Freudenberg. Zufällig sieht Peter Hensel, wie ein Mann auf Drogen mitten am Tag in Freudenberg vier Frauen an einer Tankstelle bedroht. Er fackelt nicht lange

Peter Hensel ist kein Typ, der viele Worte macht. Wenn was getan werden muss, wirds getan. Da fackelt er nicht lange. So wie am 13. Dezember 2013. Mitten am Tag wird mitten in Freudenberg eine Tankstelle überfallen, der drogensüchtige Täter bedroht erst Angestellte und Kundinnen, verletzt eine von ihnen, geht dann mit einem Baseballschläger aus Aluminium auf Peter Hensel los. Und der fackelt nicht lange.

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Hensel kam mit seinem damals erst wenige Monate alten Schäferhundwelpen vom Hundeplatz und wollte tanken. Er wohnt gleich um die Ecke. Gewohnheitsmäßig schaut er sich um. Irgendwas stimmt nicht. Als er fertig getankt hat, steht da plötzlich ein Mann, einen Baseballschläger in den Händen. „Das war sein Fehler“, sagt Hensel, der eigentlich nach Hause will: Es sollte Schweinelendchen geben, eines seiner Lieblingsgerichte. Daraus wird nichts. „Das war das schlimmste daran“, grinst er.

Ein knorriger Siegerländer, der sich zu wehren weiß

Der Junkie hatte kurz zuvor die Frauen überfallen, sie bedroht und geschlagen, eine mit dem Kopf gegen die Wand gehauen, sie erlitt eine Platzwunde. Die Frauen, Angestellte und Kundinnen, flüchteten in die Tankstelle und schlossen sich ein, der Typ verschwand, um den Baseballschläger zu holen. Und als er wiederkam, stand da Peter Hensel.

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Hensel ist eigentlich keiner, mit dem man sich freiwillig anlegen würde. Ein knorriger Siegerländer, drahtig, Arme und Hände wie Schraubstöcke. Keine bedrohliche Gestalt, aber wer ein wehrloses Opfer sucht, ist bei ihm falsch. Der 51-jährige arbeitet als Dachdecker bei Wind und Wetter draußen. Ohne groß zu zögern nähert er sich dem Junkie, ruft ihm zu, den Schläger wegzulegen, „bevor du dir oder anderen noch wehtust.“ Sonst müsse er erst an ihm vorbei. Der Mann, völlig auf Drogen, wie sich später herausstellt, schlägt unvermittelt zu.

Wenn einer auf ihn losgeht, diskutiert Peter Hensel nicht.

Der Junkie hat keine Chance mehr auf zweiten Schlag

Er sieht den Schlag kommen, blockt den Metallknüppel ab. Sein Arm schwillt nachher an, aber das ist in dem Moment egal. Einen zweiten Schlag kann der Mann schon nicht mehr landen, Hensel nimmt ihm den Baseballschläger ab und schickt ihn zu Boden. „Ich habe ihn nicht geschlagen“, betont Hensel. Die Frauen in der Tankstelle haben in der Zwischenzeit Polizei und Rettungswagen alarmiert. Der Typ zappelt, fängt an zu flehen, Peter Hensel hält ihn fest. Ein Zeuge kommt dazu und hilft ihm.

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Als der Rettungswagen eintrifft, gibt Hensel den Schläger einem Sanitäter, schnappt sich die Hundeleine und fesselt dem Angreifer die Hände auf den Rücken. Als die Polizei ankommt, kann sie ein hübsch verschnürtes Paket in Empfang nehmen. Die Frauen werden ins Krankenhaus gebracht, Peter Hensel auch. Sein Arm ist geschwollen, beim Fixieren des Mannes am Boden hat er sich die Haut aufgeschürft – lächerlich für einen, der sich geschmolzene heiße Teerpappe von den bloßen Fingern zupft. Aber der Junkie war HIV-positiv.

Monatelanges warten auf das Ergebnis vom HIV-Test

Mehrere Monate lang muss Peter Hensel immer wieder Blut abgeben, bis er sicher sein kann, dass er sich nicht angesteckt hat. „Da kommt Freude auf.“ Der Mann wird vor Gericht gestellt, erscheint das erste Mal nicht. Beim zweiten Mal wird er freigesprochen. Das ärgert Peter Hensel heute noch. „Geständnis, Bereitschaft zur Therapie, schlimme Kindheit...“, sagt er achselzuckend. Man kenne das ja. Der Angeklagte habe die ihm zur Last gelegten Straftaten „im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen“, steht im Urteil. Der Mann war völlig zugedröhnt.

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Hensel hatte den Vorfall schon fast wieder vergessen, als die Polizei anrief und ihn für seinen Mut auszeichnen wollte. Auch die Stadt Freudenberg ehrte ihn für sein Eingreifen. „Ich bin kein Mensch, der in der Öffentlichkeit stehen muss“, sagt Hensel. „Ich mach das und dann ist gut. Ich bleibe gern im Hintergrund.“

Mitten am Tag an der Tankstelle in Freudenberg – niemand hält an

Aber jetzt ist er ein Vorbild, auch wenn er findet, dass er das nicht ist. „Ich bin ein ganz normaler Mensch. Bevor ich an mich selber denke, denke ich an andere. Egal, was es ist.“ Und wenn alle ein kleines bisschen so denken würde, dann würde die Gesellschaft auch besser funktionieren, so sieht er das. Und dass es schade sei, dass ein für ihn völlig normales, selbstverständliches Verhalten so außergewöhnlich ist. Menschen in Gefahr hilft man.

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Als er da auf dem Tankstellenplatz kniete und den Mann am Boden festhielt, mitten am Tag, direkt an einer vielbefahrenen Straße – da kamen zig Autos vorbei. Aber keiner hielt an, um zu helfen, erzählt Peter Hensel. Die meisten Leute wären wohl dran vorbeigelaufen. Peter Hensel nicht. Weil einer wie er das nicht macht. „Wenn was ist, gucke ich, ob jemand Hilfe braucht.“ So ist er erzogen worden, hart aber herzlich. Da „gab’s auch schonmal einen um die Backen“, sagt er, grinst. Vier Geschwister waren sie, „da weiß man, wie man sich zur Wehr setzt.“

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