Siegen. Ein Mann attackiert in Siegen Polizisten und droht: „Wenn Du im Dienst bist, knall’ ich Dich ab“. Nun steht der Angeklagte vor Gericht.

Es geht um tätlichen Angriff gegen Polizeibeamte, versuchte Körperverletzung und diverse Beleidigungen.

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Schauplatz ist Saal 10 des Siegener Amtsgerichts. Der Angeklagte wird in Handschellen aus dem „Keller“ gebracht, wo ihn der Transporter der JVA Attendorn abgesetzt hat.

Gerangel auf der Weidenauer Polizeiwache

Die vorgeworfenen Taten liegen schon etwas zurück, spielten sich am 18. September 2018 in Siegen auf der Polizeiwache ab. Seither sitzt der 34-jährige H. im Vollzug und dort diverse Freiheitsstrafen ab, die ursprünglich einmal zur Bewährung ausgesetzt waren. Und wird jetzt wohl ein weiteres Jahr anhängen müssen.

Die waren auch der Anlass für die Vorfälle vom September 2018. H. hatte die „Einladung“ aus Attendorn zum Haftantritt bekommen, zunächst einen Aufschub bis zum 3. September erwirkt und anschließend – angeblich – einen weiteren bis zum 19. September.

Es habe ein Telefonat ihres Mandanten mit der Staatsanwaltschaft in Arnsberg gegeben, trägt Verteidigerin Julia Kusztelak vor, mit einer mündlichen Zusage, die H. anschließend auf dem ursprünglichen Bescheid notiert habe, wie sie durch Vorlage des Schreibens nachweist.

Offiziell liege die bedauerlicherweise aber nicht vor. Daher seien die Beamten natürlich im Recht gewesen, als sie versuchten, den H. an jenem Tag aufgrund eines vorliegenden Haftbefehls in Gewahrsam zu nehmen.

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Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel liest die Einzelheiten vor: Danach wurde H. am Nachmittag des 18. September 2018 in einem Krankenwagen angetroffen, mit dem er auf Anweisung der Polizei direkt zur Weidenauer Wache gebracht wurde.

Dort ließ der junge Mann die Beamten wissen, er wolle nach Hause und sich am nächsten Morgen selbst stellen. Dürfe er das nicht, werde er Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten. Es folgten Handgreiflichkeiten, heftige Beleidigungen und wüste Drohungen gegen die Männer in Uniform. „Wenn ich Dich privat treffe, mache ich Dich fertig. Wenn Du im Dienst bist, knall’ ich Dich ab“, soll H. unter anderem in Richtung eines Polizisten gerufen haben.

Einem anderen versuchte er, die Finger umzuknicken, drohte einem Dritten mit einer Kopfnuss. Ein „völlig asoziales Verhalten“ nennt Judith Hippenstiel die Vorgänge und unterstreicht, dass sie problemlos diverse weitere Rechtsverstöße in der Akte finde, „die hier gar nicht angeklagt sind“.

Zahlreiche Verurteilungen im Bundeszentralregister

Im Bundeszentralregister stehen zahlreiche Vorverurteilungen, gleich mehrere sind einschlägig. Die Anklagevertreterin beantragt ein Jahr und zwei Monate Haft. „Die Luft für das Thema Bewährung habe ich mir gespart“, schüttelt sie danach den Kopf. Sie könne es nicht verantworten, einen Mann wie H. in die Freiheit zu entlassen. „Er weiß es genau“, wirft sie H. vor, sein Verhalten nach Alkoholgenuss zu kennen und dennoch nichts dagegen zu tun.

Die Verteidigerin will ausdrücklich „nichts entschuldigen“, versucht aber dennoch, Verständnis für ihren Mandanten zu bekommen. H. kämpfe seit Jahren mit einem Alkoholproblem. „Er ist eigentlich ein Guter“, betont Julia Kusztelak, habe der Allgemeinheit nie auf der Tasche gelegen, arbeite in nüchternem Zustand „wie ein Tier“. Das werde er auch nach seiner Haftentlassung wieder tun, ist sie sicher.

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Allerdings sei der Mandant schon unter normalen Verhältnissen „etwas bollerig“, reagiere barsch und nicht unbedingt höflich auf andere Menschen. Wenn er trinke, werde es schlimmer. Am Tattag sei er davon ausgegangen, sich am nächsten Morgen zu stellen und habe „noch einmal richtig feiern“ wollen. Der Mandant bedauere sein Verhalten und gebe alles zu, was in der Anklage stehe.

Angeklagter winkt Freundin lächelnd zu

Der Angeklagte, der zwischendurch immer wieder seiner Freundin lächelnd zuzwinkert, nickt bestätigend. Was er getrunken hat weiß er nicht mehr, fragt seine Freundin, was ihm wieder einen Rüffel einbringt. „Gut blau“ sei er jedenfalls gewesen, habe direkt nach Feierabend um 14 Uhr begonnen.

Die Taten sind für 16.30 Uhr notiert. An die Polizei will er da schon keine Erinnerung mehr haben, nutzt aber Gelegenheit, sich bei den Männern zu entschuldigen.

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Was die Oberamtsanwältin wiederum ein wenig spät findet.

Julia Kusztelak plädiert auf ein Jahr Gefängnis, das trotz aller Umstände und vorheriger Widerrufe noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. H. sei therapiewillig, „seine Freundin hat ihm da auch ein Ultimatum gesetzt“. Die Behandlung der Sucht könne ja eine Auflage für die Bewährung sein, schlägt die Anwältin vor. Der Angeklagte sei in festen Händen, werde im Juli aus der JVA entlassen und könne dann auch wieder in seiner alten Firma arbeiten.

Mehrere Chancen, aber immer wieder versagt

Amtsrichterin Völkel lässt sich auf das eine Jahr ein, auf die Bewährung nicht. H. habe mehrere Chancen bekommen, immer wieder versagt. „Ich wüsste nicht, wie ich hier eine weitere Bewährung begründen sollte“, schüttelt die Vorsitzende ablehnend den Kopf und ist sich sicher, „dass er das hier als Milde auslegen würde!“ Wie schon die Oberamtsanwältin, verweist Völkel auf die zahlreichen Vorstrafen und die weiteren Vergehen, die nicht offiziell angeklagt seien.

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