Siegen-Wittgenstein. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit des Busverkehrs haben sich auf der Achse Siegen – Kreuztal durch den VWS-Baustellenfahrplan nicht verbessert.
Der Baustellenfahrplan sollte dem Busverkehr vor allem in Siegen zu mehr Stabilität und Verlässlichkeit verhelfen. Das, sagt Günter Padt, Geschäftsführer Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS), wurde nicht erreicht. Im Oktober wurden Pünktlichkeit und Ausfälle auf der Achse Kreuztal-Siegen gemessen – es gebe dort keinen Bereich mit guten Werten, so Padt bei der Sondersitzung des ZWS-Beirats.
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Die Werte
Pünktlichkeit: 19 Prozent der Busse in Kreuztal (P+R Bahnhof) sind zu spät, minus 12 Prozent. Am Weidenauer ZOB hat sich der Wert um 23 Prozent verbessert – aber nur 79 Prozent der Busse sind pünktlich. Am ZOB Siegen sind es 87 Prozent, ein leichtes Minus von 3 Prozent.
Ausfälle: Sechs Prozent der Busse in Kreuztal Bahnhof fielen aus (6 Prozent plus), 3 Prozent in Weidenau (9 Prozent minus), 1,2 Prozent an Siegen ZOB (2 Prozent minus).
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Die Situation
Einen Anfang nahm die Entwicklung, als im Linienbündel Süd der Fahrermangel so groß wurde, dass Linien nicht mehr bedient werden konnten, erläutert Padt. Fahrleistungen wurden nach Süden transferiert, in der Folge übertrug sich der Mangel auf weitere Linienbündel. Dazu kamen dann erhöhter Krankenstand, Baustellen, Insolvenzen bei Taxi- und Auftragsunternehmen.
Keine größeren Probleme in Olpe und Wittgenstein
Im Kreis Olpe sei die Lage völlig anders, sagt Landrat Frank Beckehoff: Rechtlich gebe es keine Möglichkeit, praktisch keine Notwendigkeit, etwas am Busverkehr zu ändern. Die VWS haben bis 2028 die Genehmigung, der Fahrermangel sei in Olpe nicht durchgeschlagen. „Es gibt keine Baustellenprobleme, keine Ausfälle, die Busse sind pünktlich.“ Der Olper ÖPNV sei allerdings auch eine Grundversorgung, die auf eigenwirtschaftlicher Basis funktioniere, so Beckehoff. Der Kreis bringe Mittel ein für Schüler- und Sozialticket, es gebe keine Diskussion, das aufzustocken.
Ähnlich äußerte sich Horst-Günter Linde (UWG) für Wittgenstein: „Wir sollten mehr miteinander reden, statt übereinander. In Berleburg funktioniert es gut.“
Der Baustellenfahrplan sollte die Verkehrssituation auf niedrigerem Niveau stabilisieren, der Realität Rechnung tragen, ohne den Nahverkehrsplan (NVP) aufzuheben. Padt: „Wenn keine Fahrer da sind, können wir irgendwann auch nicht mehr anders organisieren.“ Die Bezirksregierung genehmigte den noch bis Mitte Januar gültigen „Sonderfahrplan“.
Über allem schwebt nach wie vor die juristisch ungeklärte Situation: Die Konzessionsvergabe für das Linienbündel Mitte an die VWS sei nicht rechtens, klagten die unterlegenen Bieter, das Verwaltungsgericht Arnsberg bestätigte das und ließ Berufung nicht zu. Der Antrag dagegen läuft – und erst, wenn Berufung zugelassen werden sollte, könnte das Verfahren in der Sache vor dem Oberverwaltungsgericht losgehen. Die Hängepartie, so Padt, könne noch bis zu zwei Jahre dauern.
Die Geschichte
Selbst auf dem Höhepunkt der Busausfälle, betont Padt, sei die Situation weit entfernt von „katastrophal“ gewesen. Der Vergleich zu früheren Zeiten, mitunter als eine Art goldenes Zeitalter Siegerländer Busverkehrs mit den VWS noch in kommunaler Hand stilisiert, zeige das deutlich: Im Nahverkehrsplan 2006 galten im Linienbündel Mitte Rahmenverkehrszeiten von 6 bis 18 Uhr an Werktagen, 8 bis 14 Uhr samstags, sonntags gar nicht.
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Das müsse man sich vor Augen führen, sagt Padt: Mit dem aktuellen NVP seien Verkehrsleistungen massiv ausgebaut worden, die Rahmenverkehrszeiten von 4 bis 1 Uhr an Werktagen und von 6 bis 1 Uhr an Wochenenden. Auch sonntags. Im ZWS-Gebiet würden mehr Buskilometer pro Einwohner gefahren als in der 600.000-Einwohner-Stadt Essen – knapp 50 im Vergleich zu rund 35. Der NVP sei sogar übererfüllt: 16,2 Millionen Leistungskilometer stehen drin, 16,8 Mio. boten die VWS. Mit genug Fahrern würden die auch gefahren. „Es gab Zeiten, da fielen Fahrten einfach aus, die VWS im Kreisbesitz hatte null Betriebsreserven. Das wurde aber nicht publik.“
Die Lösungsansätze
Mehr Fahrer, mehr Geld fürs System und mehr Geld für die Fahrer? Die Politik müsse sich fragen, so Padt: Welcher ÖPNV solle angeboten werden? Eigen- oder gemeinwirtschaftlich? Und: Aus welchen Haushalten wie viel Geld dafür?
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Gehalt: „Wir müssen die Saläre anpassen“, sagt Padt, „man muss als Vollzeitfahrer eine Familie ernähren können.“ Aber das benötige – unabhängig von bestehenden Tarifverträgen, die an anderer Stelle ausgehandelt werden – mehr Geld im System. Dass in Altenkirchen Busfahrer besser bezahlt würden, liege auch daran, dass dort das Land dahinter stehe, „das ist eine ganz andere Finanzmasse.“ 2600 bis 2700 Euro Einstiegsgehalt gebe es bei den VWS, bei den anderen Unternehmern seien es 2400 Euro, sagt dazu Bernd Balzer, Gewerkschaft Verdi. Im Raum Siegen bekämen die Fahrer überdies die Schelte für die Verkehrssituation ab, „die haben richtig Spaß, wenn die Leute lange auf den Bus gewartet haben und dann einsteigen.“ Balzer erneuert die Einschätzung der Situation als „katastrophal“, der Günter Padt und Landrat Andreas Müller energisch widersprechen.
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Fahrermangel: Das Problem Nummer eins, so Padt, die Lage sei anderswo nicht anders. Man versuche verzweifelt, dass der Bund „Busfahrer“ als Mangelberuf anerkennt, „selbst das ist noch nicht passiert“. Personalmangel, die sich selbst verstärkende Abwärtsspirale sei auch in anderen Branchen – Pflege, Erziehung – spürbar, so Landrat Andreas Müller. Personal fehle, die Arbeitsdichte steige, immer mehr seien damit unzufrieden und stiegen aus. Das sei nicht typisch für ein einzelnes Unternehmen. Wenn die Wirtschaft fordere, dass Busse früher fahren sollen, damit Azubis um 6 Uhr im Betrieb sind, führe das zu geteilten Diensten der Fahrer, denn „wir haben nicht genug“.
Finanzierung: Neuere Busse, WLAN, bessere Infrastruktur, Fahrergehälter – das müsse alles bezahlt werden, so Landrat Andreas Müller. Bund und Land seien gefordert, mehr Geld ins ÖPNV-System zu schießen. „So lange müssen wir vor Ort diskutieren, was wir hier für einen ÖPNV wollen.“ Zumal im Verkehrssystem unzählige Rädchen ineinandergriffen, Zuständigkeiten zwischen Kommunen, Kreis, Bezirksregierung, Gesetzeslage abgestimmt werden müssten.
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