Deuz/Siegen. Von der Verkehrsmeisterin bis zum Betriebsleiter: Bei den Siegener VWS arbeiten nicht nur Busfahrer – aber alle saßen schon mal hinterm Lenker.

Die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS), 1970 hervorgegangen aus Siegener Kreisbahn und Kraftverkehr Olpe, sind so etwas wie die Nachfolger der Netphener Omnibusgesellschaft. „Für die meisten Leute draußen sind wir nach wie vor die kommunalen VWS“, weiß Jörg Mühlhaus, Enkel und demnächst auch Nachfolger des Chefs der Wern Group – aber tatsächlich ist das Unternehmen heute wieder, seit dem Verkauf 2005, so privat wie die Aktiengesellschaft von 1895.

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Mit Unterschieden: Es sind nicht mehr die zwölf Haltestellen zwischen Deuz und Siegen, die von zwei 5-PS-Landauern vier Mal am Tag bedient werden. Sondern um die 3600, auf denen jeden Tag 300 Busse fahren. 10.600 Passagiere hat die erste Motoromnibuslinie der Welt in den neun Monaten ihres Bestehens von März bis Dezember 1895 befördert. Die VWS bringen jährlich 45 Millionen Fahrgäste ans Ziel. Fahren dafür 17,5 Millionen Kilometer auf 148 Linien. Womit sie Deutschlands größtes privates Omnibusunternehmen mit Linienverkehr sind. „Es gibt keinen, der mehr Genehmigungen hat als wir“, stellt Klaus Dieter Wern fest.

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Die Verkehrsmeisterin

Das Herz des Betriebes schlägt in der Leitstelle. Um 3.50 Uhr hat Verkehrsmeisterin Katrin Schäfer ihren Dienst angetreten. „Ich bin die Erste.“ Auf mehreren Bildschirmen an der Wand und vor sich auf dem Tisch behält sie den Überblick: Auf Straßenkarten wird angezeigt, wo gerade ein Bus ist – der Klick darauf informiert, welcher Fahrer mit welchem Bus auf welcher Linie unterwegs ist. „Ich weiß genau, wo jeder ist.“ Listen mit roten Zahlen zeigen die Abweichungen vom Fahrplan. „Je heller die Farbe, desto weniger Verspätung.“ Grün steht für pünktlich. Ein eigenes Display listet die Umleitungen des Tages auf: 15 sind es heute, bei denen die Fahrer der VWS einen anderen Weg nehmen müssen.

Pln der Leitstelle alles im Blick: Katrin Schäfer (links), Azubi Patrycja Strychalska.
Pln der Leitstelle alles im Blick: Katrin Schäfer (links), Azubi Patrycja Strychalska. © Steffen Schwab

Die erste Schicht beginnt mit der Bestandsaufnahme: Die Verkehrsmeisterin, die seit 2015 bei den VWS ist, vergewissert sich, dass alle eingeplanten Busse auch mit Fahrern besetzt sind. In den folgenden Stunden muss sie vor allem auf Unregelmäßigkeiten reagieren: zum Beispiel, wenn Busse in einen Unfall verwickelt sind. „Eben hat eine Schule angerufen, dass der Bus nicht gekommen ist.“ Da schaut sie dann nach, was passiert ist, und sorgt für Ersatz. Neben ihr sitzt Patrycja Strychalska. Die Auszubildende im ersten von frei Ausbildungsjahren wird Fachkraft im Fahrbetrieb, „ich mache gerade meinen Busführerschein.“

In drei Schichten lösen sich neun Verkehrsmeister ab. Im Wechsel mit dem Dienst am Leitstand versieht Katrin Schäfer Außendienst, überwacht den Verkehr an den Zentralen Omnibusbahnhöfen, rückt bei Unfällen aus und unterstützt Fahrer in schwierigen Situationen. Einmal im Monat sitzt die Verkehrsmeisterin auch selbst hinter dem Lenker – denn Busfahrer sind sie hier eigentlich alle. Oder haben zumindest mal als Busfahrer angefangen. „Ich fahre sehr gern“, sagt Katrin Schäfer. Am liebsten im Netpherland oder nach Burbach. Die 10 und die 130 auf der Strecke zwischen Siegen und Geisweid mag sie weniger gern. Denn auf der Hauptstrecke ist eigentlich immer Stress: zu viele Menschen, zu viel Verkehr, zu wenig Zeit.

Drei Tage Jubiläumsfest

Vor 125 Jahren fuhr der erste Motor-Linienomnibus der Welt von Deuz nach Siegen. Mit Korso, Fest- und Heimatabenden und einer Zukunftsmeile wird das Jubiläum vom 20. bis 22. März drei Tage lang in Netphen und Siegen gefeiert. Unsere Serie beleuchtet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs im Siegerland.

Die Verkehrsplaner

Weiter oben im Haus sitzen die Leute, ohne die kein Bus überhaupt irgendwohin fahren würde. Rüdiger Vitt ist gerade damit beschäftigt, einen Tag vorzubereiten, an dem eine Reihe von Schulen einen beweglichen Ferientag einlegen. „Wir würden sonst mit leeren Bussen fahren.“ Was so ein Verkehrsplaner macht? „Wir legen Fahrten an, in allen Varianten“, erklärt Andreas Steingräber: Dem Rechner wird der Startpunkt und die Startzeit vorgegeben – und dann jede Haltestelle, die angesteuert werden soll.

Ohne sie gibt es keinen Fahrplan:  Rüdiger Vitt (links), Andreas Steingräber und Azubi Deborah Joch.
Ohne sie gibt es keinen Fahrplan: Rüdiger Vitt (links), Andreas Steingräber und Azubi Deborah Joch. © Steffen Schwab

Wenn der Plan steht, wird der Bus gesucht, der für diese Strecke verfügbar ist. „Integrierte Dienst- und Umlaufoptimierung“ heißt das Programm, mit dem die Verkehrsplaner arbeiten. Denn dass die Aufgabe sich nicht annähernd so einfach löst, wie sich das anhört, liegt auf der Hand. An diesem Tag koordiniert das Team 233 Bus-Umläufe. „Umlauf ist das, was ein Omnibus den ganzen Tag macht“, erklärt Rüdiger Vitt. Und 138 Dienste – das Arbeitsprogramm für jeden Fahrer. Auch bei den Planern sitzt eine Auszubildende mit am Tisch: Im letzten August hat Deborah Joch ihre dreijährige Ausbildung zur Berufskraftfahrerin begonnen.

Der Betriebsstellenleiter

Jens Schmitt hat auch einmal so angefangen. 1995 als Busfahrer, sehr gern auf der 10 nach Kreuztal und der 16 nach Netphen und Hainchen: „Das war immer top.“ Schmitt hat eine Fortbildung zum Industriemeister Kraftverkehrstechnik draufgesattelt, heute leitet er die Dienststellen in Krombach und Deuz. In seinem Büro neben der Wagenhalle am Deuzer Bahnhof, wo einst auch die Kollegen von der Kleinbahn ihren Stützpunkt hatten, arbeitet Jens Schmitt gerade mit Papierausdrucken: Er sucht einen Busumlauf im Bereich von Kreuztal und Hilchenbach, in den noch eine Schulfahrt hineingepackt werden kann, die nicht im Baustellenstau stecken bleibt. Da ist Jens Schmitt mit seiner Ortskenntnis klar im Vorteil gegenüber den Kollegen am Rechner. „Die Maschine weiß vieles nicht“, sagt Gerhard Bettermann.

Oldtimer: Jens Schmitt, Dienststellenleiter der VWS in Deuz, am Steuer eines   „Saurer/Berna L 4 UP T2“.
Oldtimer: Jens Schmitt, Dienststellenleiter der VWS in Deuz, am Steuer eines „Saurer/Berna L 4 UP T2“. © Steffen Schwab

Der Betriebsleiter

Gerhard Bettermann: Auch er hat einmal, 1981, als Busfahrer angefangen – und dass er das kann, beweist er bei Bedarf auch heute noch: Als im vorigen Jahr erstmals Disco und Party bereits auf der Fahrt zu Kultur Pur auf den Giller angeboten wurde, setzte er sich selbst ans Steuer. Ansonsten aber ist er Chef und das Gesicht des Unternehmens, wenn es um den alltäglichen Ablauf geht. Von ihm kommen vor allem die schlechten Nachrichten: wenn Busse ausfallen, weil es für kranke Fahrer keinen Ersatz gibt, oder wenn im Winter, meist abends, der Verkehr eingestellt wird, weil Räum- und Streudienste die Bergstrecken nicht mehr frei bekommen.

Gerhard Bettermann macht den Job, von ihm kommen die Infos auf allen digitalen Kanälen fast zu jeder Tages- und Nachtzeit. „Das ist unverzichtbar – man muss sich täglich um die Kunden kümmern.“ Und das ist auch das Pfund, mit dem die VWS als – wieder – regionales Unternehmen wuchern können. „Die Nähe zum Kunden ist der wesentliche Punkt. So ein Unternehmen kann man nicht aus 600 Kilometern Entfernung führen.“

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Der Chef

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, das andere- neben dem Fußball - Hobby von Klaus-Dieter Wern zu erraten: Busse, nicht nur als Miniaturen in einer rund 600 Modelle umfassenden Sammlung. Zwölf Fahrzeuge – er nennt sie „Autos“ – schickt er mit in den Jubiläumskorso, darunter den neusten Hybrid-Gelenkbus. Aber auch sechs Oldtimer, die man such für besondere Anlässe mieten kann. Oder zum Beispiel die Schweizer Alpenwagen mit Druckluftstarter und markerschütterndem Signalhorn, mit dem Sandtank für glatte Straßen und dem Steuer auf der rechten Seite für Passstraßenkurven über Abgründen. Oder den Ikarus aus Guben, der auf einem Lkw-Aufbau konstruiert wurde und den Motor zwischen Fahrer und Beifahrer hat – dort kann es richtig heiß werden.

Die Bus-Serie

Klar: Klaus-Dieter Wern, der 1944 geboren ist und aus seiner Kinderzeit noch den Obis zur Freiheit und den Postbus nach Freudenberg kennt, kann auch selbst Busse fahren. Denn so hat seine Laufbahn bei den VWS, die ihm heute gehören, begonnen. Auf der Linie 52 von Freudenberg nach Hohenhain, Plittershagen und Mausbach. „Das war meine Linie.“ Und wenn es morgens nach Freudenberg zur Grundschule ging, „kriegte ich erstmal ein Lied gesungen.“

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