Siegen. Von seltsamen Geschäftspraktiken berichtet vorm Siegener Gericht eine frühere Nagelstudio-Angestellte: Mehrfach gekündigt und wieder eingestellt.

Aus Sicht der Angeklagten steht es fünf zu eins: Sechs frühere Mitarbeiterinnen des Ehepaars, das bis 2015 in Siegen ein Nagelstudio betrieb, wurden am zweiten Verhandlungstag, Freitag, 17. Januar, vor dem Schöffengericht Siegen vernommen. Nur eine der Frauen bestätigt die Anklage, die dem Paar das Vorenthalten von Beiträgen und Steuerhinterziehungen von insgesamt über 300.000 Euro vorwirft. Die Zeugin hatte das Verfahren seinerzeit angestoßen.

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Bei der jungen Frau fließen Tränen. „Sie war wie unsere eigene Tochter“, hatte die Angeklagte vor einer Woche über die Zeugin gesagt, die sich nun mit einem ähnlichen Hinweis über ihre frühere Chefin revanchiert: „Ich habe sie wirklich gemocht.“ Allerdings macht sie klare Angaben über die zwielichtigen Geschäftspraktiken im früheren Nagelstudio, in dem sie zunächst Praktikum und Ausbildung machte, dann mehrere Jahre arbeitete.

Selbstverpflichtung: Nach Kündigung nicht in 20 Kilometer Umkreis arbeiten

Sie habe „1000 bis 1200 Euro verdient, aber nach der offiziellen Abrechnung nur 450 bekommen. Den Rest gab es bar“, sagt die 30-Jährige, das hätte beiden Seiten Vorteile bringen sollen. Sie sei mehrfach gekündigt und wieder eingestellt worden, „wohl, weil ich zuviel krank war“, habe aus Zuneigung und Loyalität trotzdem lukrativere Angebote abgelehnt. „Weil ich sie mochte“, bekräftigt sie noch einmal unter Tränen.

Beim letzten Vorfall dieser Art „bin ich aber nicht mehr zurück!“ Da sei es um die Unterzeichnung eines neuen Vertrags mit Klauseln gegangen, die sie nicht habe gutheißen können, etwa die Verpflichtung, bei Verlassen des Unternehmens nicht im Umkreis von 20 Kilometern zu arbeiten.

Zeuginnen: Oft Leerlauf im Siegener Nagelstudio – „wir mussten auch schonmal putzen“

Interessant für den Verteidiger des Ehemanns, der noch keine Angaben gemacht hat und von seiner Frau entlastet wurde: Die Zeugin betrachtete allein die Angeklagte als Chefin und Arbeitgeberin. Der Mann sei höchstens vorbeigekommen, um Guten Tag zu sagen „oder etwas zu kontrollieren. Das hätte mein Mann auch gemacht.“ Mit dem Betrieb des Nagelstudios habe er nichts zu tun gehabt. Allerdings sei es der Mann gewesen, der sie nach den Kündigungen durch die Frau wieder zurückgebeten habe. Aus ihrer Sicht sei das Nagelstudio sehr gut gelaufen und „auf dem Weg nach oben“ gewesen.

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Die anderen fünf Zeuginnen sagen übereinstimmend, dass durchschnittlich vier oder fünf Mitarbeiterinnen für sieben oder acht Plätze im Geschäft waren. Dessen Erfolg werten sie aber als mittelmäßig, oft habe es Leerlauf gegeben, „wir mussten auch schonmal putzen.“

Ex-Kolleginnen wollen vor dem Siegener Schöffengericht nichts gewusst haben

Eine tragende Rolle des Angeklagten wird einstimmig verneint. Von Schwarzzahlungen oder Kassenmanipulationen will keine etwas wissen. Auch die, von denen die erste Zeugin gegenüber der Polizei sagte, sie hätten mehr Geld als verbucht bekommen, bestreiten das. Sie wollen auch nie mit ihrer Ex-Kollegin darüber gesprochen haben.

Eine der Zeuginnen war als Aushilfe beschäftigt, auf 400-Euro-Basis. Wie oft und wie lange sie genau gearbeitet hat, lässt sich nicht genau feststellen. Das Geld sei bei ihr immer komplett auf dem Konto gelandet, versichert die Frau, die inzwischen in einem Krankenhaus tätig ist.

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