Siegen. Siegener Clubbetreiber berichten aus der Coronazeit. Einnahmen fehlen, wann der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann, ist ungewiss
Juli – Monat fünf unter Corona-Beschränkungen. Während die Pubs und Kneipen in der Alten Poststraße in Siegen wieder geöffnet haben, sieht es für die Club- und Konzertszene düster aus. Ihre Veranstaltungen können unter den geltenden Regeln nur schwer stattfinden. Was also bedeutet Corona für die Siegener Clubszene?
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Meyer: Verhandlung mit der Stadt Siegen über Mietminderung
Pablo Ruhr, Betreiber des Meyer am Siegener Bahnhof, hat seinen Club seit März geschlossen. Großveranstaltungen, bei denen die Hygieneregeln nicht einhaltbar sind, wurden vorerst bis Ende Oktober verboten. Inzwischen dürfen sich zwar bis zu 100 Leute unter Einhaltung bestimmter Maßnahmen wieder an einem Ort treffen - „aber die Hygieneregeln sind für uns nicht umsetzbar“, sagt Ruhr. Das Meyer könnte ohnehin gut fünf Mal so viele Gäste fassen. „Die staatlichen Hilfspakete haben über drei Monate hinweg geholfen, Verlust machen wir natürlich trotzdem. Das Geld war also definitiv eine Hilfe, aber eben keine Lösung“. Der Clubbesitzer verhandelt momentan mit seinem Vermieter, der Stadt Siegen, über eine Mietminderung.
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Insgesamt hat Corona das Meyer weniger schlimm getroffen als andere Betriebe: der Club konnte genug Rücklagen bilden, um auch jetzt noch einige Wochen und Monate durchzuhalten. „Von Spendenaktionen haben wir bewusst abgesehen“, so Ruhr, „Studenten haben eh wenig Geld, und viele haben ja auch ihren Nebenjob verloren“. Die Rücklagen und die lange Betriebspause weiß er zu nutzen: das Meyer wird gerade renoviert, ein Vorhaben, das schon länger ausstand, aber nun endlich umgesetzt werden kann. Unter anderem wird der Flur zwischen den Räumen verbreitert und die Decke etwas dichter gemacht – für den dafür nötigen Bagger musste sich Ruhr erst einmal gedulden, denn das Meyer scheint nicht der einzige Betrieb zu sein, der die Zeit nutzt, um seine Lokalität handwerklich aufzubessern.
Verstärker: Umzug in größere Location in Siegen
Ein paar Meter weiter im Verstärker wird es schon enger – wegen der größeren Fläche: Betreiber Izzet Kürekçi ist im Januar in die größere Location gezogen, 300 Leute fasst allein der Kneipenraum, der Konzertsaal daneben noch einmal doppelt so viele. Obwohl er als Gastronomiebetrieb öffnen dürfte, bleibt der Verstärker geschlossen: zu hoch wären die Kosten gemessen am zu erwartenden Umsatz. Die für drei Monate ausgelegte staatliche Corona-Soforthilfe war nach einem Monat aufgebraucht. „Es wäre besser gewesen, die Hilfe an den Betriebskosten festzumachen und nicht an der Anzahl der Mitarbeiter“, sagt Kürekçi, „Festangestellte zählen voll, 450-Euro-Jobber aber nur ein Drittel“. Im Verstärker arbeiten vor allem junge Menschen auf 450-Euro-Basis.
Plattform für Spenden
Für ihre Kampagnen nutzen viele Lokale, so auch der Verstärker und das Vortex, die Plattform Startnext. Dort können Unterstützer Geld spenden oder Merchandise erwerben.
Kürekçi musste auf Rücklagen zugreifen, die eigentlich für die Renovierung und eine leichte Sommerflaute gedacht waren, auch sie sind inzwischen aufgebraucht. „Für mich ist das eine Katastrophe. Beim alten Verstärker [in der Bahnhofstraße, d. Red.] wär’s nicht schlimm gewesen. Da hätte die staatliche Hilfe die Miete gedeckt“. Im Frühling sollte eigentlich die Renovierung des Konzertsaals fertig sein – nun fehlt das Budget aus Erspartem und Regulärbetrieb. Der Konzertsaal wird natürlich trotzdem fertigrenoviert – nun eben in der Low Budget-Version, bei der etwas an der Deko, nicht jedoch an der Technik, gespart wird. Im September möchte Kürekçi den Kneipenbetrieb unter Auflagen wieder aufnehmen – probeweise zumindest Freitags und Samstags sowie Montags zur Quiznight.
Vortex eröffnet Biergarten in Siegen
Siegens altbekannte Adresse für alternative Musik – der Vortex Surfer Musikclub – sieht sich mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Vor fünf Jahren hat Philipp Bade den Club übernommen. Die Konzerte und Partys von Metal bis Techno waren immer wieder ausverkauft – bis im März der Betrieb eingestellt werden musste. Weil das Vortex ein Musikclub und im Normalfall nicht bestuhlt ist, darf es im Gegensatz zu Restaurants oder Kneipen nicht öffnen. Stattdessen werden seit Mai immer wieder Livekonzerte und DJ-Sets auf YouTube und Twitch kostenlos gestreamt – wer möchte, kann spenden. „Wir rechnen nicht damit, dass der normale Clubbetrieb dieses Jahr noch aufgenommen werden kann“, sagt Pressesprecherin Pia Schwarzkopf.
Das Corona-Hilfspaket half dem Club für zwei, drei Monate. Dank Spendeneinnahmen kann sich das Vortex nun bis Ende des Jahres über Wasser halten, wenn es auch einen mittleren fünfstelligen Verlust hinnehmen muss. Für 2021 möchte das Vortex möglichst flexibel bleiben, um schnell auf neue Regelungen reagieren zu können. Für einige Konzerte ist bereits ein Ersatztermin gefunden worden, andere hängen noch in der Schwebe – vor allem tourende und internationale Bands sind ein Problem. Die Betreiber hoffen auf weitere staatliche Unterstützung: „Es kann nicht sein, dass Menschen zurückstecken müssen und am Ende nicht aufgefangen werden, für etwas, das sie nicht verschuldet haben“, so Schwarzkopf.
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Um den vielen treuen Besuchern trotzdem etwas zu bieten, eröffnet das Vortex einen kleinen Biergarten auf der Außenfläche. „Wir hoffen, dass sich der Biergarten etabliert und wir so unseren Mitarbeitern und Gästen wieder ein kleines Stück Normalität bieten können.“
Schellack: Krombacher halbiert Miete in Siegener Oberstadt
Das Schellack in der Oberstadt konnte den Betrieb wieder aufnehmen – allerdings nur mit 34 statt 80 Sitzplätzen drinnen und zusätzlichen 12 draußen sowie mit erheblichem Mehraufwand durch die regelmäßige Reinigung. „Wir desinfizieren alle paar Stunden alle Türgriffe, Klospülungen und Waschbecken. Zudem müssen nach jedem Gastwechsel Tische und Stühle gereinigt werden. Hinzu kommt die Kontaktdatenerfassung und das Tragen von Schutzmasken“, erklärt Inhaberin Stefanie Tump. Anfangs kamen Gäste eher zögerlich: „Es ist ein Prozess. Die Leute müssen Ängste abbauen und sich erst wieder ans Ausgehen gewöhnen“. Inzwischen werden sie zur Freude der Schellack-Angestellten – eine Festangestellte und vier Minijobber - etwas lockerer.
Auch das Schellack, das am 11. November diesen Jahres zehnjähriges Jubiläum hätte feiern können, hat von den Hilfspaketen profitiert: durch dieses konnten die Fixkosten bezahlt werden – aber nur, weil die Krombacher Brauerei die Miete des Schellacks halbiert hat. Rücklagen gibt es keine, Tump glaubt aber, das Schellack mit dem Minimalbetrieb finanzieren zu können: „Minus mache ich derzeit nicht, Gewinn aber auch nicht wirklich.“ Sie hofft, dass der Staat weitere Hilfspakete aufsetzt. Eine Spendenkampagne hat das Schellack noch nicht geplant, zieht sie aber in Betracht – abhängig von der weiteren Entwicklung. „Bleibt zu hoffen, dass im Herbst nicht die zweite Welle kommt. Das wäre eine Katastrophe.“
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