Seit Monaten ist ein umfassendes Schwimmtraining in den Vereinen und bei der DLRG nicht möglich. „Wir fangen bei Null an“, sagen Verantwortliche.
Siegerland. Wenn alles so einfach wäre zwischen Verordnung auf Papier und Leben vor Ort. Seit Ende März erlauben die Corona-Bestimmungen, neben Schwimm-Unterricht an Schulen und Betriebssport wie etwa Rettungsschwimmkurse der Polizei, in Hallenbädern auch wieder Anfänger-Schwimmkurse und Kleinkinder-Schwimmkurse. Gruppen von bis zu fünf Kindern und einem Betreuer dürfen den Regeln nach gemeinsam ins Wasser. Nur: Schwimm-Ausbildung hält gerade nur ganz langsam wieder Einzug in die Bäder im Siegerland.
SV Neptun Siegerland
Die Möglichkeit, nach der Corona-Verordnung von Ende März wieder Schwimmkurse für Kinder aufnehmen zu können, hat die SV Neptun Siegerland bereits kurz nach der Veröffentlichung ins Auge gefasst. „Wir haben eine Anfrage an die Stadt Siegen gerichtet“, sagt Vanessa Frettlöh. Inzwischen würden bereits Schwimmkurse durchgeführt, erklärte die Siegener Stadtverwaltung auf Anfrage dieser Zeitung, „weitere Kurse im Hallenbad Löhrtor sind in Planung.“ Vor dem Startschuss stellen sich jedoch für die Sportliche Leiterin der „Neptunen“ eine Reihe von Fragen: Welche Kinder dürfen zu den Schwimmkursen kommen? Dürfen mehrere Kurse mit jeweils fünf Kindern gleichzeitig stattfinden? Wie müssen Teilnehmer und Betreuer getestet sein? Wie groß ist der personelle Extra-Aufwand, das Hallenbad nach jedem Kurs hygienisch zu reinigen?
Seit November liegen alle Schwimm-Angebote der „Neptunen“ auf dem Trockenen. Demnächst in ein Freibad auszuweichen, ist keine Alternative. „Da ist den Kindern schon nach fünf Minuten kalt“, sagt die Erfahrung von Vanessa Frettlöh. Die letzten Schwimmkurse haben die „Neptunen“ bis zum Lockdown im November angeboten, sogar mit zusätzlichen Terminen samstags. Inzwischen befürchtet sie, „dass ein, zwei Jahrgänge nicht schwimmen können“. Immerhin, das Interesse an Schwimmkursen ist ungebrochen. Auch an Training oder Wettkampfsport ist übrigens immer noch nicht zu denken, weil verboten.
TuS AdH Weidenau
Ein anderes Problem sieht Patrick Jüngst, falls die „Pinguine“ im TuS AdH Weidenau im Hallenbad am Bismarckplatz wieder Kurse für Kinder durchführen würden. „Bei Anfängerschwimmen oder Wassergewöhnungskursen sind immer Ehrenamtler von uns mit im Wasser“, erklärt der Abteilungsleiter, „das geht nicht ohne Nähe.“ Dafür eine Lösung zu finden, sei für ihn noch „nicht vorstellbar“. Auch die „Pinguine“ haben im vergangenen Jahr, nach dem ersten Lockdown bis in den Oktober hinein Kinder-Kurse durchgeführt. Wenn die Schwimmabteilung diese Kurse wieder aufnehme, würden viele Teilnehmer „bei Null anfangen“, mahnt Jüngst. Anfragen, wann es weiter gehe, gebe es immer wieder.
DLRG-Ortsgruppe Weidenau
Bei der DLRG-Ortsgruppe Weidenau liegt die letzte Nichtschwimmer-Ausbildung schon über ein Jahr zurück. Vor dem ersten Lockdown im vergangenen März war von jetzt auf gleich Schluss. „Wir sind seither mit zwei Schwimmkursen im Rückstand“, sagt die Ortsgruppen-Vorsitzende Katja Scholz. In jedem Kurs bringen die Lebensretter bis zu 20 Kindern bei, wie sie sich sicher im Wasser bewegen können. Die Warteliste abzubauen, werde bis zu eineinhalb Jahre dauern, befürchtet Scholz. Überdies müsse man, wenn die Schulungen wieder weitergehen könnten, „alles neu aufbauen. Von der richtigen Technik haben die Kinder viel vergessen.“
Die Nichtschwimmer-Generation
Die Corona-Bestimmungen haben den Schwimm-Unterricht auch in den Grundschulen ausgebremst. „Schwimmunterricht war grundsätzlich fast immer möglich“, sagt Bernd Krämer. In der Theorie sicherlich, nur in der Praxis nicht. Der Fachberater für Sport an Grundschulen bei der Bezirksregierung Arnsberg spricht von „einem hohen organisatorischen Aufwand“. Schon zu normalen Zeiten blieben von einer Schwimm-Doppelstunde im Stundenplan nur 30 Minuten Unterricht im Wasser, unter den aktuellen Hygiene-Bedingungen noch weniger. Zudem dürften in der Pandemie nicht mehrere Schulen gleichzeitig in einem Bad unterrichten, wenn sie nicht ohnehin geschlossen seien.Bis zu den Weihnachtsferien habe Schwimmunterricht an den Grundschulen „nur eingeschränkt stattgefunden, danach nahezu nicht“. Bei Wechsel- und Distanzunterricht würden sich die Schulen auf Kernfächer konzentrieren. „Das Fach Sport leidet seit einem Jahr extrem unter der Pandemie, besonders der Schwimmunterricht“, beklagt Krämer. Er befürchtet, dass Schwimmen in der Schule bis zu den Sommerferien „ein Schatten-Dasein“ führen wird. Mit welchen Auswirkungen? Krämer befürchtet, dass weniger Kinder und Jugendliche schwimmen lernen und sieht kurzfristig, dass die weiterführenden Schulen einen Schüler-Jahrgang bekommen werden, der kaum oder nicht schwimmen kann.
Eine andere Hürde bei der Nichtschwimmer-Ausbildung der DLRG: Die Schwimmkurse mit höchstens acht Teilnehmern und ein oder zwei Betreuern gelten als Kontaktsport, betont Katja Scholz, mit den entsprechenden Einschränkungen. Daher konnte die DLRG vom Sommer bis Oktober lediglich Schwimmstunden für die Bronze-Gruppen veranstalten. Da schwammen Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren, die zuvor das Anfängerschwimmen mit dem „Seepferdchen“ bestanden hatten. Und noch etwas ist bei den Lebensrettern in den vergangenen Monaten ausgefallen: die Ausbildung der eigenen Rettungsschwimmer.
SG Wellenbrecher
In Dahlbruch geht seit Monaten für die SG Wellenbrecher nichts. „Wir haben kein Bad“, stellt Jan Strackbein, der Vorsitzende der aus den Schwimmabteilungen des TuS Hilchenbach und des TV Allenbach gegründeten SG Wellenbrecher, fest. Das Hallenbad am Bernhard-Weiss-Platz ist mit Beginn des Lockdowns im November geschlossen. Die Lenne-Therme als Betreiber habe die Sportstätte „aus wirtschaftlicher Betrachtung“ noch nicht wieder geöffnet, erklärt Hans-Jürgen Klein, Pressesprecher der Stadt Hilchenbach.
Dabei ist Strackbein überzeugt, dass sein Verein „ein sehr gutes Hygienekonzept“ erarbeitet habe: Die Duschen sind abgestellt, zum Umziehen nutzen die Schwimmer nur die abgetrennten Einzelkabinen. Strackbein kann sich sogar Übungsstunden für die Wettkampfschwimmer vorstellen. „Theoretisch ist Einzelunterricht möglich“, erklärt er, also Training eines Schwimmers mit einem Betreuer. Laut Strackbein hätten Übungsleiter angekündigt, mitzumachen.