Siegen. Raub, Bedrohung und dreimal Diebstahl: Ein Siegener sieht sich vor Gericht fünf Anklagen ausgesetzt. Das ist passiert.
Es sind fünf Anklagen, die dem 24-jährigen Siegener W. vorgelesen werden, aus der Zeit von Mai bis Oktober 2019.
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Dazu kommen zwei jüngeren Datums, die noch nicht verbunden sind. Sie werden schließlich auf Anregung von Amtsrichter Uwe Stark eingestellt. Auch sonst ist es ein milder Morgen am Dienstag, 14. Juli, im Siegener Schöffengericht. Weil der Angeklagte eine gewisse Vorarbeit geleistet hat.
Überfall auf Esso-Tankstelle an Siegener Effertsufer angekündigt
Zunächst einmal sieht die Sache aber durchaus ernst aus. Raub, Bedrohung und dreimal Diebstahl sind Gegenstand der Akten. Am 14. September 2019 war der junge Mann in die Tankstelle nicht weit vom Gerichtsgebäude am Effertsufer marschiert, hatte Zigaretten verlangt und zugleich betont, er habe kein Geld. Wenn er aber die Zigaretten nicht bekomme, werde er zu einem unbestimmten Zeitpunkt zurückkehren, mit Helm und Maske und sie abstechen.
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Immer aggressiver soll sich der Angeklagte verhalten haben, er trat nach Aktenlage gegen Sachen, drohte, eine Flasche durch den Laden zu werfen und kam zur Angestellten hinter den Tresen, die schließlich eine Gelegenheit nutzte, ins Büro zu flüchten. W. griff sich daraufhin zwei Päckchen Rauchzeug im Wert von 16 Euro und verschwand.
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Bereits am 16. Mai des gleichen Jahres drohte er einem Zeugen, diesen mit Pfeil und Bogen zu erschießen. Das sei sein Vater gewesen, sagt W. später, als dieser Vorwurf eingestellt wird und es darum geht, ob er mit der Einziehung der Gegenstände einverstanden ist. „Das war ein Indianerpfeil, den ich als Kind mal geschenkt bekommen habe“, sagt der Angeklagte mit leichter Wehmut.
Der Richter überlegt, ob der Pfeil allein wieder herausgegeben werden könnte. „Das passt schon“, wehrt W. ab. Eingestellt wird dieses Verfahren, weil es mit einem Strafbefehl von Mitte 2019 gesamtstrafenfähig würde und die Strafzumessung komplizieren würde.
Beute aus drei Diebstählen in Siegen: 48,84 Euro
Bleiben noch drei Diebstähle. Ein T-Shirt für 29,99 Euro, das sich W. in der Umkleidekabine direkt angezogen und nicht bezahlt hat. Eine Tube Haargel im Wert von 3,85 Euro, die er überwiegend im Geschäft direkt verbrauchte. Und eine Kappe für 15 Euro.
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„Das stimmt alles so“, nickt der junge Mann, der gleich von zwei Verteidigern vertreten wird. Durch diverse Eröffnungen vor verschiedenen Gerichten sind beide für unterschiedliche Anklagen bestellt worden. Amtsrichter Stark wollte „jetzt keinen raus schießen“ und erstreckt die Pflichtverteidigung beider auf das gesamte Verfahren.
„Das ist ein Privileg“, gibt er W. mit. Der hat aber auch so schon für sich entschieden, dass er nach gut zehn Jahren Drogensucht endlich einen neuen Weg beschreiten muss. Er hat eine Entgiftung im Krankenhaus hinter sich und ist seit Anfang April in einer Entzugsklinik. Die Maßnahme werde noch bis September dauern. Anschließend möchte er noch eine Adaption anhängen. Ein vorgelegter Zwischenbericht fällt positiv aus.
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Viel Erinnerung an den Tankstellenraub hat er nicht. Aber: „Ich hatte ein Aha-Erlebnis, als ich mit meiner Anwältin gesprochen habe“, sagt er. Er habe vom frühen Morgen an mit ein paar Leuten in der Stadt Wodka getrunken, sei ansonsten auch auf Drogen gewesen.
„Ich schäme mich für das, was ich da getan habe“, sagt W. mit leiser Stimme. Vor allem die Angestellte tue ihm leid, „das war sicher nicht schön für sie“. Anwältin Petra Heinrich hat den Mandanten im Oktober 2019 in der Weidenauer Psychiatrie erstmals getroffen, in Vertretung für einen Kollegen. „Er sprang da durch die Räume, völlig von der Rolle“, bestätigt sie den katastrophalen Zustand des W. der sich damals aus Suizidängsten selbst gemeldet hatte. Er habe mit ihr gesprochen, aber sie gar nicht wahrgenommen.
Siegener schämt sich in Grund und Boden
Umso mehr könne sie bestätigen, dass er sich geändert habe: „Er hat sich wirklich in Grund und Boden geschämt. Das nehm’ ich ihm auch ab!“ Die Zeugin muss nicht aussagen. Auf die informelle Frage des Gerichts, wie sie den Vorfall verkraftet habe, erklärt sie, eine Zeit lang nicht gern in die Stadt gegangen zu sein.
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Der Angeklagte entschuldigt sich nicht persönlich, sieht die junge Frau aber unsicher an, als wolle er gern und traue sich nicht. Seit März steht W. unter Betreuung. Im dazugehörigen Verfahren hat ihm Gutachter Dr. Jürgen Schulz eine schizophrene Psychose diagnostiziert, die auf den ständigen Drogenkonsum zurückführbar sei.
Danach ist für Staatsanwalt und Gericht eine eingeschränkte Schuldfähigkeit gegeben. Der Anklagevertreter fordert zehn Monate auf Bewährung. Anwältin Heinrich und ihr Kollege Björn Lange verweisen auf den Willen des Mandanten, sich zu ändern. Das Gericht folgt dem Antrag auf zehn Monate. Bei der Belehrung, er könne innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen, schüttelt W. den Kopf.
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