Siegen-Wittgenstein. Die Ideen aus der Gruppe, die ein Nachhhaltigkeitskonzept für Siegen-Wittgenstein erarbeitet, treffen auf Widerspruch.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein will „global nachhaltige Kommune“ werden. Im Mai 2019 wurde er - unter 28 Bewerbungen - als eine von 15 Modellkommunen ausgewählt. Eine Steuerungsgruppe wurde eingesetzt, die die Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, die der Kreis 2021 auf Landesebene vorstellen wird. Jetzt, nach dem zweiten Treffen der Gruppe, gibt es Missklänge.

Das kritisiert die CDU

„Linke Stimmungsmache“ sieht die CDU-Kreistagsfraktion, die sich in einer Pressemitteilung äußert. Im Protokoll seien Vorschläge festgehalten, „die geeignet sind, den wichtigen Prozess hier vor Ort nachhaltig zu diskreditieren“. Das Papier enthalte Vorschläge, für die der Kreis nicht zuständig sei, die ihn aber „in Misskredit bringen“ würden. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass das Papier „ungefiltert und unkommentiert“ weitergereicht werde. Der Prozess sei nicht geeignet für „allgemeinpolitische Stimmungsmache“. Der Landrat müsse „unvoreingenommene Fachprofessionalität sicherstellen“.

Das erwidert der Landrat

Landrat Andreas Müller hält es für „sehr gewagt“, von einem Papier des Kreises sprechen. Die Steuerungsgruppe habe fünf Themenfelder verabredet, zu denen jeweils drei Ziele formuliert wurden, die mit konkreten Vorschlägen konkretisiert wurden. Daraus sei ein Protokoll entstanden, das den Teilnehmern zur Vorbereitung für das nächste Treffen am 21. April zugeleitet wurde. Eine Veröffentlichung sei nicht vorgesehen gewesen.

Den Eindruck der CDU-Fraktion teile er nicht, sagte Andreas Müller im Gespräch mit dieser Zeitung, „Es hat Spaß gemacht, sich auch einmal mit völlig anderen Gedanken auseinanderzusetzen.“ Dass in der Steuerungsgruppe ein „bunter Haufen“ zusammengekommen sei, sei die Folge davon, „wenn man zivilgesellschaftliche Gruppen einbinden will“. So sind neben Verwaltung und Politik, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, Wohlfahrtsverbänden und Institutionen auch Akteure von Fridays for Future und das Eine-Welt-Forum, „Unverpackt“ und der Integrationsdienst „Reselve“ vertreten. Als Vertreter der „Zivilgesellschaft“ wurden unter anderem auch die Aktionsgemeinschaft Naturpark Rothaargebirge und der Landwirtschaftliche Kreisverband eingeladen. Moderiert werden die Treffen von Dr. Philipp Lange von der LAG 21 NRW, einem Verein, der ähnliche Prozesse unter anderen auch in Bad Berleburg und Burbach begleitet. „Ich kann da keine Stimmungsmache erkennen“, sagt Landrat Andreas Müller.

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Das sind Ideen aus der Gruppe

Im Themenfeld „Lebenslanges Lernen & Kultur“ erscheinen die Überschriften „Gute Bildung für alle Menschen“, „Soziales Lernen ist akzeptiert“, „Die schulischen Bildungschancen sind verbessert“. Konkretisiert wird das durch die Forderung nach kostenloser Bildung, aber auch durch weitergehende Visionen: „keine Schulfächer mehr, sondern problemorientierte Projektarbeit“, „keine Trennung der Kinder mit zehn Jahren“ - also der gemeinsamen Schule für alle Jahrgänge. Und: „Im Jahr 2020 müssen die Menschen Siegen-Wittgenstein nicht mehr verlassen, um ein vollwertiges kulturelles Angebot zu nutzen.“

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Im Themenfeld „Gute Arbeit & Nachhaltiges Wirtschaften“ mit den Stichworten „Mittelstandsfreundlichkeit“, „Zukunftsfähiger Arbeitsmarkt“ und „Flexible Arbeitsmodelle“ wurden „Energieeffizientes Bauen“ und „flächensparende Standortkonzepte“ in neuen Gewerbegebieten notiert. Diskussionsstoff dürfte die Absage an „Kirchturmspolitik“ bei Arbeitsplätzen bieten: „Auch im Ruhrgebiet gibt es Bedarf nach Arbeit.“ Umstritten sein könnten Forderungen, die den Einsatz von Windenergie voraussetzen, zum Beispiel bei der Wasserstoffherstellung oder der „klimaschützenden Vollbeschäftigung“. Provozierend dürften Notizen wie „Kapitalinteressen vermeiden“ oder „Genossenschaftsmodelle fördern: Die Produktionsstätten den ArbeiterInnen“.

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Deutliche Aussagen finden sich im Kapitel „Soziale Gerechtigkeit & zukunftsfähige Gesellschaft“: Die Vision sieht Siegen als „solidarische, bunte, antirassistische und vorurteilsfreie Region“, in der benachteiligte Gruppen – genannt werden Frauen, People of Colour und queere Menschen – gleichbehandelt werden. Neben den Forderungen nach einem auf 16 Jahre gesenkten Wahlalter und nach attraktiven Wohnstandorten steht die nach der „freiwilligen Deckelung von hohen Einkommen“: „Über 20.000 Euro im Monat sind unmoralisch.“

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Ein Stein des Anstoßes findet sich im Abschnitt „Globale Verantwortung & Eine Welt“ : Der Kreis, so der Wunsch, bezieht keine Waren aus Ländern, die gegen Menschenrechte verstoßen. Beispielhaft genannt werden China, Russland und Israel. „Insbesondere angesichts der langen Tradition der Partnerschaft und freundschaftlichen Beziehungen von Siegen-Wittgenstein zum israelischen Partnerkreis Emek Hefer ist es nach unserer Auffassung nicht hinnehmbar, dass ein solches Arbeitsphasen-Ergebnis, von wem auch immer eingebracht, ungefiltert und unkommentiert weitergereicht wird“, heißt es dazu in der CDU-Stellungnahme.

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Zum Themenfeld „Nachhaltige Mobilität“ werden ein kostenloser oder kostengünstiger, rekommunalisierter öffentlicher Nahverkehr, ein gut ausgebautes Radwegenetz, Bus- und Fahrradspuren gefordert. Die Vision: „In 2030 sind die Menschen in Siegen-Wittgenstein mobil, ohne auf einen Pkw angewiesen zu sein.“

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