Müsen. Immobilienbörse im Hilchenbacher Ortsteil soll verhindern, dass Häuser zu Renditeobjekten werden. Für Menage wird über Förderverein nachgedacht.

Im März schrillten die Alarmglocken in Müsen: Der Immobilienhändler, der eine leer stehende Doppelhaushälfte buchstäblich gekapert und – bis zur Zwangsräumung – an um die 20 Personen vermietet und die Miete vom Jobcenter kassiert hat, ist auch ihrem Dorf aktiv. Beim Dorfgespräch haben die Müsener vor nun gut einem halben Jahr darüber nachgedacht, wie sie solche Situationen verhindern können. Jetzt hat das „Bürgerforum Müsener für Müsen“ eine erste Bilanz gezogen.

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Vorsorge: Die Immobilienbörse

„Es gibt einige positive Entwicklungen“, berichtet Verena Hof-Freudenberg, die im Bürgerforum aktive Stadtarchivarin. Mit der Idee, eine Genossenschaft zu gründen, die vom Leerstand bedrohte Häuser kauft und weitervermietet, sind sie noch nicht weit gekommen. „Das Thema ist komplex.“ Aber: Entwickelt hat sich eine Art inoffizielle Immobilienbörse – benannt wurden drei Ansprechpartner, bei denen Verkaufswünsche platziert werden und an die sich auch auswärtige Interessierte wenden.

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Gelingen wird so ein Generationswechsel bei einem denkmalgeschützten Haus in der Poststraße, „das wird in sehr gute Hände kommen.“ Und auch ein weiteres Gebäude in der Dorfmitte ist auf den dorfinternen Markt gekommen: „Es wäre toll, wenn wir dafür Interessenten finden“, sagt Verena Hof-Freudenberg.

Fakten

Die Kaltmieten für gebrauchte Wohnungen sind in Hilchenbach von 2012 bis 2018 um sieben Prozent gestiegen, der Kreiswert liegt bei 13 Prozent.

In Hilchenbach stehen 5,9 Prozent der bis 1948 gebauten Wohnungen leer (Kreis: 4,9 Prozent). Bei den Baujahren 1949 bis 1978 beträgt der Leerstandsanteil 4,3 Prozent (Kreis: 4,4 Prozent), 1979 bis 1990 2,2 Prozent(Kreis: 2,8), ab 1991 0,9 Prozent (Kreis: 1,7 Prozent).

Bis 2030 geht der Bestand an geförderten Mietwohnungen in Hilchenbach um 26 Prozent zurück, kreisweit um 64 Prozent. In Hilchenbach werden 60 Prozent der Wohnungen von ihren Eigentümern bewohnt, 35 Prozent sind vermietet, der Rest wird als Ferienwohnung genutzt oder steht leer.

Um die Schwelle noch niedriger zu machen, wurde in dem kleinen Dorfinformationspark mit beleuchteten Stelen und Aushangkästen ein Briefkasten angebracht, in dem Verkaufswünsche platziert werden können. Mit Chiffre, für eine erste Kontaktaufnahme, „ohne dass gleich Name und Bild zu sehen sind“, erklärt Verena Hof-Freudenberg.

Müsener Hof fiel in die Hände eines Immobilienverwerters

Tief sitzt die Sorge, die falschen Interessenten auf ein altes Haus aufmerksam zu machen, das von diesen dann ohne Rücksicht auf Mieter und Bausubstanz mit maximalem Ertrag verwertet wird. Littfeld war da nur ein Beispiel: Auch der Müsener Hof war in die Hände eines Immobilienverwerters gefallen, 32 Bewohner teilten sich dort eine Toilette – bis der Kreis vor nunmehr fast zwei Jahren das Haus räumen und absperren ließ.

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Im Frühjahr 2018 stimmte die Stadt einem Umbau des Müsener Hofes zu; fünf Wohnungen sollen in dem Gebäude geschaffen werden. Auch bei diesem Dorfgespräch wird die Entwicklung mit Misstrauen betrachtet. Aber abgesehen davon, so Verena Hof-Freudenberg zum Leerstandsthema, „haben wir es im Griff.“

Musterbeispiel: Die Menage

Sichtbar wird das an dem Projekt, das Rainer Zipp Fränzen in der alten Menage stemmt, die er der Stadt abgekauft hat. „Es hat einen Verrückten gegeben“, freut sich Andreas Bolduan vom Bürgerforum. Fränzen zieht mit seiner Filmproduktion dort ein, schafft einen Eventbereich mit Escape-Rooms und Wohnungen. Diese Art, einen Leerstand zu beenden, hat Müsen schon zwei Mal einen Sonderpreis bei den Dorfwettbewerben eingebracht.

Die Menage wäre als Ruine verfallen, wenn Rainer Fränzen sie nicht wiederentdeckt hätte.
Die Menage wäre als Ruine verfallen, wenn Rainer Fränzen sie nicht wiederentdeckt hätte. © Stadt

Fränzen, im Ehrenamt inzwischen schon der filmende Dorfchronist, dankt seinerseits für viel Unterstützung: Als jetzt die Dachsanierung anstand, ist der Musikverein angerückt, um das Gerüst aufzubauen. „Das zeigt, wie man Dorfgemeinschaft leben kann.“

Ohne Rainer Zipp Fränzen wäre die Menage verfallen

Aktuell quält den Filmemacher die weitere Finanzierung. Sein Geldinstitut hat den Kredit für das Dach abgelehnt. „Ich weiß, dass wir das hinkriegen“, sagt Fränzen, „ich weiß nur nicht wie.“ Aber: „Aufgeben kommt überhaupt nicht in Frage.“ „Wie können wir dem Rainer unter die Arme greifen?“, fragt Andreas Bolduan. „Nicht dem Rainer, sondern der Menage“, korrigiert Fränzen.

„Du bist uns wichtig, und das Gebäude ist uns wichtig“, stellt Bolduan klar, „ohne ihn wäre das Gebäude verfallen und wir hätten eine Ruine gehabt.“ Die Müsener bleiben am Ball: Nachgedacht wird jetzt über die Gründung eines Fördervereins.

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