Kreuztal. Ein neues Zuhause für Insekten: Stadt beginnt mit 4000 Quadratmetern auf sechs eigenen Grundstücken. Umweltberaterin stellt Konzept vor.
In Kreuztal sollen wilde Blumen blühen. Beim Bauernmarkt hat Antje Hoffmann, Umweltberaterin der Stadt, gemeinsam mit Krombacher Kindergartenkindern und dem Imkerverein um die 500 Samenpäckchen unter die Leute gebracht. „Die sind gern genommen worden.“
Womöglich würden nun aber auch ein paar Schilder gebraucht: für den Hinweis, dass die neuen Wildblumenwiesen nur noch zwei Mal im Jahr gemäht werden. Mit ihrer Ahnung dürfte sie richtig liegen. Im Infrastrukturausschuss, wo sie das Konzept für ein insektenfreundliches Kreuztal vorstellte, gab Vorsitzender Andreas Müller (SPD) die erwartete Rückmeldung: Schön sähen die verblühten Wiesen dann nicht mehr aus. Eher wie ein Vorwand, die vertrockneten Gräser nicht zu entfernen und die Anlage nicht zu pflegen. „Aber da leben Insekten“, wandte Markus Fuhrmann (BUND) ein. „Ich habe da so meine Bedenken.“
Blumen statt Gras
Das sind die Standorte der Wildblumenflächen: Marburger Straße gegenüber Rewe, Kirchwiese Zum Erbstollen oberhalb des Busbahbahnhofs (Böschung und Grünfläche), Kreisel Kredenbach, ehemaliger Spielplatz Goldregenweg/Blauregenweg Ferndorf, Ahornweg/Zum Burberg Littfeld.
Sechs Grundstücke mit insgesamt 4000 Quadratmetern hat Antje Hoffmann fürs Erste ausgesucht. Die in der Innenstadt bekommen einjährige Pflanzen, „damit es auch jedes Jahr blüht“. Die Samenmischungen mit mehrjährigen Blühern sind für die abgelegeneren Flächen in weniger zentralen Bereichen gedacht. Weil es da eben nicht immer schön aussieht. Aber auch zum Schutz. Denn aus dem Austausch mit anderen Städten hat die Kreuztaler Umweltberaterin gelernt, dass auf Märkten „plötzlich Wildblumensträuße zu horrenden Preisen“ feilgeboten werden – unmittelbar nachdem die Wiesen „über Nacht radikal abgeerntet“ wurden.
8000 Euro stehen 2019 im städtischen Etat für das insektenfreundliche Kreuztal bereit. Neben der Umwandlung der Grünflächen gehören dazu die Zusammenarbeit mit den Pächtern städtischer landwirtschaftlicher Grundstücke, die vertraglich zur Bewirtschaftung im Sinne des Insektenschutzes angehalten werden sollen, außerdem die Öffentlichkeitsarbeit und die Schaffung von Nisthilfen.
Kaum Entlastung für Bauhof
„Da werden noch dicke Bretter gebohrt werden müssen“, sagte Jochen Schreiber (SPD), dessen Fraktion die Initiative für eine insektenfreundliche Stadt auf die Tagesordnung gebracht hatte. Schreiber regte an, auch Schulen und Kitas in die Kampagne einzubeziehen: „Wenn Kinder beteiligt sind, werden auch die Eltern angesprochen.“ Dieter Gebauer (Grüne) wusste aber auch, dass blühenden Landschaften Grenzen gesetzt sind: Als ein Grundstücksbesitzer in Junkernhees seine Schafweide einsäen wollte, habe der „enorme Probleme mit der Bezirksregierung bekommen“ — da griff dann das Grünland-Umbruchverbot. Antje Hoffmann hatte ein anderes Beispiel: Friedhöfe habe sie nicht in ihre Auswahl aufgenommen. „Wir haben da zwar wunderschöne Flächen — aber da wäre der Ärger vorprogrammiert.“ Einfacher sei das doch im Schulzentrum, meinte Harald Görnig (CDU): Im grünen Bildungs- und Freitzeitcampus „könnte das doch schon rollen.“
Die Frage, ob die Wildblumenwiesen den Bauhof entlasten, weil der dann weniger mähen muss, beantworte Arne Siebel (CDU): Vielleicht habe der nun sogar mehr Arbeit — weil die Mitarbeiter tiefer in die Wiesen greifen müssten, um weggeworfene Kaffeebecher und Fast-Food-Verpackungen herauszuklauben.