Siegen-Wittgenstein. Die Aktion „Siegen-Wittgenstein blüht auf“ hätte neuen Lebensraum für Insekten schaffen sollen. Es hängt an Routinen, Geld und Geschmacksfragen.

Insekten, sagt Dr. Heinz Meyer, Leiter des Amtes für Natur und Landschaft beim Kreis Siegen-Wittgenstein, sind das „Rückgrat eines gesunden Ökosystems“. Damit sie wieder mehr Lebensraum finden, hat der Umweltausschuss des Kreistags im vorigen Sommer ein Programm beschlossen. „Siegen-Wittgenstein blüht auf“, ist das Motto. Weit gekommen ist der Kreis damit noch nicht. Sie sei „ein bisschen enttäuscht“, stellte Umweltausschussvorsitzende Jutta Capito (CDU) jetzt fest.

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Das ist der Plan: An den Wegesrändern entstehen Blühstreifen, in denen sich Insekten ansiedeln. Voraussetzung dafür ist, dass weniger und später gemäht wird, vor allem aber, dass das Mahdgut entfernt wird. Denn wenn das einfach liegenbleibt oder gar zu Mulch zerhackt den Boden abdeckt, kann darunter kein Leben mehr entstehen. Weiterer Nachteil: Die Nährstoffe bleiben im Boden, der nach und nach überdüngt wird. Das ­„Mahdregime“, so berichtet Dr. Meyer, erweise sich indes als „kaum veränderbar“.

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Die Straßen in Siegen-Wittgenstein

Versucht wird das zwar auf vier insgesamt 3200 Quadratmeter großen Flächen in Wittgenstein, generell scheitere die Umstellung aber „leider auch aus Kostengründen“. Denn im Sinne des Insektenschutzes müssten die Mähkolonnen den Straßenrand zwei Mal abfahren: erst zum Mähen, und einige Tage später noch einmal, um das Mahdgut abzufahren. Gesprächspartner des Kreises ist vor allem der Landesbetrieb Straßenbau, der Straßenränder vor allem deshalb mäht, um seiner Verkehrssicherungspflicht zu genügen. Immerhin: Die erste Mahd wird möglichst weit in den Sommer hineingeschoben, damit die Blumen noch blühen können.

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Die Städte und Gemeinden in Siegen-Wittgenstein

Der Kreis selbst hat kaum geeignete eigene Flächen, auf denen er Blühstreifen anlegen könnte. Bleiben neben dem Landesbetrieb die Städte und Gemeinden. Die wiederum, berichtet Amtsleiter Dr. Meyer, hätten mit „signifikanten Akzeptanzproblemen“ zu kämpfen. Denn zum einen ärgern sich Bürger über „ungepflegte“ Flächen, zum anderen missfällt ihnen, was da blüht. Zum Beispiel der „ganz normale Spitzwegerich, der eigentlich nach nichts aussieht“, wie Dr. Meyer einräumt, „aber die meisten großen bunten Blumen bringen überhaupt nichts“.

Entfichtung

Ersatzgelder, die der Kreis erhebt, wenn Bauherren Eingriffe in Natur und Landschaft nicht direkt ausgleichen können, werden oft verwendet, um Flächen zu „entfichten“.

Das sei „derzeit nicht so optimal umsetzbar“, sagt Amtsleiter Dr. Heinz Meyer. Denn der Holzmarkt ist nach Dürresommern und Borkenkäferbefall überfüllt. „Wir möchten nicht noch mehr Probleme aufkommen lassen.“

Das Ergebnis: „Einige Kommunen fühlen sich bedrängt“, berichtet Dr. Heinz Meyer. Um im Sinne des Insektenschutzes zu argumentieren, bedürfe es guter Argumente. „Da merkt man, wenn einzelne Kommunen fachlich etwas besser aufgestellt sind.“ Um andere zu unterstützen, die sich keine Umweltberater oder gar eigene Umweltämter leisten können, will der Kreis jährlich einen „grünen Tisch“ für die Städte und Gemeinden anbieten.

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Lösungen

Eine Tonne „Regiosaatgut“ hat der Kreis auf Lager, für einen Hektar Blühwiese reichen 25 Kilo. Die 20.000 Euro für Saatgut, das der Kreis zur Verfügung stellen kann, „werden wir nie ausgeben“, stellt Amtsleiter Dr. Heinz Meyer fest. Eine Alternative wäre, das Geld auch für die Entsorgung des Mahdgutes einzusetzen. „Am günstigsten wäre es, das zu kompostieren.“ Anlagen, dabei sogar Biogas zu gewinnen, gibt es im Kreisgebiet allerdings nicht.

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Auf den Feldern gibt es längst überwachsene Wegraine, die den Kommunen gehören. „Man könnte den einen oder anderen mit etwas Leben füllen“, überlegt Dr. Meyer.

Karl-Heinrich Sonneborn (SPD) rät zur Mischung, um die Akzeptanz zu fördern. „Kann man nicht das Saatgut verwenden und trotzdem was fürs Auge machen?“

Michael Gertz von der Naturschutzbehörde bringt den Waldrand ins Spiel: Derzeit gebe es „dramatische Schäden“ gerade in den Fichtenbeständen: „Das bietet ziemlich viele Chancen.“ Wolfgang Braukmann (SPD) nennt beispielhaft den kahl geschlagenen Hang zwischen Allenbach und Grund. In einer Tiefe von 10 bis 15 Metern könnte ein stufiger Waldrand aufgebaut werden, der Lebensraum auch für Insekten bietet.

Erhard Braas (UWG) erwähnt die Siegwiesen zwischen Dreis-Tiefenbach und Netphen. Dort könne man „Wiesen ansäen“, statt Gülle auszubringen – wohl auch im Sinne des Grundwasserwerks. Der Wasserverband habe mit der Stickstoffbelastung kein Problem, stellt Amtsleiter Dr. Heinz Meyer klar. Natürlich sei die Naturschutzbehörde „händeringend daran interessiert, die Düngung gegen Null zu fahren. Rechtlich können wir das aber nicht durchsetzen.“ Zumal Landwirte auch auf die Nutzung der immer kleiner werdenden Flächen angewiesen seien, die sie überhaupt bewirtschaften können.

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