Siegerland. Generationen rumpelten durch Hohlwege zwischen Siegen und Netphen, blieben stecken, kippten um. Der erste Motoromnibus der Welt änderte das..
Eigentlich war er eine Notlösung. Bevor die Aktionäre der Netphener Omnibusgesellschaft 12.000 Mark zusammenlegten und bei Carl Benz in Mannheim zwei Motorwagen kauften, die wie Landauer ohne Pferde aussahen, haben Generationen gelitten.
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Die Kutsche: Industriearbeiter mussten aus Netphen nach Weidenau
Die ersten Berichte über Postkutschen, die durch die Hohlwege rumpelten, hier und da umkippten und an den Steigungen stecken blieben, stammen aus dem 18. Jahrhundert. Erst mit dem preußischen Chausseebau wurde die Reise von Dillenburg nach Siegen auf fünf bis sechs Stunden verkürzt – von 1774 ist der Bericht über eine Fahrt überliefert, die an einem Samstagnachmittag um 15 Uhr in Dillenburg begann und am Sonntag um 17 Uhr ihr Ziel in Siegen erreicht. Mit Hilfe von vier Ochsen aus Wilnsdorf, die den steckengebliebenen Karren wieder auf die Spur brachten, und auf dem Rödgen mit Verstärkung von Pferden aus Siegen.
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Im 19. Jahrhundert war das für die Industriearbeiter, die aus dem Netpherland in die Fabriken in Weidenau, Siegen und Geisweid gelangen mussten, keine Alternative. Man setzte, über Jahrzehnte, auf die Bahn. In den 1850ern Jahren gab es die Idee, eine Strecke von Köln über Olpe nach Siegen und von dort über Netphen und Deuz ins Lahntal zu führen. Erst ein paar Jahrzehnte später wurde die Rothaarbahn verwirklicht, die das Johannland rechts liegen ließ. Für Netphen blieb die Kleinbahn von Weidenau nach Deuz. Aber erst ab 1906.
Der erste Bus zwischen Siegen und Netphen wurde von Pferden gezogen
Seit 1845 fuhr einmal am Tag eine Postkutsche von Netphen nach Siegen, in der ab 1851 auch Personen mitgenommen wurden. 1864 wurde die Personenpost eingeführt, ab 1888 eine regelrechte Pferdeomnibuslinie zwei Mal täglich von Netphen nach Weidenau und zurück. Und dann kam die erste Motor-Omnibuslinie der Welt: Am 18. März 1895 begann der Linienverkehr.
Um 6 Uhr startete der Bus von Netphen nach Deuz. Um 6.25 Uhr war Abfahrt beim Gasthaus Klein in Deuz. Über Netphen und Weidenau erreichte der 5-PS-Benz die Kampenstraße in Siegen, den heutigen Kaisergarten, um 7.45 Uhr. Das dauerte lang, der Fahrpreis war, vor allem für die Industriearbeiter, zu teuer. Die Straßen waren zu schlecht – manches Mal scheiterte der Bus auf der Schotterpiste an der Steigungsstrecke zwischen Deuz und Netphen. Hinzu kamen die Zwangspausen: Kam ein Pferdefuhrwerk entgegen, hatte der Bus anzuhalten und dem Motor abzustellen. Kurz und gut: Das Unternehmen wurde eine große Pleite. Am 20. Dezember fuhr der letzte Bus auf der von Netphen nach Siegen verkürzten Linie.
Fortan hatte der Pferdeomnibus, der dem Unternehmen Konkurrenz gemacht hatte, die Fahrgäste wieder für sich allein. Übrig blieb das Schwarz-Weiß-Foto von dem Bus, das gar nicht echt ist: In das Werksfoto wurde die Beschilderung „Siegen-Netphen-Deuz“ hineinmontiert; im Original steht dort „Hotel National“. „So hatte wieder der Pferdeomnibus die Straße für sich allein“, resümiert das Autorenteam in „Die Kleinbahn Weidenau-Deuz“. „Nach dem Fehlschlag der ersten Omnibuslinie sollte es nun über 30 Jahre dauern, bis wieder konkrete Überlegungen hinsichtlich eines öffentlichen Omnibusverkehrs für das Johannland angestellt wurden.“
Der zweite Start: Neun Kleinbahn-Buslinien in Siegen und Umgebung
1928 beantragte die Reichspost die Konzession für eine Linie von Siegen über Deuz nach Walpersdorf. Die Kleinbahn wehrte die Konkurrenz ab, einigte sich mit der Post und betrieb die Linie selbst, wobei sie sich der Siegener Kreisbahn bediente. 1930 folgten weitere Kleinbahn-Buslinien von Weidenau nach Allenbach, Brauersdorf und Irmgarteichen, und 1938 eröffnete der Unternehmer Walter Beel eine Linie zwischen Deuz und Walpersdorf. 1958 bestand das Kleinbahn-Busnetz aus neun Linien, die ab 1970 unter das Dach der neuen Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) kamen.
Lesestoff
Unsere Serie zum Omnibus-Jubiläum, das vom 20. bis 22. März in Netphen und Siegen gefeiert wird, beginnt mit einem Blick in die Geschichte.
Standardwerke zum Thema haben Dr. Rolf Löttgers, Gerhard Moll, Friedrich Reuter und Henning Trippe erarbeitet: „Die Kleinbahn Weidenau-Deuz“ und „Straßenbahnen und Obusse im Siegerland“.
Nahverkehrsgeschichte ist auch in der Broschüre „Fahren mit Bahn und Bus“ festgehalten, die der Kreis Siegen-Wittgenstein zum Jubiläum „100 Jahre Motor-Omnibus“ herausgegeben hat, sowie in dem Aufsatz über die Geschichte der VWS, die Henning Trippe im „Omnibusspiegel“ veröffentlicht hat.
Einen ähnlichen Weg ging die Freien Grunder Eisenbahn: 1950 wurde die Bahn zwischen Herdorf und Unterwilden durch eine Buslinie ersetzt, die 1967 an die Siegener Kreisbahn übertragen wurde. Auch im übrigen Siegerland tat sich etwas. 1924 eröffnete eine private Omnibus-Verkehr GmbH eine Linie von Siegen nach Freudenberg, die vorher schon von einem Unternehmer bedient wurde. Der Kreis Siegen tat sich mit der GmbH zusammen, 1925 kamen Linien nach Wilnsdorf und Burbach dazu. Im selben Jahr wurde auch die Reichspost aktiv. Beide Unternehmen teilten ihre Linien untereinander auf. 1926 übernahm die Kreisbahn die GmbH.
Die Kreisbahn gab es schon 1904, als die erste Straßenbahnlinie von der Eintracht nach Dillnhütten eröffnet wurde. In Kreuztal war derweil ein Bus des Kraftverkehrs Olpe nach Littfeld und zurück unterwegs. Im nördlichen Siegerland wurde Albert Schmidt aktiv, der in Langenau ein Busunternehmen gründete, das später nach Dahlbruch übersiedelte. Ab 1928 betrieb er die Linie von Kreuztal nach Hilchenbach, ab 1929 von Dahlbruch nach Müsen. Bis 1995 fuhren die blauen Schmidt-Busse. Dann übernahmen die VWS die Konzession für die Linie 75.
Straßenbahnen und Obusse: Ersatz für Straßenbahn auf Linie Siegen - Kreuztal
Siegener Kreisbahn und Elektrizitätswerk Siegerland hatten denselben Direktor. Da lag es auf der Hand, über Strom als Antrieb für die Busse nachzudenken. 1939 beantragte die Kreisbahn die ersten Konzessionen für Obus-Linien: die erste von Siegen nach Oberschelden, die zweite auf den Heidenberg. 1941 fuhr tatsächlich der erste Obus bis Niederschelderhütte, ab 1942 ging es auch nach Eisern und 1943 weiter nach Rinsdorf, 1944 schließlich auch über die Oberstadt nach Kaan. Im selben Jahr übernahm die Kreisbahn auch die Strecke Kreuztal-Littfeld und hängte die Busse dort auch an die Oberleitung. Vorletzte neue Obuslinie wurde die Verbindung von Siegen über Trupbach und Seelbach zur Freiheit, die 1949 eröffnet wurde.
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Vier Straßenbahn- und vier Obuslinien bildeten 1949 das Netz der Kreisbahn, hinzu kamen fünf Omnibuslinien nach Wilnsdorf und Achenbach, in die Winchenbach und auf den Giersberg und den Rosterberg. Ab 1952 ersetzte der Obus auf der Linie Siegen-Kreuztal die Straßenbahn, schon 1959 wurde auch die letzte Straßenbahnlinie nach Eisern auf den Obus umgestellt. Vor allen die Straßenausbauten waren Anlass für den nächsten Einschnitt: Nach den Schienen begann auch die Oberleitungen zu stören. Ab 1962 wurden die Obusse von Omnibussen ersetzt, zuletzt 1969 auf der Linie 1 nach Kreuztal.
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