Geisweid. . Ilse Felten (91) aus Geisweid erzählt von der Arbeit im Haus und ihrem Pflichtjahr in Niedersetzen.
Es gab weder Wasser noch Licht im Haus, die Straßen waren unbefestigt, die Landschaft bestand aus Feldern. Das war der Stand der Dinge im Jahr 1934 in Geisweid. In diesem Jahr baute der Vater von Ilse Felten dort ein Haus. „Wir mussten auf Wasser und Licht verzichten, sonst hätten wir keine Baugenehmigung bekommen“, sagt Ilse Felten, die am 27. November 1925 geboren wurde.
Geburt und Wurzeln
Geboren wurde Ilse Felten in Geisweid, doch ihre Wurzeln sind in Setzen, wie sie selbst sagt. „Auch heute noch.“ Schon als Kind verbrachte sie viel Zeit bei ihrer Patentante Frieda in Setzen. Ihre Mutter, die kurz nach der Geburt ihrer einzigen Tochter starb, kam aus Setzen. „Meine Mutter hat sich am besten mit Friedas Mutter verstanden und hat am Sterbebett gesagt ,Gib mir Acht auf dat Liebetche’“, erzählt sie auf Siegerländer Platt, „dadurch wurde ich behandelt wie das eigene Kind.“
Nach dem Abschluss das Pflichtjahr
In Setzen absolvierte Ilse Felten nach dem Abschluss an der Volksschule in Geisweid, die sie im Alter von 14 Jahren verließ, ihr Pflichtjahr. Es war damals üblich, dass Mädchen ein Jahr lang in einem Haushalt mit mehreren Kindern helfen. Das Jahr verbrachte sie bei ihrer Patentante Frieda, ihrem Onkel Wilhelm und deren vier Kindern, mit denen sie sich ein Zimmer teilte: „Gisela und Walter in einem Bett und ich in dem anderen.“
Zwölf Reichsmark waren der Lohn für einen Monat. Angerechnet wurde ihr das Jahr später zur Rente nicht. „Dabei hat man geschuftet wie ein Pferd“, so Felten. Ihre Aufgaben bestanden darin, auf die Kinder aufzupassen, bei der Feldarbeit zu helfen, zu putzen und zu waschen.
Wäsche waschen
Zusammen mit Waschpulver wurde die Wäsche in einen Kessel gegeben, unter dem abends Feuer gemacht wurde. Am nächsten Morgen wurde die Wäsche dann auf Gitterkörbe gehoben und auf einem Brett mit Bürste oder Wäschestampfer sauber gerieben. „Und dann musste man die Wäsche nachher nochmal kochen und dreimal spülen.“
Ilse Felten
Wenn Waschtag war, machte Familienvater Wilhelm erst zuhause die Vorwäsche und fuhr dann morgens um halb sechs mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Geisweid. „Das würde doch heute kein Mensch mehr machen“, sagt die 91-Jährige.
Hemden Bügeln
„Einmal hab ich ein Hemd von Wilhelm gebügelt“, erinnert sich Ilse Felten, „da sagte er: ,Da unten musst du nicht bügeln, das sieht man nicht, das kommt in die Hose.’“ Das Bügeleisen kam zum Aufheizen auf den Kohleherd. Die Temperatur wurde mit einem angefeuchteten Finger getestet: „Wenn es zischte, war es heiß genug.“ Allerdings war die Unterseite nach dem Heizen auf dem Kohleherd meist rußig und musste gereinigt werden.
Fließendes Wasser erst 1954
Bis die Wäsche im Wasser kochte,, war es ein weiter Weg. Denn einen Wasserhahn, der einfach aufgedreht werden konnte, gab es anfangs nicht. „Wir haben zu Hause einen Brunnen gebaut. 20 Jahre mussten wir das Wasser aus der Waschküche im Eimer hochschleppen. Der Brunnen war draußen unter der Mauer, die Flügelpumpe war in der Waschküche. Man war schon müde vom pumpen, da hatte man noch kein Handtuch gewaschen. Es gab ja keine Maschine“, erzählt Felten.
Der sechs Meter tiefe Brunnen lieferte neben Löschwasser auch Trinkwasser in guter Qualität. Ein Mann habe den besten Platz für einen Brunnen mit einer Wünschelrute ausfindig gemacht. Fließendes Wasser gab es erst ab Januar 1954.
Das Badezimmer
Auch deshalb war ein Badezimmer damals eine Rarität. Als Familie Felten 1934 baute, blieb es ein ferner Traum. Erst einige Jahre später, als die Familie keine Landwirtschaft mehr betrieb, richtete sie in dem ehemaligen Schweinestall Dusche, WC und Waschgelegenheit ein. Ilse Felten erzählt, dass sie zuvor eine Badewanne auf den Flur gestellt und diese mit einer Gardine abgetrennt haben. Eine Toilette gab es im Erdgeschoss.
Die Raumaufteilung
Neben einem eventuell vorhandenen Badezimmer gab es meist nur Schlafzimmer für Eltern und Kinder. Familie Felten hatte außerdem ein Wohnzimmer. „Dort gab es einen Feuerofen, aber das Wohnzimmer war außer an Geburtstagen oder an Weihnachten kalt – das benutzte man nicht.“ Stattdessen verbrachten die Menschen viel Zeit in der Küche.
Die Küche
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„Früher hatte man nicht für alles ein Köpfchen“, so Felten. Die Küche war frei von elektronischen Helfern. „Waffeln wurden mit einem Waffeleisen aus Gusseisen auf dem Herd gebacken. Das wurde umgedreht, damit die Waffel von beiden Seiten auf die Feuerstelle kam.“
Zu den üblichen Gerichten gehörte alles, „was man so im Garten hatte“. Das waren zum Beispiel Bohnen, Rotkohl, Grünkohl, Weißkohl, Möhren, oder selbst eingemachte Gurken. „Heute fragt man sich, wie man das alles geschafft hat“, sagt die 91-Jährige und schüttelt den Kopf.
Die Landwirtschaft
Um mittags eine Mahlzeit zubereiten zu können, betrieb Familie Felten bis Ende der 50er Jahre Landwirtschaft. Dazu gehörten drei Ziegen, ein Schwein, ein Kartoffel- und ein Kornfeld. Gemäht wurde mit der Sense. „Am liebsten hab ich Heu gemacht, da wurde man nicht schmutzig“, sagt die Rentnerin. Die eigene Landwirtschaft brachte Kartoffeln und Korn, das bei der Mühle in Obersetzen zu Mehl gemahlen wurde. Aus Ziegenmilch machte die Familie selbst Butter: „In der Drogerie gab es extra so Tröpfchen, damit sie gelb wurde.“
Der Traumberuf
Als Schülerin wollte Felten eigentlich Köchin oder Schuhverkäuferin werden: „Ich roch so gern das Leder“, sagt sie und schwärmt von ihren Konfirmationsschuhen. „Aber nach dem Krieg ging das nicht mehr.“ Nach dem Pflichtjahr half Ilse Felten weiterhin halbtags in einem Haushalt aus und wenn sie nachmittags nach Hause kam, unterstützte sie ihre Eltern bei der Hausarbeit. 1944 musste sie ein halbes Jahr in einer Metzgerei arbeiten. „Danach bin ich immer im Haushalt geblieben“, sagt die 91-Jährige.
Die Verbindung nach Setzen besteht weiterhin. Mit einem der Kinder aus der Familie, in der sie das Pflichtjahr absolvierte, hat sie immer noch regelmäßig Kontakt. Ihr Leben in Setzen hat sie in guter Erinnerung: „Es war eine schöne Zeit.“
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