Siegen. Vor Gericht in Siegen zeichnen Bewährungshelfer kein positives Bild des Mannes, der wiederholt seinen Nachbarn teils massiv bedroht haben soll.

Die Betreuerin des Beschuldigten hat ausdrücklich darum gebeten, den Mann, der jahrelang vor allem mit einem Nachbarn gestritten und diesen mehrfach bedroht hat, möglichst rasch aus der geschlossenen Psychiatrie zu entlassen. Er wolle da raus, sei ihrer Ansicht nach im betreuten Wohnen besser aufgehoben. Unternommen hat sie dafür seit Jahresbeginn nichts. Dafür wird sie von Gericht und Sachverständigem in Siegen heftig angegangen.

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Die Betreuerin: „Am 19. Mai fällt hier der Hammer! Sie haben noch acht Tage“, verdeutlicht Nervenarzt Dr. Bernd Roggenwallner der überraschten Sozialarbeiterin. Sie hatte betont, bewusst nichts unternommen zu haben, „ich wollte erst das Verfahren abwarten“. „Dann wird der Beschuldigte wahrscheinlich untergebracht“, sagt Richterin Elfriede Dreisbach. Eine Aussetzung der Entscheidung zur Bewährung sei denkbar, falle der Kammer aber deutlich leichter, wenn es eine zivilrechtliche Alternative gebe, die dem Beschuldigten ebenfalls ein sicheres Umfeld bieten könne. Sie habe da etwas im Blick, werde sich in jedem Fall bemühen, versichert die Betreuerin eifrig – sie solle die behandelnden Ärzte in Lippstadt-Eickelborn ansprechen, ob das überhaupt aussichtsreich sei.

Siegen: Bewährungshelfer erlebten Angeklagten als ungeduldig und schwierig

Die Bewährungshelfer: Die Frau hat als einzige Zeugin ein eher positives Bild des 49-Jährigen – sie kennt ihn aber auch erst seit März. Zwei frühere Bewährungshelfer zeichnen einen desolaten Charakter, der laut einem früheren psychiatrischen Gutachten zumindest eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat. „Er hatte eine Vorstellung von seinen Fähigkeiten, die Arbeitgeber eine andere“, fasst es der pensionierte Bewährungshelfer Helmut Hippenstiel zusammen. Der Mann überschätze seine eigene Persönlichkeit und seine Fähigkeiten total, mache immer andere für seine Niederlagen verantwortlich, habe eine sehr niedrige Frustrationsgrenze.

Die Gespräche seien immer dann gut gelaufen, wenn es nach dem Willen des Beschuldigten gegangen sei. Hatte der erfahrene Bewährungshelfer eine andere Position, „stand er einfach auf und ging“. „Sie wollen mich doch nicht böse machen“, habe der Beschuldigte einmal zu ihm gesagt. Wobei Hippenstiel überzeugt ist, dass der Mann wusste, mit wem er so reden konnte. Seine Nachfolgerin Barbara Heyman, die den Siegener Anfang 2017 für zwei Jahre übernahm, berichtet Ähnliches. Die Atmosphäre war in Ordnung, solange es „nach seinem Willen ging. Sonst machte er zu!“

Siegen: Angeklagter soll kompliziertes Verhältnis zu seiner Mutter gehabt haben

Die Diakonie: Betreutes Wohnen war für begrenzte Zeit angedacht, das aggressive Auftreten des Mannes und seine spätere Unterbringung überforderten die Einrichtung aber bald, so eine Mitarbeiterin.

Vorgeschichte

Auf Bewährung war der Beschuldigte aufgrund einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung – auch damals gegen den gebeutelten Nachbarn. „Da ging es nicht um die üblichen Dinge, sondern um Würgen und konkrete Drohungen“, betont Helmut Hippenstiel. Auch eine Eisenstange sei im Spiel gewesen. Er habe damals schon an etwas Psychotisches gedacht, im Gutachten aber nichts dazu gefunden.

Die Mutter: Überfordert war der Beschuldigte mit seinem Leben. Fast alle Zeugen schildern ein sehr ungesundes Verhältnis zur Mutter. Als die krank in eine Einrichtung kam, sei er völlig hilflos gewesen, habe wochenlang nicht mehr das Haus verlassen. „Weil sie ihm gesagt hat, geh nicht raus“, sagen mehrere übereinstimmend. Davor habe er sie betreut, deshalb nicht arbeiten können – und wollen. Helmut Hippenstiel wurde vor Hausbesuchen gewarnt, wagte es dennoch und berichtet von Axt und Kettensägen, mit der sich der Beschuldigte selbstständig machen wollte. Ihm war immer mulmig beim Gedanken, was so ein Mensch noch damit anfangen könne. Immerhin hatte der Mann seine Mutter einmal nach einem Streit trotz aller Liebe geschlagen und zu Boden geworfen.

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