Siegen. Matthias Tuschhoff aus Siegen, Sprecher des VGWS-Fahrgastbeirats, hält einen eigenwirtschaftlichen Betrieb des Busverkehrs für schwierig.

Vor 125 Jahren, da war das Siegerland Vorreiter, als der erste Motoromnibus der Welt auf den Straßen unterwegs war. Heute sieht die Sache anders aus. „Die Leute wollen ÖPNV nutzen“, ist Matthias Tuschhoff, Sprecher des Fahrgastbeirats der Verkehrsgemeinschaft Westfalen-Süd (VGWS), überzeugt. „Aber es muss ein attraktives Angebot sein.“ Busse spielen dabei eine entscheidende Rolle. Und der politische Wille, den Rahmen für ein wirklich attraktives Angebot zu schaffen.

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Situation

„Der Bus ist hier das zentrale Mittel des Nahverkehrs“, sagt Matthias Tuschhoff. Das liegt vor allem an der Topografie, die der Bahn Grenzen setzt. „Der Bus ist sehr flexibel, weil er das Straßennetz nutzt und nicht auf Schienen angewiesen ist.“ Dank dieses Vorteils lässt sich zwar jede Ansiedlung erreichen, doch das allein mache noch keinen attraktiven ÖPNV aus, wie der 60-Jährige erläutert – weil ein solcher maßgeblich über enge Taktung und Pünktlichkeit definiert sei. „Im Siegerland haben wir eine besondere Gemengelage: Wir sind eine der wenigen Regionen in Deutschland, in denen der Busverkehr eigenwirtschaftlich arbeiten soll“, sagt Matthias Tuschhoff. Dabei sei die entscheidende – und problematische – Frage: „Kann der Unternehmer das decken?“

Matthias Tuschhoff aus Siegen ist Sprecher des VGWS-Fahrgastbeirats und Mitglied im VCD Siegen-Wittgenstein und Olpe.
Matthias Tuschhoff aus Siegen ist Sprecher des VGWS-Fahrgastbeirats und Mitglied im VCD Siegen-Wittgenstein und Olpe. © Florian Adam

Probleme

„Man darf nicht schlechtreden, was hier passiert“, betont der Beiratssprecher. Der Nahverkehrsplan, mit dem die Politik festlegt, was der ÖPNV leisten soll, sei „in seiner Konzeption eigentlich ganz gut“. Dass Busse etwa bis 20 Uhr fahren, sei „erstmal eine tolle Sache“. Für ein Privatunternehmen geht es aber um Lukrativität. Während aus Kundensicht mindestens ein Viertelstundentakt wünschenswert wäre, ist in der Realität maximal der Halbstundentakt üblich, „vom Wochenende ganz zu schweigen“. Matthias Tuschhoff: „Man müsste der Politik deutlich machen, dass das Konzept vom eigenwirtschaftlichen Betrieb nicht funktioniert.“

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Zusammenhänge

„Das Auto bietet natürlich eine unschlagbare Bequemlichkeit“, räumt der Fahrgastvertreter ein. Im Sinne einer Verkehrswende sei zunächst erforderlich, Menschen von dieser komfortablen und äußerst flexiblen Form der Fortbewegung wegzubekommen. „Eine ganz schwierige Stelle“, sagt Matthias Tuschhoff. „Wie gewinne ich neue Fahrgäste, wie überwinde ich diese erste Barriere?“ Umsteigewillige, die bei den ersten Versuchen möglicherweise Erfahrungen mit zu selten fahrenden, überfüllten oder unpünktlichen Bussen machen, werden diese Option wohl kaum als echte Alternative wahrnehmen. Hinzukommt „ein sehr interessanter Aspekt: Man will die Verkehrswende. Aber wenn nur ein kleiner Teil der Autofahrer auf Busse umsteigen würde, wären die proppenvoll“, merkt der 60-Jährige an. „Man müsste erst die Kapazitäten ausweiten. Entscheidend ist, ein ausreichendes Platzangebot zu liefern.“ Was unterm Strich bedeutet: „Gerade im Siegerland müsste man Geld ins System pumpen.“

Die Bus-Serie

Rückblick

Das Busjubiläum sei „natürlich ein Ansatz, um den Blick zurückzuwenden. Ich bin auch Ingenieur und weiß: Es war eine enorme technische Leistung, dieses Ding auf die Straße gebracht zu haben.“ Auch wenn die Linie zunächst wieder eingestellt wurde, sei es mit Blick auf den Start „interessant, dass es gerade hier passiert ist“; in der Zeit, „als Technik sichtbar wurde“. In den 1960er Jahren sei dann allerdings – mit dem endgültigen Siegeszug des Autos – eine „Schrumpfmentalität“ aufgekommen. In den 70ern ging der ÖPNV zurück, in den 80ern herrschten „Bedenken für einen Wiederausbau“. Bei der Bahn, so Matthias Tuschhoff, gebe es mittlerweile Beispiele für einen gegenläufigen Trend, etwa die Reaktivierung stillgelegter Strecken. Es gebe für die ÖPNV-Thematik aber noch einen weiteren Punkt, der historisch begründet sei und erkläre, warum manche Menschen bereits beim Gedanken an den Weg zur nächsten Haltestelle zaudern: „Die Idee, Fußwege unbedingt zu vermeiden, zieht sich durch die Technikgeschichte.“

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Grundsatzfragen

Es geht um Geld. Aber „es ist in meinen Augen auch eine Mentalitätsfrage“, sagt Matthias Tuschhoff. Es gehe um die Einstellung der Gesellschaft, um politische Entscheidungen, damit dann auch um die Frage „wie steuere ich Geldströme?“ – und um ganz pragmatische Ansätze vor Ort, beispielsweise die Einrichtung von Busspuren auf den Hauptstraßen in Siegen. Die Idee wird in der Diskussion zwar schon seit Längerem immer wieder mal geäußert, fand bisher aber keine Mehrheiten. „Der Bus könnte dann, beispielsweise in der Sandstraße, einfach durchfahren“, erklärt Matthias Tuschhoff den ÖPNV-Nutzen eines solchen Arrangements. Dies beschleunige nicht nur die Fahrten, es würde auch, gerade zu Stoßzeiten, die Pünktlichkeit erhöhen – und gebe damit mehr Grund zu der „Hoffnung, dass mehr Autofahrer auf Busse umsteigen“. Doch die gesamte Thematik sei „ein dickes Brett, das zu bohren ist“.

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