Siegen. Ein Nachbarschaftsstreit in Siegen artet in Beleidigungen, Gewalt- und Morddrohungen aus. Der Angeklagter führt vor Gericht krude Begründungen an.

Der Beschuldigte ist ein schwieriger Mensch. Das mussten auch seine Nachbarn in Siegen erleben. Einer vor allem geriet immer wieder mit ihm aneinander, wurde beschimpft, beleidigt, bedroht und sogar körperlich angegriffen. „Ich bin ein erwachsener Mann. Ich kann mich wehren“, versichert der Zeuge. Aber um seine Frau und seine Kinder habe er Angst. Die beiden kleinen Söhne fürchteten sich immer noch vor dem Beschuldigten, der seit Herbst 2020 in der vorläufigen Unterbringung ist. Am Dienstag dürfte er einiges getan haben, um seinen Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik bald auch offiziell zu verlängern.

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Der 49-Jährige wohnte mit seinem Opfer Tür an Tür. Im September 2020 trat er nach der Antragsschrift nach einem Streit die Tür des Nachbarn ein. Einen Monat später bedrohte er diesen, warnte, ihn und sein Auto anzuzünden – und goss kurz darauf tatsächlich Benzin in die Richtung des Kontrahenten, zündete es gar an. „Es hat nicht so gebrannt, wie ich dachte. Aber das ist sicher gut so. Sonst hätte ich ihm noch den Asphalt bezahlen können“, gibt der Beschuldigte den Sachverhalt praktisch zu und gesteht auch die anderen Vorwürfe. Zu denen noch eine Beleidigung der Kinder des Geschädigten gehört und die Drohung, diesem den Kopf abzuschneiden. Dabei hielt der Täter ein aufgeklapptes Taschenmesser in der Hand. „Ja, da hatte er mich wieder einmal auf die Palme gebracht“, sagt der fahrig aussehende Mann auf der Sünderbank: „Ich habe das gesagt. Ich hätte das aber nie gemacht. Ich bin doch kein Metzger.“

Siegen: Angeklagter fühlte sich vom späteren Opfer verfolgt

Alle Vorfälle seien im Prinzip so geschehen, beginnt der Beschuldigte, der jeden Halbsatz mit einem „und so weiter“ beendet, was die Aussage allein schon lang und schwierig macht. Er habe den Geschädigten vor Jahren im Sieveking-Haus erstmals getroffen, wo er nach einem früheren Krankenhausaufenthalt – er spricht von „Auslagerung“ – für die Müllentsorgung zuständig gewesen sei. Der Mann sei ihm „vor die Nase gesetzt“ worden, habe eine fiese Art gehabt, die ihn selbst dann zur Kündigung veranlasst habe. Danach sei ihm der Mann nach Siegen gefolgt und sogar ins gleiche Haus gezogen, ist der Beschuldigte überzeugt. Der Zeuge versichert später auf Nachfrage, 2014 dort eingezogen zu sein, seinen Kontrahenten aber nie zuvor gesehen oder gekannt zu haben.

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Der Zeuge habe ihn überall schlecht gemacht, sich in sein Leben eingemischt und sogar sein Vater werden wollen, behauptet der Beschuldigte. Richterin Elfriede Dreisbach will näheres wissen. „Er hat gesagt, wenn ich ihr Vater wäre…“, beginnt der Beschuldigte und wird sogleich unterbrochen: „Ach so, das sagt man doch nur so.“ Aber der 49-Jährige beharrt auf seiner Überzeugung und auch darauf, dass der andere Gerüchte über ihn verbreitet habe. Zu wem denn, möchte die Vorsitzende wissen. „Weiß ich nicht. Aber er ist so ein Typ, von dem ich das annehme“, kommt die Entgegnung und sorgt für Irritation.

Siegen: Angeklagter neigt zu ausländerfeindlichen Tiraden

Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, betont der Beschuldigte und hält aus diesem Grund auch seine ausländerfeindlichen Tiraden für gerechtfertigt. Er habe nie Probleme mit Ausländern gehabt, setzt er an, die ihm aber schon in der Ausbildungszeit – er sei ja nicht immer langzeitarbeitslos gewesen – das Leben schwer gemacht hätten. „Ich musste immer meine Zigaretten und mein Essen mit denen teilen“, trägt er vor. Das seien alles Schnorrer gewesen, im Gegensatz zu den deutschen Kollegen.

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Nach der Aussage des Zeugen bittet Verteidiger Alexander Reitmeier diesen um Aufmerksamkeit, weil sein Mandant etwas zu sagen habe. Was wie eine Entschuldigung und die Bitte um Verständnis beginnt, geht schnell in eine ähnliche Schimpftirade gegen einstige ausländische Arbeitskollegen über, wie bereits vorher. „Ihr Ausländer sprecht immer von Integration…“ geht es weiter, als Reitmeier seinen Probanden am Ärmel fasst und auch die Vorsitzende interveniert: „Ich glaube, das reicht jetzt.“ Der Zeuge schüttelt nur den Kopf: „Ich sage dazu lieber nichts!“

Angeklagter war in Siegen-Süd zu Fuß auf der Autobahn unterwegs

Bereits davor ist Richterin Dreisbach ungewohnt persönlich geworden. Weil der Beschuldigte seinen Ex-Nachbarn als „roter Faden in meinem Leben“ bezeichnet: „Nur er konnte mich immer wieder auf die Palme bringen.“ „Aber nicht, dass sie jetzt auch auf mich böse sind, weil ich Fragen stelle und mich in ihr Leben einmische“, sorgt sie sich.

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Nur mit Mühe hatten vier Polizisten den Beschuldigten nach längerer Fahndung am 5. Oktober auf der A 45 im Bereich der Anschlussstelle Siegen-Süd festnehmen können, dabei sogar noch einen Stau verursacht. Er sei da eine ihm seit langem bekannte Abkürzung gelaufen, erklärt der Beschuldigte den ungewöhnlichen Weg. Umbringen wollen habe er sich nicht. „Ein Fußgänger auf der Autobahn. Das ist doch unglaublich“, erregt sich Elfriede Dreisbach und macht auf die Gefährlichkeit der Situation aufmerksam. In seiner Jugend und in der Ausbildung habe auch niemand nach Gefährlichkeit gefragt, wehrt ihr Gegenüber gelassen ab. Was die Vorsitzende noch mehr in Wallung bringt: „Haben Sie denn gar nicht an die armen Autofahrer gedacht? Wenn die Sie nun überfahren hätten? Die vergessen so etwas doch nie wieder; und nur, weil da ein Idiot über die Autobahn rennt!“ Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.