Siegen. Fahrlässige Körperverletzung wird weiterer Anklagepunkt. Ortsbürgermeister hatte sich bei Sturz in Todesangst leicht verletzt

Zuerst wird die Urteilsverkündung um „mindestens eine Viertelstunde“ verschoben, dann ganz abgesagt. Die Entscheidung über die Zukunft des jungen Mannes aus Netphen, der unter anderem im Juli 2020 den Ortsbürgermeister des Stadtteils Eckmannshausen massiv bedroht hatte, wird nun erst am Freitag in einer Woche verkündet – Weil bei der Beratung etwas aufgefallen war.

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Ortsbürgermeister von Eckmannshausen in Todesangst

Strafrecht ist nicht zuletzt eine hochkomplexe und sorgfältige Prozedur. Zu dieser gehört auch, zunächst falsch eingeordnete Sachverhalte neu zu bewerten, wenn sich entsprechende Hinweise ergeben. Ging die Anklageschrift davon aus, dass der Angeklagte den Ortsbürgermeister am 17. Juli des vergangenen Jahres nur mit einem Messer bedroht hatte, der Vorfall aber beendet war, als der Bedrohte ins Haus lief und die Tür geschlossen wurde, hat sich in der Hauptverhandlung etwas anderes ergeben: Der Mann lief aus seiner Warte in Todesangst ins Haus, stieß noch einen seiner Söhne vor sich hinein, stolperte und schlug lang in den Flur. Dabei zog er sich Blutergüsse an Knie und Fuß zu, das Knie war zudem geschwollen.

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Diese Tatsachen werden zu Beginn des Verhandlungstages noch einmal durch ein Attest des Zeugen bestätigt, das bislang nicht verlesen wurde. In der Folge gibt die Schwurgerichtsvorsitzende Elfriede Dreisbach den Hinweis, dass hier zur Bedrohung auch noch eine tateinheitliche fahrlässige Körperverletzung angeklagt und verurteilt werden könne. Sie sieht keine Notwendigkeit für eine Nachtragsanklage – Verteidiger Dr. Achim Lüdeke fragt dezidiert nach – will aber zugleich allen Beteiligten ausreichend Gelegenheit für eine Reaktion lassen und das Urteil verschieben.

Gericht sieht keinen Grund für Schmerzensgeld

Staatsanwalt Moritz Faßbender hat in der kommenden Woche Urlaub, passt seinen Schlussvortrag direkt an, beantragt die Verurteilung wegen Bedrohung und fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit, bleibt aber bei seiner Forderung von zwei Jahren und zehn Monaten nebst Unterbringung zwecks Suchtmittelentziehung.

Der Nebenklagevertreter unterstreicht die psychischen Auswirkungen der Drohungen auf seinen Mandanten und dessen Familie, die bei einer Urteilsfindung unbedingt nachhaltig zu beachten seien. Ihm wird vom Gericht umgekehrt signalisiert, dass die Kammer bislang keinen Grund sehe, dem Zeugen ein Schmerzensgeld zuzusprechen, „höchstens für das geschwollene Knie“.

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Verteidiger Daniel Nierenz regt an, eine mögliche Unterbringung des Mandanten zur Bewährung auszusetzen und ihm aufzugeben, sich in Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer eigenständig um eine Therapie zu bemühen, wie dieser ja auch beabsichtige. Sein Kollege Dr. Lüdecke behält sich eine Ergänzung des Plädoyers für den nächsten Termin vor. An dem dann auch der Angeklagte nach Wunsch noch einmal vor dem Urteil zu Wort kommen könnte. Dieser soll derweil schon einmal sicherstellen, „draußen“ eine Unterkunft zu finden, falls das Gericht ihn nach dem Urteil auf freien Fuß setzen würde.

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