Siegen. „Viele Neid und weinen um vertane Chancen“, sagt Jens Kamieth (CDU) über Oppositionskritik: Kooperationsvertrag für Siegen solides Arbeitspapier.
Der aus Sicht von CDU und SPD entscheidende Unterschied ihrer Kooperation zur „Koalition der Möglichkeiten“ der vergangenen Siegener Ratsperiode: Die Ziele seien konkret benannt, man könne sie nachhalten, kontrollieren, im Zweifel nachjustieren. Der Vertrag der Jamaika-Koalition der Jahre 2014 bis 2020 sei da eher vage gewesen.
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Es handle sich um eine Arbeitsgrundlage zum Abarbeiten, bekräftigen die Kooperationspartner, mit messbaren Zielen. „Ein ausgesprochen gutes Papier“, findet CDU-Stadtverbandsvorsitzender Jens Kamieth. Der Vertrag unter dem Titel „Gemeinsam nachhaltig handeln für Siegen“ sei entstanden in äußerst konstruktiver Arbeitsatmosphäre und im Willen, „etwas Gutes für Siegen zu erreichen.“ Dabei setze man deutliche Impulse, trage der derzeitigen Situation Rechnung (nicht nur Corona) und greife gute Arbeit der vergangenen Jahre auf. „Wir haben eine Situation vorgefunden, die sich sehen lassen kann“, sagt Kamieth. Man wolle keine Revolution betreiben, sondern mit einer bürgerlichen Mehrheit und ausgeprägtem Gestaltungswillen Siegen weiter nach vorne bringen.
Die Grundausrichtung: Siegener Kooperation will auch unabhängig agieren können
Man habe sich bewusst für eine „Kooperation“ entschieden, so SPD-Stadtverbandsvorsitzender Adhemar Molzberger: Beide Parteien wollte sich bestimmte Freiheiten offenhalten für Themen, in denen man nicht gleicher Meinung sei, dass man verschiedene Wege gehen könne, ohne dass die Zusammenarbeit zerbricht. Das war auch ein elementarer Aspekt der vorangegangenen „Koalition der Möglichkeiten“ aus CDU, Grünen und FDP – mit dem Unterschied, betont nun Schwarz-Rot, dass die eben deutlich weniger konkret gewesen sei.
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Eine verlässliche Mehrheit sei nur in dieser Konstellation möglich, so CDU-Fraktionschef Frank Weber, man wolle das Machbare machen statt Wolkenkuckucksheime zu fordern, sekundiert SPD-Amtskollege Detlef Rujanski. Man werde sich an den Taten messen lassen – und für diese Taten gebe die angespannte Haushaltssituation nun einmal den Rahmen vor, innerhalb dessen man für Stabilität und Planungssicherheit ruhig und besonnen agieren werde.
Bürgermeister Steffen Mues: In der Krise für Siegen nicht alles mögliche versprechen
„Man kann hier klar erkennen, in welche Richtung es auf wesentlichen Felder gehen soll“, sagt Bürgermeister Steffen Mues (CDU). In den vergangenen Jahren seien viele der nun weiterverfolgten Themen mit breiter politischer Zustimmung oder von anderen Mehrheiten getroffen worden. Für die Bevölkerung sei es wichtig zu erkennen, wo Kontinuität und wo Veränderung enthalten seien. Und man könne schon deswegen keine womöglich realitätsfernen Versprechungen abgeben, weil Siegen durch die Corona-Krise in eine dramatische Haushaltssituation geraten sei. „In so einer Lage wollen wir nicht alles mögliche versprechen.“
Das werde deutlich am Instrument des Prüfauftrages, so CDU-Fraktionsgeschäftsführer Henner Klaas: „Ohne plausible Prüfung kein Konzept und keine strategische Ausrichtung. Das ist unsere Vorgehensweise statt konzeptlose Forderungen zu stellen.“ So sollen etwa potenzielle Großprojekte wie eine vierte Gesamtschule für Siegen oder die Umsetzung des Siegbergtunnels zur Verkehrsentlastung vielbefahrener Routen genau voruntersucht werden.
CDU und SPD kontern die Kritik der Oppositionsparteien am Kooperationsvertrag
Viel ist über den Vertrag gesprochen worden, bevor CDU und SPD ihre Sicht auf das Papier hatten darlegen können. Die Ratsopposition aus Grünen, FDP, Linken und Volt hat den Kooperationsvertrag bereits kritisiert. „Da ist viel Neid und Weinen nach vertanen Chancen dabei“, so Kamieths Analyse – wer das Haar in der Suppe suche könne leicht sagen, dass zu diesem oder jenem Thema zu wenig im Papier stehe oder Ideen geklaut seien. „Das ist halt das Geschäft der Opposition.“ Man werde ja sehen, wie die anderen Parteien in den kommenden Jahren die Siegener Politik konstruktiv begleiten werde.
Vorhandenes aktivieren
Im Bereich Tourismus schlummere sehr viel, entsprechend sei das Potenzial – ohne große Kosten, so Henner Klaas: „Unsere tollen Wanderwege könnte man mit überschaubarem Aufwand in ein besseres Licht rücken“, das gelte auch für Radwege. Er nannte als Beispiele digitale Routenplaner für reizvolle Strecken im Rahmen einer „Fahrradoffensive“ etwa für die beliebten Flowtrails.
Man habe nach der Kommunalwahl Sondierungsgespräche mit allen demokratischen Parteien geführt, zuletzt mit den Grünen – und die hätten klar zu verstehen gegeben: Man verhandle prioritär mit der CDU und führe keine Parallelverhandlungen, so Adhemar Molzberger zum Vorwurf, die Sozialdemokraten hätten sich anderen Mehrheiten verschlossen. Die CDU sei nach dem Scheitern der Gesprächen mit den Grünen auf die SPD zugekommen. Man habe wichtige Punkte aus dem Wahlprogramm im Kooperationsvertrag untergebracht, Wohnraum, Verkehrsplanung oder Gewerbegebiete etwa.
Die Inhalte
Und wenn die Grünen jetzt mangelnde Digitalisierung beklagten – dazu gehöre auch die digitale Ratsarbeit, mit der sich große Mengen Papier und damit CO2 sparen lassen, so CDU-Mann Klaas: „Wer das verhindert, sind die Grünen.“
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Wie bereits berichtet sind wesentliche Punkte des CDU-SPD-Kooperationsvertrages, der alle kommunalen Politikfelder abdeckt, unter anderem die Prüfungen für vierte Gesamtschule in Siegen und den Siegbergtunnel, die Umsetzung des Gewerbegebiets Oberschelden/Seelbach mit Autobahnanschluss, der Umzug der Uni in die Stadt und die damit verbundene Verkehrssituation im Zentrum, Wohnungsbau auf Giers- und Wellersberg ergänzt um Sandhalde Niederschelden und Elih-Gelände Geisweid sowie den Haardter Berg, wenn dort Uni-Flächen umzugsbedingt frei werden. Mehr Straßen sollen kostengünstiger neue Deckschichten erhalten als sie teuer komplett zu sanieren, die Schulen samt OGS instandgesetzt werden.
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