Siegen. Der 49-Jährige, der in Siegen wegen Beleidigungen und Angriffen auf seine Nachbarn vor Gericht stand, wird nun in eine Psychiatrie eingewiesen.

Unterbringung oder nicht, das war „die schwere Frage“, der sich die 1. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach stellen musste. Am 16. Juni hatte sich der Verteidiger dagegen ausgesprochen, dass sein Mandant N. (49) in die Psychiatrie eingewiesen werden sollte, wie vom Staatsanwalt beantragt. Das Gericht ist am Dienstag dem Anklagevertreter gefolgt.

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Trotzdem endet die Hauptverhandlung nach einem guten Vierteljahr mit einem Hoffnungsschimmer für den Beschuldigten. Der Mann hatte von Anfang bis Oktober 2020 wiederholt seine Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus bedroht, beleidigt und zum Teil verletzt. Einmal schüttete er Benzin in Richtung zweier Menschen, die ihn angeblich bedrohten und schlecht über ihn redeten. Ein anderes Mal wurde er von einem Nachbarn nach einem heftigen Streit mit dessen Frau zur Rede gestellt. Die Antwort war ein heftiger Kopfstoß ins Gesicht und eine gebrochene Nase beim Opfer.

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Genau dieser Vorfall ist es, der das Gericht davon überzeugt, dass es aktuell für den Beschuldigten keinen anderen Platz als die Unterbringung in der Psychiatrie geben kann. Seit Oktober sei N. in der LWL-Klinik vorläufig untergebracht und verhalte sich weitgehend normal. Er nehme seine Medikamente, lebe sehr zurückgezogen. Das alles beruhe aber nicht auf einer Einsicht in die Erkrankung, stellt die Vorsitzende besorgt fest. N. passe sich lediglich an, um seine Ruhe zu haben.

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Er sei bei allen angeklagten Straftaten in einem psychotischen Zustand gewesen, leide an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie. In strafrechtlicher Hinsicht müsse N. freigesprochen werden. Er habe in einer starken Abhängigkeit zur Mutter gelebt, die inzwischen im Pflegeheim sei. Andere Bezugspersonen gebe es nicht. Komme er tatsächlich in Freiheit, sei er hilflos, dem Leben nicht gewachsen.

Nachbarschaftsstreit in Siegen: Beschuldigter fühlte sich verfolgt und reagierte aggressiv

Er habe sich seit Jahren mit den Nachbarn im Streit befunden, sich beobachtet und verfolgt gefühlt. Die Kammer müsse davon ausgehen, dass er auch künftig mit anderen Menschen in Kontakt komme, „es wird immer Nachbarn geben“. Und an dieser Stelle seien ähnliche Situationen wie die angeklagten Fälle nicht auszuschließen.

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Es gebe ein deutliches Muster. Der Beschuldigte sei weitgehend umgänglich, solange die Dinge nach seinem Willen liefen. Hätten sich die Nachbarn zurückgenommen, sei es halbwegs gegangen. Bei einer Konfrontation aber könne es jederzeit wieder zu heftiger Gewalt kommen. Dabei stünden die Aussichten für N. trotz allem nicht so schlecht. „Wenn sie ihre Medikamente nehmen und daneben auch mitarbeiten, könnte die Unterbringung nach drei Jahren beendet werden“, betont Elfriede Dreisbach die Einschätzung des Sachverständigen.

Erkrankung seit 15 Jahren unbehandelt

„Drei Jahre sind eine lange Zeit“, antwortet der Beschuldigte. „Wir wissen, dass es hier um einen sehr schweren Eingriff geht“, gibt die Vorsitzende zurück. Das Gericht sehe aber auch, „wie lange sie schon unbehandelt krank waren. Gut 15 Jahre schon!“ Da seien drei Jahre in der Klinik eine im Vergleich sehr kurze Zeitspanne.

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