Netphen. Die UWG konfrontiert Netphener Bürger mit dem drohendem Nothaushalt und stimmt auf Steuererhöhung ein. Kämmerer warnt vor „totalem Stillstand“.

„Vor dem Abgrund“: Diese Schlagzeile aus dieser Zeitung mag UWG-Ratsmitglied Klaus-Peter Wilhelm nicht so ohne weiteres stehen lassen. „Der Abgrund ist nah“, sagt der Kommunalpolitiker zur Einstimmung im Ratssaal dann aber doch. Ihm gegenüber sitzen einige Ratskollegen, auch aus anderen Fraktionen, und viele Bürger, die sonst nur zuschauen dürfen. Kämmerer Hans-Georg Rosemann freut sich über so viel Interesse am Haushaltsplan 2020, in dem er immerhin eine Grundsteuererhöhung von 495 auf 645 Prozent vorschlägt. Er sei, betont er gleich zu Beginn, Wahl-Eckmannshausener mit Wurzeln in Sohlbach. „Ich darf das wie Sie alles mitbezahlen.“

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Die Bürger, die der Einladung der UWG gefolgt sind, lassen die Abhandlung über Hebesätze und Haushaltssicherung, Schlüsselzuweisungen und Transferleistungen geduldig über sich ergehen. Bis der erste nachfragt: Wenn denn schon alle über die hohe Kreisumlage schimpfen – „warum können unsere Mitglieder im Kreistag nicht mal sagen: Jetzt ist Feierabend.“ Und: „Warum demonstrieren wir nicht einfach mal? Vielleicht müssten wir französische Verhältnisse bekommen.“

Kreis Siegen-Wittgenstein lehnt Fristverlängerung für Haushaltsausgleich ab

Der Kämmerer kann gut erklären, wo der Fehler im System liegt: Seit das Land nur noch 23 und nicht mehr 28 Prozent seiner Steuereinnahmen an die Kommunen abgibt, geht es denen schlecht. „Wenn man das rückgängig machen würde, wären die meisten Kommunen ihre Sorgen los.“ Macht man aber nicht. Und deshalb schwebt das Gespenst des Nothaushalts auch an diesem Abend im Ratssaal. Die Verlängerung der Frist für den Haushaltsausgleich bis 2022 habe die Kommunalaufsicht im Kreishaus abgelehnt: 645 Prozent Grundsteuer seien „durchaus normal“. Wenn der Rat nicht mitziehe, „bedeutet das ein Jahr totalen Stillstand“. Und 2021 werde auch nicht besser.

Ob es weitere Steuererhöhungen gebe, wenn die Rechnung für 2020 nicht aufgehe? Ob irgendwann der Staatskommissar kommt und den Rat nach Hause schickt? Hans-Georg Rosemann müsste im Kaffeesatz lesen können. Die Gedanken im Saal richten sich auf Auswege: „Überregionale Einrichtungen müssen auch überregional bezahlt werden“, sagt einer der Bürger und zielt auf den Freizeitpark. Ob die Trampolinhalle eigentlich den erwarteten Gewinn abwerfe, um das Defizit des Bades zu verringern. „Ich glaube nicht“, antwortet Rosemann. Nicht, weil die Trampolinhalle nicht genug einspielt. Sondern weil im Bad zusätzliche Kosten entstehen – neuer Sanierungsbedarf.

GPA: Hallen in Salchendorf, Nenkersdorf und Unglinghausen überflüssig

Was wird aus den Kunstrasenplätzen, fragt UWG-Fraktionschef Helmut Buttler. Das Geld für Netphen und Dreis-Tiefenbach ist noch von 2019 übrig, berichtet Kämmerer Rosemann. Nur Salchendorf „würde zu gewissen Schwierigkeiten führen“ – diese Sanierung, die als die dringendste angesehen wird, würde Opfer des Nothaushalts. Ausgerechnet: Da steht schließlich auch die Johannlandhalle mit dem Dach, das keine Schneelast mehr aushält. Wochenlang sei die Halle dann gesperrt, berichtet Karl Steiner: „Das kann so nicht weitergehen.“

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Wird es aber: „Unter 500.000 Euro geht da nichts“, stellt Hans-Georg Rosemann fest. Helmut Buttler hat die Mahnung der Gemeindeprüfungsanstalt im Kopf: Die habe die Hallen in Salchendorf, Nenkersdorf und Unglinghausen für überflüssig erklärt. „Wir sind richtig zwischen die Mühlsteine geraten.“ Wie es überhaupt mit der bestehenden Infrastruktur weitergehen soll? „Ich weiß es auch nicht“, sagt der Kämmerer.

Netphen ist zwei Jahre zu früh mit dem Haushaltsausgleich

Bürgermeister Paul Wagener wirbt dafür, es nicht auf Nothaushaltsszenarien ankommen zu lassen: „Das darf nicht passieren. Wenn wir das nicht hinkriegen, verlieren wir das Vertrauen der Bevölkerung.“ Unglücklich sei, dass Netphens selbst gewählter Zeitpunkt für den Haushaltsausgleich zwei Jahre vor dem aller anderen Kommunen im Kreisgebiet liege – dass die nach 2020 ebenfalls in schweres Fahrwasser kommen, ist auch für Kämmerer Rosemann keine Frage: „Jetzt werden die Haushalte noch schöngerechnet. Danach werden andere unserem Weg folgen.“ Paul Wagener: „Wir sind halt vor der Wahl ehrlich, andere danach.“

Kompromissvorschlag

Der Rat soll am Donnerstag, 30. Januar, über den Haushalt entscheiden. Zur Debatte steht nun ein Kompromiss: Erhöhung der Grundsteuer von 495 auf 570 statt 645 Prozent, dafür Erhöhung der Gewerbesteuer um 20 Punkte auf 570 Prozent.

Hinzu kommen Einsparungen: kein Einzelhandels-, kein Wirtschaftswegekonzept, Halbierung des Zuschusses für Siegtal Pur und des Bolzplätze-Budgets.

Helmut Buttler spricht ein Schlusswort: Der Abend „wird alle Ratsmitglieder zum Nachdenken anregen.“ Einer, der bei der nächsten Ratssitzung wieder nur Zuschauer sein kann, hat sich bereits entschieden: „Ich gebe euch die 10 Euro mehr Grundsteuer im Monat gern.“

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