Siegen. Das Autohaus Toyota Keller eröffnet einen Pop-up-Store in der City-Galerie Siegen. Das Konzept ist ungewöhnlich – und könnte Schule machen.
Mit manchen Dingen rechnet man in einem Einkaufszentrum gemeinhin nicht. Mit einem Autohaus zum Beispiel. Dass hin und wieder mal ein paar Autos zu Werbezwecken auf den Gängen stehen – klar. Aber in der City-Galerie bezieht Toyota Keller nun für zehn Wochen ein komplettes Ladenlokal. Am Montag, 16. August, ist Eröffnung dieses Pop-up-Stores.
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„Ich glaube, dass das eine Chance sein kann. Und ich glaube, dass das Nachahmer findet“, sagt Wolfgang Keller. Sein Unternehmen feiert 2021 das 60-jährige Bestehen, es gibt Standorte in Siegen, Kreuztal, Olpe, Hagen und Limburg, seit 1. Juli auch in Lüdenscheid. Der riesige Raum, in dem früher Douglas war, stand leer, seit die Parfümerie in ein anderes Ladenlokal weniger Meter weiter umgezogen ist. Er sei mit dem Center-Manager ins Gespräch gekommen, erzählt Wolfgang Keller, beide Seiten seien sich einig geworden. Eine Win-Win-Situation, so die Einschätzung des Geschäftsmanns. „Wir können uns präsentieren. Und die City-Galerie wird auch etwas davon haben.“
City-Galerie Siegen: Pop-up-Store von Toyota Keller soll Marke sichtbar machen
Die einfache Formel „Der Eine will einen leeren Laden vermieten, der Andere möchte einen Laden aufmachen“ greift hier in dieser Klarheit nicht. Das Konzept weicht von der klassischen Bespielung der Flächen in Shopping-Centern – oder in Fußgängerzonen allgemein – ab, weil es nicht um eine dort übliche Art des Einzelhandels geht. Zumindest nicht in einer Stadt der Größe Siegens: Die City-Galerie spricht gar von einem in dieser Form bundesweit einmaligen Projekt. Kaum jemand käme nämlich beim Stadtbummel spontan auf die Idee „Ich könnte mir ja gerade mal ein Auto kaufen“.
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Ums Verkaufen geht es letzten Endes natürlich trotzdem. Der Weg ist aber ein anderer. Als Unternehmer wolle er erreichen, „dass auch der Passant, der sich noch nie näher mit Toyota beschäftigt hat, aufmerksam wird“, erklärt Wolfgang Keller: Auf die Modellpalette, auf die Marke und ihre Attribute. Sichtbarkeit sei ein Ziel, und das nicht in klassischer Autohaus-Atmosphäre, sondern bewusst an einem Ort und in einer Aufmachung, die von einem Autohändler für gewöhnlich nicht erwartet werden.
Siegen: Pop-up-Store mit besonderem Look schließt Leerstand in der City-Galerie
Hier komme dann auch ein Vorteil für die City-Galerie ins Spiel, wie Wolfgang Keller erläutert. Der Pop- up-Store soll Event-Qualitäten haben, ein vom Vertrauten und Erwartbaren abweichendes Erlebnis bieten. Der große Raum behält die Rohbau-Optik, in der er des nächsten dauerhaften Mieters harrt: Industriehallen-Charme, nackte Steinböden und -wände, Beton, die Decke voller unverkleideter, silberfarbener Rohre und Leitungskanäle. Die Grundanmutung ist also eher brachial, wird aber durch ein eigens entwickeltes Lichtkonzept, sparsam eingesetztes Mobiliar und zwei jeweils vierteilige, großformatige Graffiti-Arbeiten des KünstlersJulian „Ewkone“ Arzdorf im vorderen Bereich aufgebrochen. Es könnte auch ein Club sein oder eine moderne Cocktail-Lounge, wenn die Autos nicht wären. Die kommen allerdings erst am Montagmorgen.
Plötzlich da
Toyota Keller arbeitet „eigentlich seit Anbeginn“ mit der City-Galerie zusammen, sagt Wolfgang Keller. Bisher wurden allerdings vor allem Autos auf den Gängen gezeigt, vor einigen Jahren hing auch mal eines unter der Decke.
Das Konzept für den Pop-up-Store wurde nicht zentral vom Hersteller vorgegeben, sondern von Keller entwickelt. Der Präsident von Toyota Deutschland hat deshalb auch seinen Besuch angekündigt, um sich vor Ort ein Bild zu machen.
Der Begriff „Pop-up-Store“ kommt vom englischen „to pop up“, also „plötzlich irgendwo auftauchen“. Es handelt sich um kurzfristig und für einen begrenzten Zeitraum erscheinende Geschäfte.
Eröffnung ist am Montag, 16. August, um 11 Uhr. Bis 19 Uhr ist täglich (außer sonntags) offen.
„Der Aufwand ist enorm“, räumt Wolfgang Keller ein. Dass das Ergebnis wie improvisiert aussieht, koste eine Menge Arbeit und Geld – damit es funktioniert, müssen alle Details genau passen. Es sei „ein Familien-Projekt“, sagt der Keller-Chef; Ehefrau Kordula packt an allen Ecken mit an, Tochter Helena-Sophie hat sich insbesondere bei der künstlerischen Gestaltung engagiert. Das gesamte Team, betont Wolfgang Keller, sei über den Prozess mitgenommen worden und „ist super neugierig“. Jeweils ein Verkaufsberater und ein Azubi werden für jeweils eine Woche im Laden stehen, dann wird gewechselt.
City-Galerie Siegen: Pop-up-Store soll Einkaufserlebnis um neue Aspekte erweitern
Die Gestaltung soll „neugierig machen auf die Fläche“, sagt Wolfgang Keller, vor allem die junge Generation solle die Marke „zwanglos kennenlernen können“. Alle Leute dürfen und sollen vorbeikommen – und könnten bei dieser Gelegenheit übrigens auch sehen, wie Kordula Keller anmerkt, wie die Läden der City-Galerie ausschauen, wenn gerade kein Mieter drin ist. „Wir wollen, dass die Menschen einfach reingehen, ohne dass sich gleich ein Verkäufer auf sie stürzt“, setzt Wolfgang Keller einem gängigen Autohändler-Klischee entgegen.
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Das Projekt könnte einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Innenstädte geben, die sich bekanntlich vor allem wegen der zunehmendem Relevanz des Online-Handels längst im Umbruch befinden. „Solche Konzepte können an Bedeutung gewinnen“, sagt Wolfgang Keller, auch Vorsitzender des Einzelhandelsausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen. Denn je mehr klassische Geschäfte aus den Ladenlokalen verschwinden, um so größer wird der Bedarf an alternativen Nutzungen, die die Innenstädte attraktiv halten.
Trend aus Metropolen ist in Siegen noch neu
Aus Metropolen seien Aktionen und Projekte im Stil des Toyota-Keller-Pop-up-Stores in der City-Galerie schon bekannt, sagt Prof. Hanna Schramm-Klein, Inhaberin des Lehrstuhls für Marketing an der Uni Siegen und Expertin für das Thema Handel. Siegen aber „hat als Stadt noch wenige solcher Eventkonzepte“. Diese seien „oft aus der Not geboren“, weil Einkaufszentren und Fußgängerzonen sich keine Leerstände leisten könnten, da mit deren steigender Zahl die Attraktivität des Einzelhandelsstandorts sinke. „Kunden müssen einen Grund haben, um in die Innenstadt zu gehen“, sagt die Wissenschaftlerin. „Die Innenstadt muss etwas Besonderes bieten – es muss Spaß machen, dort zu sein.“
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Pop-up-Stores auch von Branchen, die traditioneller Weise bisher nicht in den Fußgängerzonen ansässig waren, können eine Option sein. „Das kann man sich für fast alles vorstellen – bis hin zum Fertighaus“, sagt die Professorin. Dabei ergäben sich auch Möglichkeiten für dauerhafte Nutzungen – früher wäre zum Beispiel niemand auf die Idee gekommen, dass Telekommunikation und Versicherungen einmal in Ladenlokalen in der Innenstadt zu haben sein würden. Heute ist das ganz selbstverständlich.
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„Für eine kleinere Stadt wie Siegen ist das interessant“, sagt Hanna Schramm-Klein. Hier falle gerade das Eventartige ins Gewicht, dass Menschen sagen „das ist etwas Neues, das will ich sehen“. Angesichts der Veränderungen, die Stadtzentren derzeit durchlaufen, gelte sowieso: „Alles, was die Innenstadt aufwertet, ist gut.“
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