Weidenau. Nach nur drei Monaten Normalbetrieb kam Corona, die Umsätze brachen ein: Das Team des Unverpackt-Ladens in Weidenau hofft jetzt auf Spenden.

Einkaufen ohne Verpackungsmüll und am besten regionale Nahrungsmittel – das geht in Siegen seit etwa anderthalb Jahren im Unverpackt-Laden. Im November 2019 eröffnete das Lebensmittelgeschäft am Rande des Weidenauer Einkaufszentrums – jetzt braucht der Betrieb dringend Geld. Die Corona-Krise hat den Geschäftsleuten schwer zugesetzt.

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Nudeln, Kaffee, Müsli und viele andere Dinge werden im Laden in großen Behältern aufbewahrt, Kunden können sie in der gewünschten Menge in eigene Gefäße abfüllen. Nachhaltigkeit rückt immer stärker ins öffentliche Bewusstsein. „Wir haben wirklich viel positives Feedback bekommen; unser Konzept wird als innovativ, wichtig und aktuell gelobt“, erzählt Geschäftsführerin Lena Hüttebräucker, die zusammen mit Tim Shirley den Unverpacktladen leitet. Sie bekamen den Unternehmerpreis, den pädagogischen Umweltpreis, den Nachhaltigkeitspreis.

Unverpackt einkaufen ist nicht unspontan, anstrengend oder planungsintensiv

Vielen ist das Unverpackt-Konzept anfangs fremd. Das wissen die Betreiber und haben vorgesorgt: Es gibt stets kostenloses, gereinigtes Altglas, Dosen oder Einmachgläser für Spontaneinkäufe. Die Behälter können Kunden einfach dem Laden spenden. Unverpackt einkaufen ist nicht unspontan, anstrengend oder planungsintensiv, betont Lena Hüttebräucker – auch einfacher soll der nachhaltige Einkauf sein, das gehört zum Konzept: „Bei so vielen Biosiegeln im normalen Supermarkt fällt eine Auswahl oft schwer.“ Ihr Anspruch an Produkte: Sie übernehmen den Rechercheaufwand, der mit nachhaltigem Einkaufen einhergeht, für Biosiegel etwa. „Wir bieten hier nur das an, was wir auch guten Gewissens verkaufen können – so verpackungsfrei wie möglich, wenn es geht aus regionaler Herkunft und natürlich bio-zertifiziert und nachhaltig.“ Man sei da ständig in einem Verbesserungsprozess: Sojabohnen kommen neuerdings zum Beispiel nicht mehr aus China, sondern aus Hessen.

Blumen und Gemüse für jedermann – in der Saatgut-Tauschbörse kann jeder nehmen, was er braucht.  
Blumen und Gemüse für jedermann – in der Saatgut-Tauschbörse kann jeder nehmen, was er braucht.   © Clara Wanning

Der Unverpackt-Laden ist als Genossenschaft mit inzwischen mehr als 220 Mitgliedern angemeldet, kooperiert mit vielen Partnern vor Ort und lässt Kunden auch gern mitgestalten. Die persönliche Note gefällt Lena Hüttebräucker besonders: „Wir haben hier vieles, von Reis über Schokolade bis ihn zu Seife oder sogar veganen Lippenstiften. Wir freuen uns wirklich über unsere Kunden. Es ist hier nicht so anonym und gerade die Stammkundschaft kennt man auch irgendwann. Das ist hier so eine moderne Art des Tante-Emma-Ladens“.

Die Krise kam, bevor Unverpackt am Markt in Siegen etabliert war

In der Pandemie haben die Umsätze deutlich gelitten. „Die ersten beiden Monate nach der Öffnung liefen wirklich sehr gut“, sagt Hüttebräucker, „aber mit Corona ist es dann eingebrochen. Dabei haben viele andere Unverpackt-Läden von der Pandemie profitiert, weil die Leute sich mehr Zeit zum Kochen in den eigenen vier Wänden genommen und dementsprechend auch ein bisschen mehr darauf geachtet haben, wo ihr Essen eigentlich herkommt.“ Im Unterschied zu ihnen hatten die meisten anderen Läden aber auch länger vor Corona Zeit, sich zu etablieren, so die Einschätzung der Geschäftsführerin.

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Corona erwischte sie zu früh, bevor das Prinzip einer breiten Stammkundschaft in Siegen bekannt gemacht werden konnte, vermutet Hüttebräucker, die neben ihrer Tätigkeit beim Unverpacktladen Plurale Ökonomik an der Universität Siegen studiert. Seit Sommer schon strauchelt der Laden finanziell, nun wird es wirklich eng: Ein großes finanzielles Kissen ließ sich in den knapp drei Monaten Normalbetrieb nicht ansparen. Trotz kleiner Subventionen und großzügigem Vermieter. „Wir haben einen hohen Personalaufwand wegen sehr aufwendigen Hygienekonzepten. Bei uns ist ja alles unverpackt, daher muss alles immer tiptop sauber sein und ständig gespült werden“, sagt die Geschäftsführerin. „Einige denken, ‘unverpackt’ sei weniger hygienisch, aber das stimmt nicht. Bei uns ist es so sauber wie in anderen Supermärkten auch, wenn nicht noch sauberer“.

Spendenaktion: Mit Unterstützung den Unverpackt-Laden absichern

Vom Businessplan für die ersten Jahre habe man schon jetzt die Hälfte geschafft. Von Anfang an war kalkuliert, dass erst nach einiger Zeit die Umsätze die Kosten tragen. „Aber mit so wenig, wie jetzt dabei herumkommt, haben wir natürlich nicht gerechnet.“ Und natürlich müsse man auch selbstkritisch sein, was man noch verbessern könnte.

Süßes oder Saures: im Unverpackt in Weidenau gibt es nicht nur Kaffee und Nudeln, sondern auch Schokolade und Gummibärchen – so viel man will. 
Süßes oder Saures: im Unverpackt in Weidenau gibt es nicht nur Kaffee und Nudeln, sondern auch Schokolade und Gummibärchen – so viel man will.  © Clara Wanning

Als letzte Option hat das Unverpackt-Team nun eine Spendenaktion gestartet: Bis zum 18. April müssen 50.000 Euro gesammelt werden, sonst droht Ende April die Insolvenz. Rund 17.000 Euro sind schon zusammengekommen. Es können auch Spendenzusagen gemacht werden, die der Unverpackt-Laden nur dann einsammelt, wenn die Summe erreicht wurde. Auf unverpackt-siegen.de können Unterstützer über ein einfaches Formular einen Spendenbeitrag eigener Wahl zusagen. Mit dem Geld wäre der Laden für dieses Jahr grundsätzlich abgesichert.

Unverpackt macht Pläne: Mit „Siegen isst bunt“, Foodsharing und Lozuka

Lena Hüttebräucker will die Chance nutzen, das Geschäft noch zu verbessern, neu zu strukturieren, mehr Dinge auszuprobieren. Wenn es wieder möglich ist sollen zum Beispiel Workshops zur Nachhaltigkeit angeboten werden: Herstellung eigener Kosmetik oder auch Kochen. „Wir hoffen, dass unsere Umsätze nach der Finanzierungskampagne wieder steigen“, sagt Hüttebräucker.

Für den Sommer stehen zusätzliche Angebote auf dem Plan, mit denen der Unverpackt-Laden hofft, neue Kundschaft zu gewinnen: Die Initiative „Siegen isst bunt“ bietet hier eine Saatgut-Tauschbörse an, außerdem ist ein Foodsharing-Verteiler geplant, bei dem abgelaufene, aber noch genießbare Lebensmittel kostenlos angeboten werden. Und auch mit dem regionalen Online-Kaufhaus Lozuka ist eine Kooperation geplant, das online bestellte Waren nach Hause liefert.

Nie wieder das Suppengrün vergessen: das Gemüsekisten-Abo macht's möglich.
Nie wieder das Suppengrün vergessen: das Gemüsekisten-Abo macht's möglich. © Clara Wanning

Viel Hoffnung setzt das Unverpackt-Team in das „Gemüsekisten-Abo“: Kunden können zwischen April und Oktober jeden Freitag frisches Gemüse vom Bauernhof Pfau in Derschen bekommen. Anmeldung und Fragen dazu per Mail an .

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