Siegerland. Maurizio Quarembas Weg führte von Neapel in die Region Südwestfalen. Inzwischen leitet er elf Chöre und ein Orchester – auch im Siegerland.
Dass Zufälle manchmal eine Lebensplanung auf den Kopf stellen, konnte auch Maurizio Quaremba erfahren. Wäre er 1991 nicht als Dirigent zu einem Sommerfestival ins fränkische Pommersfelden eingeladen worden und hätte ihm eine Flötistin des Orchesters nicht so gut gefallen, wäre sein weiteres Leben ganz anders verlaufen. So aber entschloss er sich nach einer dreijährigen Fernbeziehung und unzähligen Flügen zwischen Italien und Deutschland, seine Musikprofessur im süditalienischen Matera aufzugeben und zu seiner Frau nach Olpe zu ziehen.
„Es schneit jede Flocke an ihrer Stelle“, sagt er dazu. Schnell kamen in seiner neuen Heimat die ersten Anfragen: Der MGV Hillmicke und der Kirchenchor St. Severinus Wenden suchten Chorleiter. Und auch aus dem Siegerland: Der Liederkranz Netphen und der MGV Hoffnung Littfeld wurden hier seine ersten musikalischen Stationen. Inzwischen hat er elf Chöre und leitet ein Orchester.
Bei der Buchhaltung hielt ihn nichts
Die oft gehörte Redewendung „Ihm wurde der Beruf des Musikers in die Wiege gelegt“ trifft auf die meisten seiner Kollegen zu. Nicht aber auf Maurizio Quaremba. Obwohl in Neapel, der Hauptstadt der Musik, geboren und aufgewachsen, hatte sein Vater, der von Beruf Grundschullehrer war, ganz andere Pläne mit seinem Sohn. „Du musst etwas Vernünftiges lernen“, sagte er und schickte ihn auf eine Schule für Buchhaltung. „Da musste ich mich mit einer Materie herumquälen, mit der ich nichts zu tun haben wollte“, sagt Quaremba.
Über Wasser gehalten hat ihn, dass er Privatunterricht nahm und Klavier lernte. Als eine Rebellion gegen seinen Vater sieht er auch sein dreijähriges Philosophie-Studium an der Universität Neapel und parallel dazu die musikalische Ausbildung in Komposition, Gesang und Dirigat. Und als er die Möglichkeit bekam, einen neapolitanischen Chor zu leiten, war ihm klar: Mein Berufsziel ist Dirigent.
Schüler der Legende Franco Ferrara
Einer von Quarembas Lehrern wurde die italienische Dirigenten-Legende Franco Ferrara; ein Mann in der Tradition des großen Arturo Toscanini, der auch Stars wie Ricardo Muti und Claudio Abbado ausbildete. Herbert von Karajans Antwort auf die Frage: „Haben Sie Angst, wenn Sie auf der Bühne stehen?“ war einst: „Ich habe nur Angst, wenn Franco Ferrara im Saal sitzt.“
Drei Jahre lang durfte er bei Ferrara lernen und diese Zeit hat Maurizio Quaremba entscheidend geprägt. „Wir hatten auch menschlich eine gute Verbindung“, sagt er, „unsere letzte Begegnung war in Venedig im Theater La Fenice.“ Franco Ferrara starb kurz danach, als er während einer Jury-Sitzung einen Herzinfarkt bekam.
Literatur muss zum Ensemble passen
Bei allen Chören, die Maurizio Quaremba in seinen inzwischen 25 Dirigentenjahren in Deutschland leitete, stand am Anfang immer die Frage: Welche Literatur passt zu diesem Chor und was möchte der Chor singen? Sein Credo: „Es macht keinen Sinn, seinen Chören Musik überzustülpen, die nicht zu ihnen passt.“
Das längerfristige Ziel ist dann, einen Chorklang auszubilden und erkennbar werden zu lassen, denn: „Was den Zuhörer als erstes berührt ist der Klang und erst dann das Stück.“ Maurizio Quaremba will, dass jede Probe zum Erlebnis wird, und hat dafür feste Rituale und Methoden entwickelt: Nach fünfminütiger Aufwärmphase und Stimmtraining singt der Chor ein Lied, das er auswendig kann. Anschließend wird an neuen Stücken gearbeitet, wobei er die 20-Minuten-Regel beachtet: „Danach kommt ein neues Lied, denn die Aufmerksamkeit der Sänger wird nach dieser Zeit weniger.“ Zum Abschluss lässt er wiederum ein Lied auswendig singen, damit die Probe schwungvoll ausklingt.
Auch Mauricio Quaremba verschließt die Augen nicht davor, dass vor allem Männerchöre Existenzprobleme haben. Ein Patentrezept hat auch er nicht, aber er weiß aus langer Erfahrung: „Chöre brauchen gute Auftritte. Nur dann haben sie Ziele.“ Und: „Jeder Sänger sollte positiv über seinen Chor sprechen. Nur so gelingt es, neue Chormitglieder zu gewinnen.“
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