Siegen-Wittgenstein. Es ist weiterhin zu trocken für die Siegen-Wittgensteiner Wälder – und der Borkenkäfer lauert schon. Langsam wird es eng für die Waldbesitzer.

Es ist schlecht bestellt um den heimischen Wald. Zwei im Wortsinne Durststrecken hat er mit den Jahren 2018 und 2019 hinter sich – und wenig deutet darauf hin, dass 2020 besser wird. Die Niederschläge reichen nicht, Abermillionen Borkenkäfer warten nur darauf, auszuschwärmen. Die Förster blicken mit Sorge in die Zukunft.

Wasser: Der Waldboden in Siegen-Wittgenstein ist knochentrocken

Unterhalb von 70 bis 80 Zentimetern Tiefe sei der Waldboden knochentrocken, sagt Diethard Altrogge, Leiter des Regionalforstamts Siegen-Wittgenstein. Die durchaus kräftigen Niederschläge der vergangenen Wochen würden „bei weitem“ nicht ausreichen. „Das sind keine guten Voraussetzungen für Waldwachstum.“

Schädlinge: 2019 erwischt der Borkenkäfer Siegen-Wittgenstein

Schon 2018 wurden die Borkenkäfer-Grenzwerte überschritten, so Forstdienst-Assessor Jan Zimmermann, 2019 stiegen die Zahlen nochmal extrem. In Sachen Trockenheit könne man für Siegen-Wittgenstein bestenfalls von einer „ungewöhnlichen Dürre“ sprechen, vor allem das Südsiegerland und Wittgenstein seien von großflächigem Fichtensterben betroffen.

Man werde alles daransetzen, so viel Holz wie möglich aus dem Wald zu schaffen, auf ein nasses, kühles Jahr hoffen und versuchen, klimastabile Mischwälder aufzuforsten; mit verschiedenen Baumarten, die mit unterschiedlichen klimatischen Entwicklungen umgehen können. Das Regionalforstamt berät die Waldbesitzer bei der Wiederaufforstung anhand der je individuellen Standortfaktoren.

Schadholz lagert in Siegen-Wittgenstein zu lange im Wald

„Die Kalamitätsmengen in NRW liegen deutlich über denen von Kyrill“, sagt Forstdirektor Manfred Gertz; vor allem in niedrigeren Lagen mit hohem Fichtenanteil. Aber nicht mehr nur: „2018 sind wir glimpflich davongekommen, 2019 hat es uns eingeholt.“ Großes Problem: Das Holz könne nicht umfassend aufgearbeitet werden und bleibe in den Wäldern liegen – das geht zu Lasten der Holzqualität. Denn weil ein Pilz in die Stämme eindringe, der bestimmte Stoffe aus dem Holz zieht und es schneller zersetzt, kommt es zur sogenannten Bläueverfärbung der äußeren Ringe.

In der Folge sinkt die Verwendungsqualität und damit der Preis. Mit durchschnittlich 30 Euro je Festmeter sei die Talsohle wohl erreicht, aber einen Finanzpuffer, der es Waldbesitzern ermöglicht, anschließende Arbeiten, Aufarbeitung, Wiederbewaldung, Wegeinstandsetzung zu bezahlen, gebe das nicht her. „Das geht an die finanzielle Substanz – bis zur Insolvenz“, sagt Gertz. Der Anteil des Nadelholzes mit dieser Güteklasse D sei von normalerweise 15 auf mehr als 60 Prozent, in Spitzen bis zu 90 Prozent angestiegen.

Das gesamte Schadholz aus Siegen-Wittgenstein ist verkauft

Bläueverfärbung an einer Baumscheibe: Die Holzqualität sinkt.
Bläueverfärbung an einer Baumscheibe: Die Holzqualität sinkt. © Unbekannt | Regionalforstamt

Nichtsdestotrotz habe man es geschafft, das gesamte Schadholz – mit Abwertung – zu verkaufen. „Das ist nicht selbstverständlich“, sagt Diethard Altrogge. Wie sich die Marktsituation entwickelt, ist ungewiss. Das Trockenlager Schameder als Puffer ist zum Bersten gefüllt, viel sei Richtung China exportiert worden – angesichts der aktuellen Lage mit dem Coronavirus für die Zukunft fraglich. Zum Glück herrsche gerade in Süddeutschland und Österreich eine gewisse Holzknappheit, so Gertz. „Wir wissen aber nicht, was an Stürmen auf uns zukommt“, sagt der Forstdirektor; die Bestände seien alle angerissen und diese „Randbestockung“ besonders windanfällig.

Die um den Forstbezirk Siegen-Wittgenstein herum liegenden großen Sägewerke, die von hier aus beliefert werden, seien in großer Sorge um die künftige Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz. In der Holzindustrie mit tausenden Arbeitsplätzen um das Kreisgebiet herum fürchte man massiven Arbeitsplatzabbau.

Die Rehwildpopulation in Siegen-Wittgenstein ist zu hoch

Das Problem am Bergmischwald ist: Die seltenen Pflanzen schmecken Rehen besonders gut. „Rehwild frisst am liebsten, was selten ist“, erklärt Manfred Gertz; das stabilisiert bestimmte Bakterien in der Darmflora der Tiere. „Die Wildbestände sind so hoch, dass wir die gewünschten Baumarten meist nicht ohne Schutz hochbringen können“, sagt der Forstdirektor. Problematisch: Das Land NRW hält nachdrücklich daran fest, beispielsweise Schutzzäune nicht zu fördern, es bleibt also an den ohnehin gebeutelten Waldbesitzern hängen.

Einzige Möglichkeit: Den Wildbestand herunterregulieren, insbesondere dort, wo neuer Wald entstehen soll. Nachdrücklich empfiehlt das Regionalforstamt naturnahe Jagdstrategien, die zusammen mit der Jägerschaft umgesetzt werden sollen. Das müssen nicht zwangsläufig hohe Abschusszahlen sein – wo auf einem Hektar Fläche 100 Buchen wachsen, können ruhig 60 Schösslinge abgeknabbert werden, sagt Gertz. „Wir müssen nur so viel Wild erlegen, dass der Wald gesund hochkommen kann.“


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