutig und beherzt; die anderen geholfen, Leben gerettet haben.

Konrad und Christel Eisel mit Susanne Otto von der Polizei.
Konrad und Christel Eisel mit Susanne Otto von der Polizei. © Hendrik Schulz

1. Konrad und Christel Eisel kommen vor einem Jahr, am 11. November 2017, vom Einkaufen heim. Auf der Straße verfolgt ein Mann brüllend eine Frau, beugt sich über sie, als sie am Boden liegt. Christel Eisel stürzt aus dem Wagen, packt den Mann und zieht ihn von seinem Opfer weg. Ihr Mann versucht, den Angreifer zu beruhigen, Christel Eisel bleibt bei der tödlich verletzten Nachbarin. Die Frau und ihr Mann können nicht mehr gerettet werden, der Täter, Bruder des Opfers, wird verurteilt. Kommissarin Susanne Otto sagt zum Ehepaar Eisel: „Ohne Menschen wie Sie wäre die Welt ein bisschen dunkler.“

Anita Müller.
Anita Müller. © Hendrik Schulz

2. Anita Müller (44) aus Mudersbach beobachtet von ihrem Arbeitsplatz in Geisweid aus, wie ein Lkw-Fahrer sein Fahrzeug auf einem Gefällstück der „Birlenbacher Hütte“ in Geisweid abstellt. Er steigt aus – plötzlich setzte sich der Laster auf schneeglatter Straße in Bewegung. Aus Reflex stellt der Mann vergeblich seinen Fuß unter den linken Vorderreifen, sein Sicherheitsschuh wird eingeklemmt. Müller rennt aus dem Büro, krabbelt ins Fahrerhaus, versucht, das Lenkradschloss des Lkw zu lösen. Der Mann versteht kaum Deutsch, aber irgendwann schaffen sie es, das Rad zu drehen. Der Lkw kommt zum Stillstand, sie zieht den Fahrer weg, blockiert die Räder mit Steinen, leistet Erste Hilfe.

Friedhelm Leinung (rechts) und sein Sohn Frank (links).
Friedhelm Leinung (rechts) und sein Sohn Frank (links). © Hendrik Schulz

3. Eine junge Familie fährt durch Wittgenstein. Der Vater muss mal, steigt aus – und stürzt in eine wassergefüllte Grube. Glitschige Wände, kein Boden unter den Füßen. Seine Frau kann ihm nicht helfen. Sie bringt den einjährigen Sohn in Sicherheit, versucht, ein Auto anzuhalten. Ein Wagen nach dem anderen fährt vorbei, bis Friedhelm und Frank Leinung (84 und 45) aus Hilchenbach vorbeifahren. Sie sehen die winkende Frau am Straßenrand und ziehen den jungen Mann aus der Grube. „Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn, dass er so reagiert hat“, sagt Friedhelm Leinung. „Am nächsten Morgen habe ich gedacht: Du wirst bald 84. Du warst nicht umsonst auf diesem knubbeligen Globus.“ Nach einiger Zeit kommt ein Brief von dem Mann, aus Marburg. „Ich habe mich gefühlt wie eine Fliege in einem Glas Wasser“, sagt er im Lyz mit Tränen in den Augen. „Ich bin Ihnen so dankbar.“

Lisa Marie Heßler (Mitte) und Marie Sophie Kuhn mit Susanne Bald von der Polizei.
Lisa Marie Heßler (Mitte) und Marie Sophie Kuhn mit Susanne Bald von der Polizei. © Hendrik Schulz

4. Lisa Marie Heßler und Marie Sophie Kuhn, (beide 21) aus Bad Laasphe und Bad Berleburg arbeiten in einer Tierarztpraxis in Bad Berleburg. Im Sommer bemerkt Heßler dort einen Einbrecher, sie spricht ihn an, er antwortet nicht, versucht zu fliehen, sie hält seinen Rucksack fest, ruft Kuhn zu Hilfe. Der Einbrecher reißt sich los, Marie Sophie Kuhn versucht noch, ihn zu verfolgen. „Aber Praxisschlappen sind eher unvorteilhaft für Verfolgungsjagden...“, erzählt sie. Die Polizei schnappt den Täter bald darauf.

Eva Chadt, Chenoa Heep, Lara Specovius und Leonie Kneppe (von links).
Eva Chadt, Chenoa Heep, Lara Specovius und Leonie Kneppe (von links). © Hendrik Schulz

5. Eva Chadt, Chenoa Heep und Lara Specovius aus Niederdielfen sowie Leonie Kneppe aus Flammersbach (alle 11) sind am 4. Juli im Freibad in Wilnsdorf. Sie albern am Beckenrand herum, Eva und Chenoa tauchen. Die beiden anderen beobachten, wie ein kleiner Junge, 2 Jahre alt, ins Becken rutscht. Erst denken sie noch, seine Mutter hat das auch gesehen. Hat sie nicht. Lara und Leonie rufen ihre Freundinnen im Wasser. Eva ist Leistungsschwimmerin, packt den Jungen und zieht ihn zur Bademeisterin, die gerade schimpfen wollte, weil die Mädchen am Beckenrand herumtollen. „Wärt Ihr nicht dagewesen – es hätte keiner gemerkt“, lobt Kommissarin Susanne Bald.

6. Travis Weber und Max Weigel, (beide 10) aus Bad Laasphe sind mit ihren Fahrrädern im Ort unterwegs. Sie beobachten, wie ein Auto über eine Verkehrsinsel brettert, ein Verkehrsschild ummäht und weiterfährt. Sie verfolgen den Unfallflüchtigen, fahren schnell bei der Polizeiwache vorbei – und müssen dann schon wieder los, den Verbrecher schnappen. Auf einem Parkplatz präsentieren die beiden Spürnasen den Polizisten das Auto.

Alfred Berg.
Alfred Berg. © Hendrik Schulz

7. Vor mehr als 40 Jahren rettet der Siegener Alfred Berg, heute 76, einem kleinen Mädchen das Leben: Im Winter 1976 stürzt Stefanie Lück, damals 6, beim Spielen am Siegufer an der Tiergartenstraße in die Sieg. Der Fluss hat Hochwasser, Stefanie Lück wird fortgerissen, taucht immer wieder unter, sieht ihre Freundin am Ufer mitlaufen und rufen.

Stefanie Lück.
Stefanie Lück. © Hendrik Schulz

Alfred Berg will in seinem Schrebergarten nach dem Rechten sehen. Er hat die Mädchen beim Spielen gesehen; als er Stefanie Lücks Freundin rufen hört, sieht Alfred Berg ihren aufgeblähten Anorak an der Oberfläche, fackelt nicht lange und springt ins Wasser. Beide beschäftigt der Vorfall all die Jahre, sie erfahren erst jetzt den Namen der anderen Person – Alfred Berg an seinem Geburtstag. Stefanie Lück: „Ich kann mich erst wieder erinnern, dass ich in seinen Armen lag.“

  • Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.
  • Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.