Siegen/Neunkirchen. Nach einem Streit trinken die beiden Angeklagten tagelang Alkohol und fahren dann mit dem Auto durch Neunkirchen. Messwert: Jeweils 3 Promille.

Der Anlass für den Termin am Dienstagmorgen, 14. Januar, im Siegener Amtsgericht geht auf den 31. Mai 2019 zurück. Da waren die Angeklagten um die Mittagszeit gemeinsam in einem Auto in Neunkirchen unterwegs, stießen mit ihrem Fahrzeug gegen ein anderes und verursachten dabei einen Sachschaden von rund 2000 Euro. Anschließend begingen sie Fahrerflucht.

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Was den Fall noch komplexer macht: Die Frau am Steuer (54) hatte zu diesem Zeitpunkt keine gültige Fahrerlaubnis und zudem reichlich Alkohol im Blut. Am späteren Nachmittag werden bei ihr rund drei Promille gemessen. Ihr zwei Jahre älterer Lebensgefährte, der gegenüber der Polizei behauptete, der Fahrer gewesen zu sein, wies gegen 19 Uhr einen ähnlichen Wert auf. Was infolge des Abbaus bedeuten müsse, dass die Blutalkoholkonzentration zur mutmaßlichen Tatzeit noch viel höher war, wirft sein Verteidiger Frank Baranowski ein.

Aussage vor Siegener Gericht: Erinnerungen an die Sache sind nicht mehr vorhanden

Beide Angeklagte haben keinerlei eigene Erinnerungen an den ihnen vorgeworfenen Sachverhalt. Bei den Promillewerten wundere sie das gar nicht, entgegnet Amtsrichterin Völkel. Ein Nachbar habe ihr eine Woche später davon erzählt, sagt die Frau, „da habe ich mich sofort beim Geschädigten entschuldigt“. Ihr Lebensgefährte weiß nur noch, irgendwann im Krankenhaus aufgewacht zu sein, „mit Polizisten am Bett“. Ob oder was er mit denen gesprochen habe, könne er aber auch nicht mehr sagen.

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Beide berichten, früher ein Alkoholproblem gehabt zu haben, dann aber Jahre „trocken“ gewesen zu sein. Sie habe nach dem Suizid ihres Mannes 2001 mit dem Trinken begonnen, „mir aber auch Hilfe gesucht“, sagt die Frau. Schwierigkeiten mit den beiden Kindern, die in einer Erziehungseinrichtung lebten, sowie dem Rentenantrag ihres Gefährten hätten zu dem Rückfall geführt, der einige Tage angehalten hätte, berichtet sie weiter. „Wir waren beide überfordert, hatten Streit. Da bin ich durchgedreht“, ergänzt der Mann, der aktuell arbeitslos gemeldet ist. Sie ist bereits Rentnerin. Inzwischen wollen beide wieder Abstand zum Alkohol gewonnen haben.

Gutachten soll Schulfähigkeit der Angeklagten klären

Derr Staatsanwalt sieht die Möglichkeit einer Schuldunfähigkeit beider Personen, hält ein Gutachten daher für unausweichlich. Die Amtsrichterin stimmt zu. Die Polizisten und der Geschädigte vor der Tür müssen zumindest für diesen Tag auf ihre Aussage verzichten. Bis zur Erstellung des Gutachtens wird das Verfahren ausgesetzt. Anwalt Baranowski versucht, für seinen Mandanten, dem „nur“ versuchte Strafvereitelung vorgeworfen wird, eine Einstellung zu erwirken. Anklagevertreter und Vorsitzende lehnen ab.

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