Burbach/Siegen. . Im Burbach-Prozess saß der Ex-Leiter der Flüchtlingsunterkunft im Zeugenstand. Gedächtnislücken prägten seine Aussage.
Der frühere Leiter der Burbacher Flüchtlingseinrichtung bleibt sich treu. Auch am zweiten Tag seiner Zeugenvernehmung im Hauptverfahren sind seine Angaben vage, weitgehend unverbindlich und von vielen Gedächtnislücken geprägt. Die Satzbestandteile „Ich werde sicher…“, „Es könnte sein…“, „Ich erinnere mich nicht mehr“, wiederholen sich.
Bezeichnend ist die Frage eines Verteidigers nach dem Einkommen der Sozialbetreuer. Die habe er zum Teil eingestellt, antwortet der 37-jährige S., kann aber zur Höhe der Bezahlung nichts sagen. „Mein Anwalt sagt gerade, damals habe ich es natürlich gewusst. Nur heute nicht mehr“, schiebt er nach einem kurzen Gespräch mit dem Beistand dann nach. So ist es immer wieder, wenngleich nur selten so klar und offen formuliert.
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Die regelmäßigen Beratungsmomente stoßen im Laufe des Vormittags sogar auf Kritik aus den Reihen der Verteidiger, was wiederum Oberstaatsanwalt Christian Kuhli schmunzeln lässt. Die Anwälte hätten S. doch selbst vor einigen Wochen besorgt geraten, mit einem Zeugenbeistand zur Verhandlung zu kommen. Dann müsse er diesen doch auch nutzen können. „Meine Frage war doch sehr einfach“, wirft Verteidiger Daniel Walker ein. „Wir warten jetzt aber!“, sagt die Vorsitzende Richterin.
Verfahren läuft seit mehreren Monaten
Das Hauptverfahren läuft seit rund sechs Monaten, richtet sich gegen 25 Beschuldigte. Der frühere Leiter der Flüchtlingsunterkunft war im Januar zu 15 Monaten Bewährung verurteilt worden. Einige weitere Beschuldigte sind inzwischen wegen Körperverletzung oder Nötigung zu Bewährungsstrafen und Geldbußen verurteilt worden.
Unzufrieden mit Aussageverhalten
Dabei wirkt auch Kuhli selbst eigentlich nicht zufrieden mit dem Aussageverhalten des Zeugen. Selbst wenn dieser einmal bekennt, sich an einen der Fälle erinnern zu können und damit die Erwartungen im Saal steigen, geht es schnell wieder in den Keller der Enttäuschung. Gewisse Merkmale hat S. nach eigenem Bekunden dann schon im Kopf. Einzelheiten oder Namen von Beteiligten kommen regelmäßig nicht.
Nur einmal ist er sich sicher, dass vier seiner Vorgesetzten der Essener Betreiberfirma EHC, die regelmäßig mit dem Komplex Burbach betraut und zum Teil auch vor Ort waren, über die Existenz der „Problemzimmer“ informiert gewesen sein müssten. Letztlich bleibt auch hier der Konjunktiv stehen. Ob konkretes Wissen um das Einsperren bestanden habe, wisse er nicht, sagt S. und kann sich an kein einziges Gespräch darüber erinnern. Dabei liegen diverse E-Mails zwischen ihm und seinen Vorgesetzten vor, in denen die „Problemzimmer“ klares Thema sind.
Es gebe auch Beweise für Besuche der Leute aus Essen, „in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang der offiziellen Schließung“ der bewussten Räume, hält der Oberstaatsanwalt dem Zeugen weiter vor. Der schüttelt nur den Kopf. Immerhin gibt S. die Möglichkeit zu, dass er Sozialbetreuer und Wachleute angewiesen hat, die Polizei möglichst wenig zu rufen. Das wisse er nicht mehr, es könne aber sein. Es sei dann zum Wohle der Außenwirkung der Einrichtung gewesen.
Verteidiger rügt Oberstaatsanwalt
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Ein anderer Vorhalt hat mit einer Aussage aus dem Parallelverfahren zu tun und wird von Verteidiger Walker gerügt. Er könne nicht nachprüfen, ob Kuhli richtig zitiere und jene Aussage richtig verstanden habe. Er verweist auf Literatur und Rechtsprechung, nach der jeder Prozessbeteiligte Aussagen anders auffassen könne. Daher sieht er Vorhalte aus anderen Verfahren oder solche, die nicht in den Akten dokumentiert sind, als grundsätzlich unzulässig an und kündigt Einsprüche für jeden künftigen an. Das Gericht solle eine Grundsatzentscheidung treffen.
Die Vernehmung des S. wird am 19. Juni fortgesetzt. Dann ist mit zahlreichen Fragen der Anwälte zu rechnen. Unter anderem ein Satz des S. hat die Verteidiger neugierig gemacht. Wie es gewesen sei mit der Information über die Vorfälle und Umstände an seine Vorgesetzten, hatte Christian Kuhli gefragt: „Haben Sie es kommuniziert oder die Vorfälle gedeckelt?“ Er habe nichts verheimlicht, „aber es ihnen auch nicht aufs Brot geschmiert. Irgendwas dazwischen“, sagt der Zeuge. „Damit kann ich gar nichts anfangen“, ärgert sich der Anklagevertreter. Die Verteidiger nehmen es offenbar als Stichwort.