Siegen. Zahl der Kinder, die nicht richtig Schwimmen können, ist pandemiebedingt in Siegen und Umland stark gestiegen. DLRG versucht Defizite aufzuholen.
Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DRLG) beobachtet einen pandemiebedingten Anstieg von Kindern, die nicht schwimmen können. Nach langer Zeit, in der die Bäder geschlossen waren, steigt aktuell die Nachfrage nach Schwimmkursen. „So viel Ansturm auf unser Kinderschwimmtraining hatten wir noch nie“, berichtet Felix Besser, Pressesprecher der DLRG-Ortsgruppe Siegen.
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„Es wird davon ausgegangen, dass in ganz Deutschland im Jahr 2020 wegen der Zwangsschließungen der Hallenbäder etwa eine Million Kinder nicht schwimmen lernen konnten“, so Felix Besser. Nach anderthalb Jahren Stillstand sei die Nachfrage daher jetzt besonders hoch, die Wartelisten des DLRG würden immer länger. Schon vor der Pandemie hätten demnach 60 Prozent der Kinder nicht richtig schwimmen können, Corona habe das noch verschärft. Er schätzt, dass mittlerweile 1,5 Millionen Kinder in Deutschland nicht richtig schwimmen können.
Hallenbäder in Siegen-Wittgenstein aktuell geöffnet – Training dennoch eingeschränkt
Bettina Halbe, Schulrätin und Ausschussvorsitzende für Schulsport in Siegen-Wittgenstein und Olpe, hält es daher für dringend erforderlich, dass so viele Kinder wie möglich Schwimmen lernen. „Das sichere Schwimmen-Können gilt als motorische Basiskompetenz und hat für unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur gesundheitliche, sondern auch lebensrettende Funktion“, sagt sie. Ziel der Landesregierung sei es, dass jedes Kind am Ende der Grundschulzeit, spätestens aber am Ende der Klasse 6 sicher schwimmen kann.
Wöchentlich Mittwochs
Der DLRG bietet jeden Mittwoch im Löhrtor-Hallenbad zweimal Kinderschwimmtraining für Anfänger zur Wassergewöhnung an.Die Trainingszeiträume: 17.15 bis 18 Uhr sowie 18 bis 19 Uhr.Anmeldung unter 0271/38795632 oder online auf www.siegen.dlrg.de.
Zur Zeit sind die Hallenbäder zwar wieder geöffnet, allerdings darf nur eingeschränkt trainiert werden. Außerhalb des Wassers muss auf Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen geachtet werden. „Ein normales Training der Nichtschwimmer in großen Gruppen ist zurzeit noch nicht möglich“, so Felix Besser. Die Nichtschwimmergruppen des DLRG seien vorerst komplett ausgelastet, da die Gruppen nicht so groß sein dürfen wie vor Corona – für Anfängerkurse gilt eine Teilnehmerbegrenzung von zehn Kindern pro Schwimmkurs.
Altersdurchschnitt bei Schwimmanfängern in Siegen hat sich erhöht
„Wir wollen möglichst vielen Kinder jetzt die Chance geben, richtig schwimmen zu lernen“, sagt er. Man achte darauf, Nichtschwimmern, die bald ins Schulschwimmen starten, möglichst schnell ein Trainingsangebot zu machen. Generell habe sich der Altersdurchschnitt bei den Anfängern von 3 bis 4 auf 6 bis 7 Jahre erhöht. Das erschwere die Situation zusätzlich. „Je früher man mit dem Schwimmen anfängt, desto leichter fällt es“, betont Besser. „Viele Kinder wollten wahrscheinlich schon früher schwimmen lernen, hatten wegen der Schließung der Hallenbäder aber keine Möglichkeit dazu.“
Andere Anfänger hätten zwar vor Corona an einem Schwimmkurs teilgenommen, seien aber durch die lange Pause eingerostet. „Regelmäßiges Trainieren ist beim Schwimmen sehr wichtig, sonst ist die Gefahr hoch, die Bewegungen im Wasser wieder zu verlernen“, sagt Felix Besser. Allgemein sei der Leistungsstand vieler Kinder zurückgegangen – auch in Sachen Kondition oder der Hemmschwelle, mit dem Kopf unterzutauchen. Individuelle Wassergewöhnung habe in den Kursen aktuell hohen Stellenwert.
Schulschwimmen in Siegen und Umgebung wegen Pandemie anpassen
Die Pandemie hat auch das Schulschwimmen deutlich erschwert. Die monatelange Bäderschließung werde sich auf die Gestaltung des Unterrichts auswirken, prognostiziert Bettina Halbe: „Die Lehrkräfte individualisieren ihren Unterricht entsprechend und passen die Übungen an die Voraussetzungen der jeweiligen Lerngruppe an.“ Die Schulleitungen würden immer mehrere Lehrkräfte mit ins Schwimmbad schicken – eine Aufsichtsperson könne nicht die steigende Zahl an Nichtschwimmern betreuen. Die Einteilung werde nach Klassengröße und den Rahmenvorgaben des jeweiligen Bades vorgenommen.
Bereits im vergangenen Schuljahr hätten viele Schulen die wenigen Schwimmstunden vor der Schließung zuerst den Schülergruppen gewidmet, die noch über wenig Erfahrung verfügten. „Im Vordergrund stand dabei, sich mit dem Bewegungsraum Wasser vertraut zu machen“, so Halbe. Wassergewöhnung und -bewältigung werde auch für höhere Jahrgänge mehr Raum einnehmen.
DLRG Siegen bietet gezielte Förderkurse für Schwimmanfänger
Den Rückstand wieder aufzuholen, hält Felix Besser für eine schwere Aufgabe. Die DLRG tue alles, pandemiebedingte Schwimmdefizite aufzuarbeiten. Der Verein stellte in den Ferien ein Kursangebot für Nichtschwimmer auf die Beine, um möglichst viele Schwimmanfänger zu trainieren. „Leicht ist diese Aufgabe aber nicht“, sagt er. „Wir arbeiten, arbeiten und arbeiten, damit so viele junge Leute wie möglich ans Schwimmen kommen“. Die Aufarbeitung werde den Ortsverband wahrscheinlich noch die nächsten Jahre beschäftigen. Der DLRG ist nach wie vor froh über jeden, der sich entscheidet, Schwimmen zu lernen und sich anmeldet – auch wenn das aktuell schwieriger zu bewältigen ist.
Neben dem Schulschwimmen werden über das Programm „Ankommen und Aufholen nach Corona“ in Kooperation mit regionalen Sportvereinen bis Ende 2022 zwei Millionen Euro vom Landessportbund für weitere Schwimmangebote bereitgestellt. „Der Ausschuss für den Schulsport tut viel dafür, dass zusätzliche Anfängerkurse angeboten werden können, um die coronabedingten Ausfälle des Schwimmunterrichts aufzufangen“, sagt Schulrätin Bettina Halbe. Für die Herbstferien seien bereits Kurse im Rahmen des Projekts „NRW kann schwimmen“ im Kreis beantragt.
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Für Felix Besser wäre es das falsche Signal, wenn Eltern ihre Kinder erst gar nicht zu einem Schwimmkurs anmelden oder glauben, dass sich das Thema wegen Corona sowieso erledigthabe. Sorgen bereitet dem Verein, dass Kinder teils schon mit sieben Jahren ohne Eltern ins Freibad dürfen. Denn wenn sie nicht richtig Schwimmen gelernt haben, werde es im Becken gefährlich, warnt Besser. Der DLRG fürchtet, dass es in Bädern vermehrt zu Unfällen kommt. Das war bereits 2020 zu beobachten, als viele auf unbewachte Badestellen auswichen.