Netphen. Mit Mühe und Not könnte die Stadt Netphen ihren Haushalt ausgleichen – wenn der Rat eine drastische Steuererhöhung beschließt.

Die Zahl heißt 4018. Um genau diesen Betrag, in Euro, sollen am Jahresende die Einnahmen der Stadt über den Ausgaben liegen. Damit erreicht Netphen den Haushaltsausgleich, zu dem sich die Stadt in ihrem Haushaltssicherungskonzept für 2020 verpflichtet hat. Das Zahlenwerk wurde den Ratsmitgliedern unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen zugestellt und – erstmals – auch im Internet veröffentlicht. Auf eine Vorstellung im Pressegespräch hat Bürgermeister Paul Wagener verzichtet. Denn dass der Rat diesen Haushalt tatsächlich verabschiedet, ist durchaus zweifelhaft.

Was ist das Besondere?

Die Stadt muss den Haushalt ausgleichen – weil sie sich selbst dazu verpflichtet hat, zwei Jahre früher als die meisten anderen Städte und Gemeinden. Aussicht auf Verlängerung auf längstmöglichen Zeitraum bis Ende 2022, die die Stadt inzwischen beantragt hat, besteht nur, wenn es gar nicht anders geht. Kämmerer Hans-Georg Rosemann beweist allerdings mit seinem Haushaltsentwurf das Gegenteil: Die Anhebung des Grundsteuer-Hebesatzes von 495 auf 645 Prozent bringt eine Mehreinnahme von 2,12 Millionen Euro, das letzte Loch in dem 51-Millionen-Etat wird dann durch eine „globale Minderausgabe“ von 451.500 Euro gestopft. Damit, so räumt der Kämmerer ein, werde letztlich die Infrastruktur „ausgeblutet“. Bisher hat der Rat keine Neigung gezeigt, die Steuererhöhung zu beschließen. Wenn der Haushalt nicht beschlossen oder von der Kommunalaufsicht beim Kreis nicht genehmigt wird, rutscht Netphen in den Nothaushalt ab.

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Wie ist die Lage?

In den letzten Jahren hat die Stadt ihren Haushalt stets besser abgeschlossen als geplant, 2012 und 2018 sogar mit Überschüssen statt der erwarteten Defizite. Für 2019 rechnet der Kämmerer mit dem Fehlbetrag von 1,5 Millionen Euro, der auch tatsächlich eingeplant war. Finanziert werden die Defizite aus der Allgemeine Rücklage, sozusagen dem Eigenkapital der Stadt. Das wurde seit 2012 um 16,4 Millionen Euro verringert. Übrig sein werden am Jahresende 2020 etwa 51 Millionen Euro; gestartet ist die Stadt 2008 mit 76 Millionen. Wäre allerdings die Entwicklung so schlecht verlaufen wie geplant, wären nur noch 42 Millionen übrig. „Hierdurch wird deutlich, das Rat und Verwaltung der Konsolidierung der städtischen Finanzen oberste Priorität einräumen“, heißt es dazu im Haushaltssicherungskonzept.

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Die Grundsteuer wurde seit 2012 – damals: 380 Prozent-- drei Mal erhöht, die vierte Erhöhung auf 645 Prozent steht jetzt an. Die Gewerbesteuer wurde vier Mal von 410 auf 455 Prozent (seit 2019) erhöht. Eine Lösung sei das nicht, räumt der Kämmerer ein. „Sollten Bundes- und Landesregierung nicht aufhören, Steuer- oder Sozialgeschenke in Milliardenhöhe zu Lasten der Kommunen zu verteilen, werden wir alsbald über 4-stellige Hebesätze diskutieren.“ Die Infrastruktur der Stadt sei nach mehr als 20 Jahren mit Haushaltssicherungskonzepten „erheblich geschädigt“. Die Stadt könne nicht mehr alle Gebäude sanieren. Kämmerer Hans-Georg Rosemann macht jene Hallen zum Thema, die nicht für den Schulsport gebraucht werden, und die nicht mehr ausgenutzten Friedhofshallen.

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Was steht drin?

Rund 8,6 Millionen Euro wird die Stadt im nächsten Jahr investieren, davon fließen 6,7 Millionen in Baumaßnahmen. Das ist weniger als 2019 (12,3 Millionen Euro) und 2021 (15,7 Millionen Euro).

Sanierung der Sporthalle der Sekundarschule (300.000 €)

Planungskosten sind veranschlagt für den Neubau einer Stadthalle auf der Braas sowie für die Erweiterungen von Gymnasium und Grundschule Netphen. Alle Positionen werden mit Sperrvermerken versehen, bis die Entscheidungen im Rat gefallen sind.

Bereitgestellt werden Zuschüsse für die Sanierung der Kunstrasenplätze in Salchendorf, Dreis-Tiefenbach und Netphen.

Das durch einen Ölaustritt beschädigte Vereinsheim am Sportplatz Deuz muss nicht abgerissen, sondern kann saniert werden. Eingeplant sind 100.000 Euro.

Vorgesehen sind der Kanalbau in den Neubaugebieten neben dem Bühlgarten und im Dahlborn in Deuz sowie erste Teilbeträge für den Kanalbau im neuen Dreis-Tiefenbacher Gewerbegebiet Im Bruch (insgesamt 1,2 Millionen). Für 2021 vorgemerkt ist der Kanal im neuen Baugebiet Burggraben in Netphen (480.000 Euro für den ersten Bauabschnitt). Hinzu kommt jeweils der Straßenbau.

Ein neues Einzelhandelskonzept soll „als Grundlage für den Rahmenplan EKZ Netphen“ erstellt werden(20.000 Euro) – bis der Rat dazu Ja sagt, gilt ein Sperrvermerk.

Für 110.000 Euro lässt die Stadt ein Wirtschaftswegekonzept erstellen; dazu gibt es einen Landeszuschuss von 50.000 Euro.

Für Brückensanierungen sind eingeplant, zum einen für die Schillerstraße, zum anderen für die Planung der Siegbrücke Wernsbachstraße in Dreis-Tiefenbach – insgesamt 343.000 Euro.

Die Stadt rechnet mit dem Bau des Verkehrskreisels an der Restbrücke; Netphen ist mit 260.000 Euro an den Kosten beteiligt. Hinzu kommen allerdings auch – fällig im Jahr 2022 - 485.000 Euro für den Ausbau der einmündenden Straße An der Netphe – und dort wird mit 155.000 Euro Anliegerbeiträgen kalkuliert

Die Feuerwehr bekommt neue Fahrzeuge: ein Löschfahrzeug für Eschenbach, ein Gerätewagen für Dreis-Tiefenbach und ein Einsatzleitwagen für Netphen (337.000 Euro).

Mehr Armenbegräbnisse

Die „Geschäftsaufwendungen“ des Ordnungsamts steigen von 6500 auf 10.000 Euro, weil die Zahl an „ordnungsbehördlichen Bestattungen“ zunimmt.

Die Stadt kauft für 3500 Euro eine weitere LED-Geschwindigkeitsmessanlage, „aufgrund der Vielzahl an Großbaustellen“.

Die Stadt Netphen denkt nun offenbar doch an eine interkommunale Zusammenarbeit der Stadtarchiv. Netphen und Wilnsdorf wollen mit Hilchenbach zusammenarbeiten, wo eine hauptamtliche Archivarin eingesetzt ist. Im Etat stehen 3500 Euro.

Die Stadt hat zur Unterbringung von Geflüchteten über die eigenen Unterkünfte hinaus nur noch ein Haus in Hainchen angemietet; der Mietvertrag läuft bis Ende Mai 2022.

Die erste Million wird für die Erweiterung der Kläranlage Netphen in Dreis-Tiefenbach bereitgestellt. Insgesamt wird die Investition bis 2022 mit 15 Millionen Euro kalkuliert. Ende 2020 sollen die Aufträge vergeben werden.

Erst 2021 soll der Neubau des Feuerwehrgerätehauses Oberes Siegtal für die dann fusionierten Löschgruppen Nenkersdorf und Grissenbach zu Buche schlagen (1 Million).

Mit 2,2 Millionen Euro ist für 2021 eine „Freizeit- und Erlebnishalle“ veranschlagt; dahinter verbirgt sich der Neubau der Eishalle im Freizeitpark. Bedingung ist ein 90-Prozent-Zuschuss von Bund oder Land, bis dahin gilt ein Sperrvermerk.

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