Siegen/Kreuztal. Im Siegerland sind Hofläden in der Pandemie stärker gefragt denn je. Regionale Produkte und Bioqualität werden der Kundschaft immer wichtiger.
Hier das Ei, dort das Huhn. Auf Sichtweite. Der Weg vom Pferch zum Laden ist kurz. Und weil das Huhn jeden Tag ein Ei legt, ist frische Ware gesichert und kann direkt vermarktet werden. Das schätzt die Kundschaft. Nicht erst seit Corona, aber wegen Corona umso mehr. Hier wirkt die Pandemie einmal mehr als Verstärker eines Trends, den auch die Landwirtschaft in der Region beobachtet: Bio boomt, die Nachfrage nach regionalen Produkten steigt. Wir haben exemplarisch drei Höfe mit Verkaufsraum besucht; überall verzeichnen die Betreiber einen Zuwachs an Kundschaft und Umsatz – was beflügelt.
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Der Irlenhof
Der Irlenhof in Ferndorf ist mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von 78 Hektar und einer Vielzahl an Tieren einer der größeren Höfe im Siegerland. Und wächst weiter. Das aber „langsam und vernünftig“, wie Florian Stücher sagt. Er führt den Hof mit seinem Vater und seinem Bruder und legt Wert darauf, dass das Unternehmen auch bei einem Mehr an Angebot seiner Philosophie treu bleibt: „Was wir anbieten, kommt von uns.“ Das heißt freilich auch, dass es im Hofladen gelegentlich heißt: „Hähnchen aus“ oder „Eier aus“.
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Zukaufen möchten die Stüchers nicht, allerdings bauen sie aus für noch mehr Tiere. So sollen weitere 700 Hühner, 300 Hähne und 100 Puten am Kindelsberghang unterkommen. Ein neuer Stall wird Kapazitäten schaffen. Diese Erweiterung, so Florian Stücher, sei ohnehin geplant gewesen, doch die Umsatzsteigerung in den Corona-Monaten von etwa 30 Prozent habe den Neubau erheblich beschleunigt. Natürlich sei der Irlenhof in der Pandemie nicht nur eine Alternative zum Supermarkt, sondern tauge auch als Ausflugsziel. Während Freizeitparks und Zoos geschlossen waren, konnten Kinder auf dem Bauernhof Tiere anschauen, streicheln oder füttern. Fast nebenbei entdeckten die Familien dann auch den Hofladen mit seinen Produkten.
Der Hof Heckseifen
Dass natürlich beim Trend zum Kauf beim Direktvermarkter mit der Zeit auch wieder Kundinnen und Kunden abspringen werden, sehen die Bauern in der Region realistisch. Jede Krise bringe Menschen zum Nachdenken, zum Innehalten, zu veränderten Gewohnheiten, sagt Kurt Ohrndorf vom Hof Heckseifen bei Langenholdinghausen. „Doch das ist nicht immer von Dauer“, so der erfahrene Landwirt. Freitags und samstags öffnen Ehefrau Christine und Tochter Sonja ihren Bioland-Laden, wo es Produkte vom eigenen Hof gibt, aber auch zugekaufte Ware. Die Ohrndorfs konnten dank der Corona-Krise etliche neue Abnehmer gewinnen, der Umsatz ist gestiegen. Da geht es dem Bioladen auf dem Land kaum anders als dem in der Stadt.
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Gewachsen ist auch das Interesse an den Gemüsepflänzchen gleich vom Hof. Was von einem anderen Trend erzählt: dem zum eigenen Garten, zum eigenen Beet. Man komme dann schnell ins Gespräch, sagt Kurt Ohrndorf. „Wie pflanze ich das an? Wie baue ich ein Hochbeet?“ Das seien Fragen, auf die er und sein Team natürlich Antworten hätten. Landwirtschaft erleben, das ist (nicht nur, aber gerade für Familien) am Rande des Birlenbachtals möglich – „Kälbchen streicheln“ tut in Krisenzeiten nochmal so gut.
Hofladen Klein
Was 2018 mit einer Tiefkühltasche mit ein paar Schachteln Eiern begann, hat sich für Friedhelm Klein und Heike Kühn entwickelt. Die beiden betreiben am Ortsrand von Herzhausen im Nebenerwerb einen Hof mit Hühnern, Hähnchen, Gänsen, Mutterkühen und Rindern und lieben das, was sie tun. Längst ist aus dem Eier-Verkauf am Straßenrand und in der Garage ein Geschäftchen gewachsen, das nun noch um zwei, drei Meter erweitert wird. „Es soll ein kleiner Hofladen bleiben“, sagt Heike Kühn, die hier auf Direktvermarktung setzt, aber auch auf Feinkost, Eingewecktes oder Kunsthandwerkliches. Alles mit Bedacht aufgespürt und nach dem Prinzip Selbstbedienung verkauft.
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Das Fleisch stammt vom Hof, wird aber in Wunderthausen geschlachtet, zerlegt, verpackt und gefroren. „Dass sich die Leute beim Einkauf umstellen, beobachten wir schon länger“, so Friedhelm Klein. „Seit Corona merkt man das aber noch mehr.“ Fast verdoppelt habe sich die Kundschaft, auch deshalb hätten sie ihr Angebot „ein wenig vergrößert“. Vom Hofladen Klein sind es nur ein paar Schritte bis zum Hühnervolk. Das gackert und scharrt und gurrt, dass es eine Wucht ist. Wenn dann die Hühner zur guten Nacht auch noch summen, fühlen sich Klein-Kühns beschenkt. Ein gutes Stück Glück, das sie gern mit anderen teilen. Zuversichtlich!
Eine Übersicht über Direktvermarkter in Siegerland und Wittgenstein gibt’s unter
www.siegen-wittgenstein.info
INFO
– Direktvermarktung boomt. Das ist ein Trend, der landesweit zu verzeichnen ist. Weil die Kundschaft zunehmend wissen möchte, woher Fleisch, Gemüse und Co. kommen, und weil – zumal in einer Pandemie – die Kundenkontakte beim Verkauf ab Hof geringer sind.
– Auch aufseiten der Anbieter verändert sich der Zugang zur Direktvermarktung. So verzeichnet die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster „durch Corona“ eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach Seminaren oder Beratung, zum Beispiel zum Thema Lieferservice oder anderen Erweiterungen der eigenen Möglichkeiten. Zu beobachten sei auch, dass manche Betreiber ihre eigenen Nischen besetzten: mit dem Besonderen, dem Einzig- oder Andersartigen. Büffelsalami, Straußeneiernudeln oder Kürbisketchup sind Beispiele, die Pressereferentin Lea-Kathrin Piepel nennt. So hat sich „andersARTig“ zu einer eigenen Kampagne-Schiene der Kammer entwickelt.
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– Das Land Nordrhein-Westfalen hat im Zusammenhang der Direktvermarktung zwei Förderprogramme aufgesetzt: das Agrarinvestitionsprogramm, das auf die Vermarktung eigener Urprodukte zielt (etwa das Angebot von Eiern über einen Verkaufsautomaten), und die Diversifizierungsförderung, bei der es vorrangig um den Anschub eines neu aufzubauenden Geschäftsfeldes geht. Einstellen müssten sich Direktvermarkter nach Einschätzung des NRW-Landwirtschaftsministeriums auch auf saisonale Schwankungen durch Witterungseinflüsse, Urlaubs- und Reiseverkehr oder – in Zeiten der „Lockerungen“ – auch auf die Sehnsucht, endlich wieder essen zu gehen und eben nicht selbst zu kochen.
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