Siegen. Siegen-Wittgenstein verlängert Unterstützung für Prostituiertenberatung „Tamar“. Es gibt Fälle, wo Behörden Sexarbeiterinnen diskriminieren.
Prostituierte haben in Siegen-Wittgenstein weiterhin eine Anlaufstelle, an die sie sich für Beratung und Unterstützung wenden können. Der Kreissozialausschuss hat die Bezuschussung der Prostituiertenberatungsstelle Tamar über 33.000 Euro für 2022 bewilligt. Siegen-Wittgenstein ist aktuell der einzige südwestfälische Landkreis, in dem die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen das Beratungsangebot unterhält: „Während der Coronakrise haben die Prostituierten sehr gelitten“, sagt Beraterin Jolanta Schmidt.
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Die Sexarbeiterinnen waren mit am längsten von den Lockdowns betroffen; seit März 2020 hätten sie nur wenige Monate tatsächlich arbeiten können, so Schmidt. Viele hätten sich nach Alternativen umgesehen – ein Bereich, in dem Tamar Unterstützung anbietet. 112 Frauen seien im Zeitraum 2019/20 als Erstkontakte erreicht worden; trotz deren faktischen Arbeitsverbots habe man während der Corona-Zeit 2020 noch 47 Prostituierte in den Etablissements und Bordellen in Siegen-Wittgenstein angetroffen und intensiv beraten. 2021 seien es bislang 39 solcher Intensivberatungen gewesen.
Guido Müller, FDP: Tamar-Leistung in Siegen-Wittgenstein bereits von anderen erbracht
Das seien bis zu zehn Termine pro Frau, antwortete Pfarrerin Birgit Reiche, Leiterin von Tamar, auf Guido Müller (FDP). Der hatte die Personenzahl auf 1,5 Fälle pro Woche umgerechnet, laut Reiche ohne die Folgetermine zu berücksichtigen. Mit AfD-Mann Thomas Dicke stimmte der Liberale gegen die weitere Förderung. Mit der Beratung von Tamar werde in Siegen-Wittgenstein eine Doppelstruktur vorgehalten und eine Leistung erbracht, die andere Organisationen oder der Staat bereits erbrächten – Seelsorge oder die Sozialämter beispielsweise. Er sehe den Mehrwert nicht, den dieser zusätzliche finanzielle Aufwand erbringe. Zumal jeder selbst für seine Situation verantwortlich sei.
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„In der Theorie können die Frauen zum Amt gehen“, entgegnete Jolanta Schmidt überrascht bis erbost: Die Frauen seien auch in Ämtern oder Jobcentern einer „derartigen Diskriminierung ausgesetzt“ – einer Prostituierten, die sich hilfesuchend an ein Jobcenter wandte, um einem anderen Beruf nachzugehen, sei sinngemäß gesagt worden, dass ihr Zuhälter in der Vergangenheit ja wohl gut mit ihr verdient habe, nun solle er ihr beim Ausstieg helfen, dafür brauche sie kein Geld vom deutschen Staat.
„Amtshilfe“ zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde in Siegen-Wittgenstein?
Andere hätten mit dem Entzug der Aufenthaltserlaubnis und der Freizügigkeit gedroht – die Frauen seien zum Arbeiten nach Deutschland gekommen, nun könnten sie ja nicht arbeiten. Solche „Amtshilfen“ zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde habe es auch in Siegen-Wittgenstein gegeben, bekräftigte Birgit Reiche. Was den zuständigen Amtsleiter aufhorchen ließ.
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„Die Behörden kennen sich mit Prostitution nicht aus“, bekräftigte Jolanta Schmidt. Tamar stehe den Frauen bei, um ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. „Unser Ansatz ist nicht: Hör auf mit der Prostitution“, erläuterte Birgit Reiche – wenn sie mit der Sexarbeit weitermachen wolen, berate man sie dennoch weiter. „In Siegen-Wittgenstein macht so kein anderer diese Arbeit.“ Während Corona habe die zum Beispiel auch darin bestanden, bei Terminen im Impfzentrum zu helfen. Viele Prostituierte würden dazu nicht gut genug Deutsch sprechen – und auch nicht, um das durchaus komplizierte „Düsseldorfer Modell“ zu erfüllen, nach dem sich Sexarbeiterinnen in Deutschland für eine legale Tätigkeit richten müssen.