Siegen-Wittgenstein/Olpe. 10.000 junge Menschen könnten das NRW-weit gültige Ticket bekommen, nur 700 wollen es haben. Handwerk und Industrie fordern besseres Verkehrsnetz
Rund 700 Azubi-Tickets wurden bislang ausgegeben – anspruchsberechtigt wären in Siegen-Wittgenstein und Olpe 10.000 Personen. Das entspricht 7 Prozent. Ob das politische Ziel, junge Menschen dazu zu bewegen, den ÖPNV zu nutzen, so erreicht werden könne, sei damit fraglich, finden Kreishandwerkerschaft und Industrie- und Handelskammer (IHK). „Diese Landesförderung nutzt den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr, der ländliche Raum geht einmal mehr leer aus“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.
Das Ticket
Die Landesregierung fördert das Azubi-Ticket, die Fahrkarte für den Verkehrsverbund ist für 20 Euro mehr im Monat landesweit gültig. Dies sei eine langjährige Forderung, sagt Jürgen Haßler, Geschäftsführer Kreishandwerkerschaft: Analog zum Semesterticket für Studierende sollten auch Auszubildende Vergünstigungen erhalten – auch, damit entfernt liegende Betriebe für junge Menschen attraktiver werden.
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Mit 82 Euro monatlich – die Hälfte zahlt der Betrieb – ist das Azubi-Ticket bei gleichem Geltungsbereich aber immer noch deutlich teurer als das Semesterticket, das rund 40 Euro im Halbjahr kostet. Immerhin: „Ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Haßler.
Die Umfrage
Kreishandwerkerschaft und IHK haben 212 Betriebe in den beiden Kreisen zur Nutzung des Azubi-Tickets befragt. Laut drei Viertel der Unternehmen müsste das ÖPNV-Netz ausgebaut werden, damit eine Nutzung vernünftig möglich sei. Vier von fünf Betrieben fordern eine Taktverdichtung. „Die Landesförderung hilft da, wo das Angebot dicht ist“, sagt Klaus Gräbener. Also nicht hier.
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Auf die Grundgesamtheit der Region bezogen laufe die Landesförderung ins Leere. Zumal noch untersucht werden müsse, ob die wenigen Azubi-Ticket-Inhaber mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren oder Bus und Bahn in der Freizeit nutzten.
Der Weg zur Ausbildung
Jeder dritte Betrieb meldet ein hohes Interesse am Azubi-Ticket – was aber auch bedeutet, dass zwei Drittel kein Interesse haben. Nur 16 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Azubis mit dem ÖPNV kommen, 7 % nutzen Mitfahrgelegenheiten, 1,4 % das Fahrrad.
72 Prozent der Auszubildenden bei den befragten Unternehmen fahren mit Auto oder Mofa zum Ausbildungsplatz. „Das hat uns überrascht“, so Gräbener. In der metallgeprägten Region Südwestfalen, wo um 6 Uhr die Schicht beginnt, sei das Ticket angesichts der Fahrzeiten des ÖPNV nicht nutzbar, so Klaus Fenster, IHK-Geschäftsführer Berufliche Bildung – außer, das Unternehmen liegt an einem Hauptverkehrsweg. Selbst dann würden viele Azubis ab dem 18. Geburtstag selbst fahren.
Die Ergänzung
Auf Initiative von Firmen im südlichen Siegerland wird zusammen mit der Uni Siegen derzeit eine App entwickelt, um überbetriebliche Mitfahrgelegenheiten zu vermitteln. „Viele Mitarbeiter fahren sehr ähnliche Wege zur Arbeit, wissen aber nichts voneinander, weil sie in verschiedenen Betrieben arbeiten“, sagt Klaus Fenster. Ähnlich wie bei der App-Mitfahrzentrale „Blablacar“ sollen Mitarbeiter der teilnehmenden Firmen ihre Wegstrecke und Uhrzeiten eingeben können, um andere Pendler zu finden, mit denen sie sich zusammentun können.
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Das sei nicht nur umweltfreundlicher sondern könnte in manchen Industriegebieten, etwa in Burbach, auch das Parkplatzproblem entschärfen. Die Unternehmer überlegen derzeit, dem Vorteile zu gewähren, der andere mit zur Arbeit nimmt, etwa in Form von Tankgutscheinen. Dies sei als Ergänzung zum ÖPNV gedacht, dessen Fahrpläne ebenfalls in die App eingebunden werden sollen, „eine Selbsthilfemaßnahme des ländlichen Raums“, sagt Fenster.
Derzeit wird die technische Umsetzung der App vorbereitet, im Frühjahr soll das System betriebsbereit sein, das auch auf andere Städte und Regionen ausgeweitet werden kann. Für das Handwerk sei die Nutzung etwas schwieriger, meint Jürgen Haßler – kein Schichtbetrieb, viel auf Montage.
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