Siegen/Olpe. Die IHK Siegen fürchtet nach einem leichten Aufwärtstrend trotz Corona angesichts der Grenzschließungen nun um die Lieferketten der Industrie.

Zuletzt fassten zahlreiche heimische Industrieunternehmen wieder etwas besser Tritt. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen zeigten das die Jahresumsätze des verarbeitenden Gewerbes, die nicht ganz so schlecht wie zu Beginn der Pandemie befürchtet ausfielen. „Die derzeit praktizierten Beschränkungen des grenzüberschreitenden Gütertransports könnten jedoch die Lieferketten zahlreicher Firmen gefährden und damit zugleich auch die leichte Aufwärtsbewegung wieder ins Stocken bringen. Dies sollten die politisch Verantwortlichen bedenken“, sagt IHK-Präsident Felix G. Hensel.

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Wirtschaft in der Corona-Krise: Die Situation

Die Kammer hat eine erste Analyse der Umsätze von Industriebetrieben mit mehr als 50 Beschäftigten für das Jahr 2020 durchgeführt: Die Umsätze waren um 1,4 Milliarden Euro geringer als 2019. Die bereits im dritten Quartal 2020 einsetzende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Industrie habe sich bis zum Jahreswechsel fortgesetzt, wenn auch nicht in allen Branchen.

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Die Corona-Pandemie mache sich zwar ohne jeden Zweifel sehr deutlich bemerkbar, der Umsatzeinbruch sei allerdings nicht so drastisch gewesen wie im Krisenjahr 2009. Felix G. Hensel: „Unsere schlimmsten Befürchtungen im Frühjahr haben sich zum Glück nicht bestätigt.“

Die Lage im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Siegen

Der Industrieumsatz im IHK-Bezirk lag 2020 bei 13,8 Milliarden Euro – ein Rückgang gegenüber 2019 um 9,4 Prozent, stärker als der Landesdurchschnitt von 8,4 Prozent minus.

Der Inlandsumsatz verringerte sich um 6,6 Prozent (minus 554 Millionen Euro).

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Der Auslandsumsatz sank um 13 Prozent oder 886 Millionen.

Landesweit betrug der Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes 293,7 Milliarden Euro, auf die Industrie in Siegen-Wittgenstein und Olpe entfielen davon 4,7 Prozent. Auch in NRW ist der Auslandsumsatz (minus 10 Prozent) stärker eingebrochen als der Inlandsumsatz (minus 7).

Unterschiede zwischen den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe

Im IHK-Bezirk sind die Rückgänge unterschiedlich stark. In Siegen-Wittgenstein sank der Gesamtumsatz um 8,8 Prozent (minus 812 Millionen Euro), in Olpe waren es Einbußen von 10,3 Prozent (minus 627 Millionen). Laut Stephan Häger, Leiter des IHK-Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik, kämpften die Olper Unternehmen vor allem mit einem schlechteren Inlandsumsatz (356 Millionen Euro Rückgang), während in Siegen-Wittgenstein „nur“ ein Minus von 4,4 Prozent verzeichnet wurde.

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Der Auslandsumsatz in Olpe ging um 12,4 Prozent zurück (minus 271 Millionen Euro), in Siegen-Wittgenstein um 13,2 Prozent (615 Millionen).

Befürchtung der IHK Siegen: Geschlossene Grenzen schaden lokalen Unternehmen

Mit großer Sorge blickt die heimische Wirtschaft allerdings an die Grenzen zu Tschechien und Österreich: „Eine Rückkehr zur Politik der geschlossenen Grenzen würde den wirtschaftlichen Aufholprozess umkehren. Die politischen Entscheidungen der letzten Tage zeigen zugleich, wie labil sich die wirtschaftliche Lage der heimischen Industrie darstellt“, sagt Hensel. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Unsere Industrie lebt sehr stark vom Export. Jahrelang profitierte sie vom funktionierenden Welthandel.“

Branchenüberblick

Die Jahresergebnisse fallen äußerst unterschiedlich aus, auch Gummi- und Kunststoff- sowie Elektroindustrie erleiden Umsatzeinbußen.

1 Prozent plus verzeichnet der Maschinen- und Anlagenbau, entgegen des Landestrends, am Jahresende.

22,2 Prozent minus muss die Metallerzeugung (Gießereien, Rohrhersteller) hinnehmen.

12,2 Prozent minus bei den Herstellern von Metallerzeugnissen (Automobilzulieferbetriebe).

Im Frühjahr hätten Einschränkungen im Grenzverkehr, gestörte Lieferketten und nahezu flächendeckend lahmendes Exportgeschäft die Auslandsumsätze regelrecht einbrechen lassen. „Wiederholt sich das in den kommenden Wochen und Monaten, müssen wir uns warm anziehen.“ Bei den Exporterwartungen überwögen derzeit die positiven Meldungen noch. Dies mache Mut. Man hoffe sehr, dass dies so bleibe.

Der massive Einbruch der Auftragseingänge im zweiten und dritten Quartal betraf nahezu alle Industriebranchen und werde in den meisten Fällen wohl erst im laufenden Geschäftsjahr zu Buche schlagen. „Das Fahrwasser bleibt unruhig“, sagt Stefan Häger. Solange Corona allgegenwärtig bleibe, „müssen wir uns auf ein langes Auf und Ab einstellen.“ Lichtblick sei, dass die Tendenz der Auftragseingänge zuletzt wieder nach oben zeigt.

Corona-Pandemie hinterlässt Spuren auf dem Arbeitsmarkt in Siegen und Umgebung

Corona hinterlässt auch auf dem regionalen Arbeitsmarkt Spuren. In den Industrieunternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten waren zum Jahresende 54.276 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 1625 (2,9 Prozent) weniger als vor einem Jahr. Klaus Gräbener: „Die Corona-Krise stoppt einen zehn Jahre andauernden industriellen Beschäftigungsaufbau.“ Die Zeit der Beschäftigungsrekorde sei bis auf Weiteres vorbei.

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Kurzarbeit halte die Arbeitslosigkeit zwar nach wie vor niedrig, verdecke aber auch das wahre Ausmaß der Probleme – zumal die Einstellungsabsichten in der Industrie überaus zurückhaltend seien. „Mit Kurzarbeit kann man sicher kurzfristig der Beschäftigungsknappheit begegnen; mittel- und langfristig helfen den Firmen jedoch allein rentierliche Aufträge, offene Märkte und reibungslos funktionierende Lieferketten, damit es wieder aufwärts geht.“

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