Siegen. Ein Siegener Ehepaar hat bis 2015 ein Nagelstudio betrieben. Die beiden sollen knapp 315.000 Euro Beiträge und Steuern schuldig sein.
Vier Tage für eine Verhandlung vor dem Siegener Schöffengericht. Das ist eine ungewöhnliche lange Zeit.
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Aber der Fall sei eben auch „sehr komplex“, merkt Amtsrichter Uwe Stark zwischendurch einmal an. Was wiederum bei Steuerhinterziehungen und Vorenthalten von Beiträgen gar nicht so ungewöhnlich ist. Angeklagt ist ein Siegener Ehepaar, das bis 2015 ein Nagelstudio betrieben hat. Unter anderem sollen Mitarbeiter teilweise „schwarz“ beschäftigt worden sein.
Vorstellig beim Siegener Zoll
Eine davon wurde 2013 beim Siegener Zoll vorstellig, was im März des gleichen Jahres zu einer Durchsuchung in den Geschäftsräumen in der Spandauer Straße führte, sowie im Wohnhaus des Ehepaares im benachbarten Rheinland-Pfalz. Wo zumindest in einem Raum ebenfalls Nägel verschönert worden sein sollen. Beiden zusammen wird vorgeworfen, von 2010 bis 2013 insgesamt 134.111,73 Euro an Beiträgen nicht überwiesen zu haben. Der Ehemann (46) soll zudem noch 180.638 Euro an Umsatz-, Lohn, Gewerbe- und Einkommensteuer hinterzogen haben.
Für das Verlesen der Anklage braucht Staatsanwalt Markus Bender schon einmal gut 25 Minuten. Bender habe „extra eine Fortbildung im Schnelllesen gemacht, sonst brauchten wir hier noch einen Extratag“, bittet der Vorsitzende frotzelnd um besondere Anerkennung. Stark wird aber schnell wieder ernst und fragt die Angeklagten nach ihrer Aussagebereitschaft. Der Ehemann schüttelt den Kopf, für seine Frau kündigt Anwalt Daniel Nierenz eine Einlassung an.
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Die beginnt unmittelbar mit Tränen und einer emotionalen Entlastung ihres Mitangeklagten. „Das stimmt, was da steht. Was nicht stimmt, ist die Höhe. Das ist unmöglich. Das geht nicht. Ein Tag hat nicht 48 Stunden“, erklärt die 44-jährige Frau.
Das wird auch im Laufe des Tages und sicher in den kommenden Wochen noch Thema sein. Wie sind Zoll und Finanzamt auf die Zahlen gekommen, die nach Ansicht der Frau und beider Anwälte viel zu hoch angesetzt sind. Tatsächlich habe das Unternehmen nie Geld eingebracht. „Unsere Konten waren immer überzogen. Unser Haus ist belastet. Wir hatten nie mal etwa 2000 Euro einfach so zur Verfügung“, bedauert die Angeklagte.
Ehemann habe mit dem Nagelstudio nichts zu tun
Was ihr aber vor allem am Herzen liegt. Ihr Mann habe mit der ganzen Angelegenheit Nagelstudio gar nichts zu tun gehabt: „Ich habe einen netten Mann. Er hat getan, was ich ihm gesagt habe. Er hat höchstens mal eine Lampe ausgewechselt“, versichert die Angeklagte. Das Problem: Der Mann ist überall als Verantwortlicher eingetragen, hat sämtliche Papiere unterzeichnet und sogar an einer Fortbildung in Sachen Nageldesign teilgenommen. Zumindest steht das auf einem Zertifikat, das bei der Durchsuchung 2013 sichergestellt wurde.
Sie allein habe das Nagelstudio betrieben, widerspricht die Angeklagte den scheinbaren Tatsachen. Ihr Mann sei nur aus rechtlichen Gründen eingetragen worden, „damit ich keine eigene Krankenversicherung abschließen musste“. Er habe ihre Arbeit nie richtig eingeschätzt, „deshalb habe ich ihn zweimal die Finger meiner Freundin machen lassen. Damit er mal wusste, wie anstrengend das ist!“
Die Zertifikate habe sie von einer Partnerfirma immer reichlich vorrätig gehabt und ihm eins aus Spaß ausgestellt: „Heute können sie die sogar billig bei ebay kaufen.“ Ihr Mann habe „immer wie ein Esel gearbeitet“ und sei ungehalten gewesen, für das Studio ständig nachschießen zu müssen. Es habe Streit und sogar einmal eine Trennung gegeben. „Sie müssen doch gemerkt haben, ob es läuft oder nicht“, wundert sich Richter Stark. Warum denn nicht geschlossen worden sei, will er wissen. „Ich mochte die Mitarbeiterinnen“, schluchzt die Angeklagte. Sie habe sich Sorgen um deren Auskommen und Zukunft gemacht.
Viel Leerlauf zwischen den Terminen
Eine weitere Komplikation bei der Aufklärung liegt darin, dass offenbar zwei verschiedene Gruppen von Mitarbeitern existierten. Die einen waren fest angestellt, bezogen ein Gehalt und wurden auch vorschriftsmäßig abgerechnet. Und dann gab es Minijobber, die sich ihre Kunden selbst akquirierten, nur für diese abgerechnet werden sollten und mit 35 Prozent am Umsatz beteiligt wurden. Das habe aber nicht funktioniert, räumt die Frau ein. Weil es zuviel Leerlauf zwischen den Terminen gab. Entsprechend seien immer wieder höhere Beträge gezahlt worden, als tatsächlich verbucht wurden.
Im Laufe des Vormittages mit ersten Vernehmungen durch Zollfahnder stellt sich heraus, dass die EDV-Kasse manipuliert worden war. Viele Vorgänge seien nur mit Trainingsschlüsseln verbucht worden, damit sie nicht in den Tagesumsatz eingingen. Terminbücher und Kassennachweise passten nicht zusammen, zusätzlich habe es noch eine handschriftliche Buchungsliste gegeben.
Die Angeklagte gibt zu, nicht alles rechtmäßig abgerechnet zu haben. Aber auch hier wieder die Versicherung, dass ihr Mann nicht informiert gewesen sei.
Für Freitag, 17. Januar, sind die ersten Ex-Mitarbeiter als Zeugen geladen.
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