Netphen. Adelheid Faßbender singt seit der Kindheit. Doch irgendwann war ihr klar, dass sie selbst Ensembles leiten möchte. Das tut sie nun im Siegerland.

In einer Familie mit fünf Kindern wird viel gesungen. Vor allem, wenn Vater und Mutter musikalisch sind, mehrere Instrumente spielen und in einem Mandolinenorchester musizieren. Adelheid, das jüngste der Geschwister, strahlt heute noch, wenn sie von der Hausmusik erzählt, die vor allem an Feiertagen und bei Familienfesten erklang, und dass sie mit großer Freude im Kinder-, Jugend- und Kirchenchor ihrer Heimatstadt Frechen mitsang. Und sie weiß genau, wer viele Jahrzehnte später, als sie selbst zum ersten Mal vor einem Chor stand, eines ihrer großen Vorbilder war: Josef Schoenen, der Chorleiter des Frechener Kirchenchors, mit seinem hohen Anspruch an seine Sängerinnen und Sänger.

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Doch zunächst war es für Adelheid Faßbender mit dem Singen vorbei. Heirat, Familie, zwei Umzüge. „Wir hatten die klassische Rollenverteilung. Mein Mann verdiente das Geld, ich kümmerte mich um die beiden Kinder. Großeltern waren nicht parat, um auf die Kinder aufzupassen“, sagt sie, um ganz nebenbei hinzuzufügen, dass sie weder in Kerpen noch in Hürth, ihren nächsten Lebensstationen, einen Chor gefunden habe, der ihren Ansprüchen genügt hätte.

Siegerland ist Sängerland

Das Siegerland ist Sängerland: Südwestfalen ist mit guten Chören gesegnet. Nicht von ungefähr kamen die beiden Gewinner-Ensembles beim Wettbewerb des WDR „Der beste Chor im Westen“ aus unserer Region. Unsere neue Serie blickt hinter die Kulissen der Chöre und porträtiert eine Auswahl von Chorleitern

Nach Netphen umgezogen

1996 wurde Adelheid Faßbenders Mann Hans-Peter an die Deutsche Bank nach Siegen versetzt und ein Jahr später zog die Familie in ihr neues Haus in Netphen ein. Ein Gottesdienst in der großen katholischen Kirche brachte einen musikalischen Neustart. „Eine Dame drehte sich um und sagte: Sie haben so schön gesungen. Wollen Sie nicht einmal zu unserer Probe kommen?“ Es war die 1. Vorsitzende des Cäcilienchors Netphen. Und die Faßbenders blieben dabei.

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Der damalige Chorleiter Matthias Braun öffnete seinen Chor auch für andere Literatur, nahm – damals für einen Kirchenchor noch undenkbar – an Wettbewerben des Sängerbundes teil und errang sogar den Titel „Meisterchor“. Diese Auszeichnung erhielten die Faßbenders noch zweimal mit dem Liederkranz Dotzlar, der auch von Matthias Braun geleitet wurde. Als seine Vizechorleiterin konnte sie erste Dirigentenerfahrungen sammeln, ebenso wie später bei Cantate Weidenau.

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Schwierige Prüfung bestanden

Doch Adelheid Faßbender, inzwischen 55 Jahre alt, wollte mehr. „Seit ich singe und hervorragende Chorleiter erlebte, hatte ich das Ziel: Das musst du auch können.“ An der Landesmusik-Akademie Heek, sozusagen „Kaderschmiede“ für Chorleiter in NRW, begann sie eine einjährige Ausbildung, die in sieben Phasen aufgeteilt war. Einer der Dozenten war der auch im Siegerland durch Jury- und Beratertätigkeit bestens bekannte Landeschorleiter Prof. Michael Schmoll.

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Von ehemals 19 Teilnehmern wurden elf zur Prüfung zugelassen, von denen es neun geschafft haben. Eine davon war Adelheid Faßbender. Seitdem schmückt sie der Titel Chorleiterin. Schon einige Chöre haben von ihrem hohen Leistungsanspruch und ihrer Neugierde profitiert, auch Neues und Unbekanntes zu präsentieren. Sie weiß: „Die immer neue Herausforderung bei Proben ist: Was musst du tun, damit ein Chor ein neues Stück erlernt, und wie entwickelt sich dann ein Chorklang, der beim Konzert die Zuhörer in Bann zieht?“ Aktuell leitet Adelheid Faßbender „Vocale Arioso“, einen gemischten Chor aus Netphen. Als sie ihn übernahm, hatte „Vocale Arioso“ neun Aktive. Inzwischen sind es 19. Die Chorleiterin lobt vor allem den schönen Stimmausgleich zwischen Männern und Frauen.

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Erwartungen übertroffen

Seit 2010 gehören Adelheid und Hans-Peter Faßbender auch zum Siegerländer Ensemble „Sono Vocale“, das Werner Schmidt gegründet und geleitet hat. Als dieser 2013 krank wurde, übernahm Adelheid auf Bitten des Chors die Leitung. „Interimsweise, bis spätestens Mitte 2014“, war ihre Bedingung. Dass daraus inzwischen etliche Jahre geworden sind und sie den Chor 2016 zum Meisterchor-Titel geführt hat, macht sie auch ein Stück weit stolz: „Ich kenne keinen, der mir das zugetraut hätte.“

Dass Chorleiter bei aller Konkurrenz vor allem Freunde sind, erfährt sie jedes Jahr auf besondere Art: Dann treffen sich sieben der ehemaligen Absolventen der Landesmusikakademie zum Grillen. Was aus den Kollegen geworden ist? Zwei haben einen Frauenchor gegründet und vier singen als Vizechorleiter in Chören. Eine leitet selbst welche, nämlich sie. „Ich bin froh, diesen Weg gegangen zu sein“, sagt Adelheid Faßbender, „ich bin aber noch nicht fertig mit dem, was ich mir vorgenommen habe.“

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