Auf dem Scheinerplatz machen Vertreter von Initiativen und Gewerkschaften ihrem Unmut Luft: In vier Jahren habe es keine Verbesserung gegeben.

  • Initiativen gehen seit fast vier Jahren auf die Straße – ohne merkliche Konsequenzen
  • Katastrophale Arbeitsbedingungen: Zu wenig Personal, zu große Belastung
  • Zentrale Forderung: Gesetzlicher Pflegepersonalschlüssel

Siegen. Seit fast vier Jahren demonstrieren die Initiativen „Pflege am Boden“ und „Wa(h)re Gesundheit“ zusammen mit der Gewerkschaft Verdi und dem Verein demokratischer Ärzte, um auf die schlechten Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen aufmerksam zu machen – und fühlen sich in ihrer Lage mehr denn je alleingelassen, geringgeschätzt von der Politik und ihren Arbeitgebern.

„Wir sind erschöpft, dieses System macht uns krank“, so Krankenpfleger Philipp Knitter gestern bei einer Kundgebung auf dem Scheinerplatz – Pflegekräfte, Angehörige und Kranke und Alte. „Kann man als Angehöriger seine Eltern noch ruhigen Gewissens ins Krankenhaus bringen, wenn man nicht weiß, ob die Schwester nicht bereits zwölf Frühdienste in den Knochen hat?“

Pflege am Boden: Die Initiativen demonstrieren seit fast vier Jahren.
Pflege am Boden: Die Initiativen demonstrieren seit fast vier Jahren. © Hendrik Schulz

„Vor vier Jahren dachten wir, die Mühlen mahlen langsam“, so Pflegerin und Mitorganisatorin Sabine Reuter, „mittlerweile haben wir das Gefühl, sie mahlen rückwärts.“ Die Zustände durch Personalmangel seien inzwischen katastrophal. Die Menschen säßen teils stundenlang in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, ohne dass eine Schwester sich kümmere – weil es schlicht zu wenige gebe.

Gute Arbeitsbedingungen für gute Arbeit

Zu kurz komme dabei, so Altenpflegerin Daniela Höfer, die Begleitung der Kranken und Alten. „Wir sind bei ihnen im Leben und im Sterben, sie lassen uns in ihre Intimsphäre – dafür brauchen wir Zeit. Die wir nicht haben.“ Gute Arbeit könne man nur unter guten Arbeitsbedingungen leisten.

„Überstunden sind kein Hobby“, so Michael Wossnitza (Verdi), eine Studie in Kalifornien habe gezeigt: Je mehr Patienten pro Pflegekraft, desto höher die Sterblichkeit. „Satt, sauber, trocken“ sei kein Anspruch, der sich mit dem Berufsverständnis einer Pflegekraft vereinbaren ließe. „Gesundheitspolitiker: Wollt ihr uns kaputtmachen?“, fragte Wossnitza. Auch die Arbeitgeber ließen sich ständig neue Methoden einfallen, „uns am langen Arm verhungern zu lassen.“

Gefährliche Arbeitsbedingungen

Die Menschen arbeiten hart – und am Ende reiche das Einkommen nicht für den Lebensunterhalt und erst Recht nicht für die Rente, so Ute Waffenschmidt-Leng, Wa(h)re Gesundheit. Berührt habe sie die Schilderung eines Pflegers bei einer der jeden Montag in der Martinikirche stattfindenen Versammlungen: „Das Schlimmste ist: Niemand nimmt uns mehr wahr“, habe der Mann gesagt. „Es interessiert niemanden, dass unsere Arbeitsbedingungen gefährlich für uns und die Patienten sind. Wir sind immer zu wenige, immer ruft jemand an, wenn wir frei haben. Wie sollen wir da den Menschen gerecht werden?“

Angesichts dieser Umstände, so Waffenschmidt-Leng, sei es kein Wunder, dass Pflegeberufe massiv an Attraktivität für junge Menschen eingebüßt habe. „Menschenwürdige Pflege ist in diesem System nicht mehr möglich.“

Zentrale Forderungen des Bündnisses:

  • Ein gesetzlicher Pflegepersonalschlüssel
  • Dem Arbeitsaufwand und der Verantwortung angemessene Entlohnung
  • Garantie auf ausreichend Freizeit
  • Eine Veränderung des Abrechnungssystems (Fallpauschalen)

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