Siegen. Im Landgericht Siegen geht es um einen seltsamen Abend: Eine junge Prostituierte, vier Kumpels, die nicht zahlen und Geldeintreiber mit Machete.

Am 7. Februar 2017 fährt eine Polizeistreife über einen Supermarktparkplatz in Eiserfeld. Plötzlich kommt ein Mann zum Wagen, trägt vor, von zwei anderen verfolgt zu werden. Auch diese beiden spazieren zum Streifenwagen. Es entspannt sich ein „entspanntes Gespräch“ mit allen Beteiligten, erinnert sich ein Polizist, bis ein Passant eine Machete herbei trägt, die einer der Verfolger vor dem Plausch unter ein Auto geworfen hat. Jetzt sitzen zwei Männer wegen schwerer räuberischer Erpressung im Siegener Landgericht.

Hintergrund ist ein fröhlicher Abend, der offenbar ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist. Die Täter sollten mit einem Dritten in Siegen gewesen sein, um die Entlohnung für eine Prostituierte einzutreiben. Trotzdem gibt es am Dienstagmorgen eine Einstellung. Wenn auch mit großen Bedenken der Kammer.

Landgericht Siegen: Zeuge will von einer Prostituierten nichts gewusst haben

Der Mann, der über den Parkplatz und auch vorher schon gejagt wurde, hatte mit drei Kumpels und einer jungen Frau gefeiert. Alle vier schliefen wohl auch mit ihr, die sich hinterher als 16-jährig herausstellte. Einer der vier erklärt montags im Zeugenstand, nichts davon gewusst zu haben, dass diese aus Dortmund für sexuelle Dienste praktisch bestellt worden war und hinterher nicht bezahlt wurde. Er sei aus der Abendschule gekommen und von einem Freund abgeholt worden. Das Mädchen habe schon im Wagen gesessen, „ich saß dann neben ihr. Ich habe sie gefragt, wie alt sie ist, was für eine Landsfrau und ob sie einen Freund hat.“ 22 soll sie geantwortet haben, eine Türkin und nein, einen Freund habe sie nicht.

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Es sei dann viel getrunken worden, „dann hatten wir Sex. Und das war es dann“. Richterin Elfriede Dreisbach möchte wissen, was mit dem Mädchen geschehen ist. „Wir haben sie nach Hause gebracht“, sagt der Zeuge. Nach Dortmund wohl. Er habe jedoch die meiste Zeit geschlafen. Ihm hätten auf einmal 200 Euro aus der Tasche gefehlt. „Aber das macht mir nichts. Geld ist mir scheißegal. Es kommt und geht. Wie Frauen auch. Hauptsache, ich bin gesund. Wenn ich Geld brauche, mache ich eben Neues“, erklärt der 24-Jährige, der angeblich nach einem Sturz 2019 arbeitsunfähig ist. Er habe einen Kieferbruch erlitten und vier Zähne verloren.

In Siegen tauchten am nächsten Tag drei bewaffnete Geldeintreiber auf

An jenem Abend sei nicht über Geld gesprochen worden. Später möglicherweise von 800 Euro. „Wenn ich gewusst hätte, dass es um eine Prostituierte ging, hätte ich es ganz anders gemacht“, betont der Zeuge: Dann hätte er lieber ein Edel-Callgirl gebucht „für mindestens 1500 Euro!!“

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Dass am nächsten Tag drei Männer in Siegen auftauchten und von zwei der Beteiligten Geld verlangten – die Zeugen berichteten der Polizei von 2500 his 4000 Euro – hat er durch einen Anruf eines der Freunde mitbekommen. Er sei gerade noch mit einem Schulkameraden auf einem Spaziergang vor dem Unterricht gewesen: „Ich sollte ihm helfen. Aber ich wollte nicht.“ Deshalb sei er lieber weggeblieben. So, wie auch am ersten Verhandlungstag vor einer Woche. Die Ladung habe er ignoriert, „weil mir die Namen der Angeklagten nichts sagten“. Das sei natürlich falsch gewesen, „so etwas macht man nicht“, versichert er dem Gericht.

Einen der Siegener Männer mit der Machete bedroht

Einem seiner damaligen Freunde wurde die bewusste Machete an die Kehle gehalten, der andere mit der Waffe und einem Baseballschläger verfolgt. Dem ersten hätten sie wohl auch „ziemlich weh getan“, bedauert der junge Mann. Inzwischen habe er mit all diesen Leuten nichts mehr zu tun.

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Der Staatsanwalt hat am Montag avisiert, sich „24 Stunden Gedanken zu machen“. Daraus resultiert einen Tag später in Absprache mit dem Gericht ein Antrag, die Verfahren gegen beide Männer einzustellen. Der dritte Mann, nach Auffassung aller der Haupttäter, sitzt bereits in einer anderen Sache acht Jahre. Hinsichtlich darauf war die Anklage gegen ihn bereits im Vorfeld eingestellt worden.

Landgericht Siegen: Angeklagte bereits wegen anderer Delikte bekannt

Haupthindernis für weitere Maßnahmen gegen das verbleibende Duo sind die als Zeugen gehörten Polizeibeamten, die überwiegend dünne oder gar keine Erinnerungen an den Tag und die Vorgänge haben. Aus Sicht des Gerichts „ist die schwere räuberische Erpressung in jedem Fall vom Tisch“, stellt die Vorsitzende fest, nachdem die Bewährungshelferin eines der Männer unter sehr merkwürdigen Umständen der Ladung ferngeblieben ist.

Damit blieben höchstens noch Beihilfe zur Erpressung oder Nötigung. Die wiederum sind aber auch bei diesen Angeklagten durch frühere Entscheidungen mehr oder minder mitbestraft. Staatsanwalt und Verteidiger einigen sich auf die Einstellung.

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