Siegen. .

Die Pflege liegt am Boden – und die Mitarbeiter auch. Am Samstag machten 60 Krankenpfleger und -schwestern — gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen in 60 Städten – auf ihre Situation mit einem Flashmob auf dem Scheinerplatz aufmerksam: Die Arbeitsbelastung wird immer größer, gleichzeitig Personal abgebaut.

Darum geht es

Die Pfleger sagen: Krankenhäuser sind keine Wirtschaftsbetriebe, die unbedingt ein Plus zu erwirtschaften haben, hier geht es um Menschen. Beschäftigte mehrerer Siegener Krankenhäuser sagen: Die Patienten würden schneller genesen, wenn mehr qualifiziertes Personal da wäre. Sie wünschen sich, dass Pflegedienstleitungen und Geschäftsführungen sich mit ihnen solidarisch zeigen, denn die Probleme lägen vor allem im System. Die finanzielle Ausstattung von Kliniken müsse von Grund auf neu geregelt werden. Oft werde leider der Druck von oben nach unten weitergeleitet. Dabei ist das Gesundheitssystem und damit der Gesetzgeber der „gemeinsame Gegner“ von Angestellten und Klinikbetreibern.

1. Problem: Die Bezahlung
Krankenpfleger verdienen nicht total schlecht, aber auch nicht üppig. Für eine günstige Wohnung und ein gebrauchtes Auto reicht es, sagen viele. So weit kaum ein Unterschied etwa zu einem Handwerker. Aber: Der arbeitet von Montag bis Freitag und hat dann Wochenende. Krankenpfleger sind in der Regel im Dreischichtbetrieb tätig, arbeiten nachts und am Wochenende. Es gibt einige, die ihre volle Stelle zurückstufen und sich Nebenjobs suchen, kellnern, putzen, weil sich das finanziell bezahlt macht.

2. Problem: Der Zeitdruck
Die eigene Familie kommt oft zu kurz, denn man weiß ja um die Situation und will die Kollegen nicht im Stich lassen. Also springt man doch immer wieder ein oder bleibt länger. Überstunden werden zwar bezahlt, aber oft genug fast vollständig von der Lohnsteuer geschluckt – und wann soll man Überstunden abfeiern, wenn ohnehin zu wenig Leute da sind.

Die knapp bemessene Zeit stellt viele Pflegekräfte auch vor ein ethisch-moralisches Dilemma: Sie haben den Beruf aus Überzeugung gewählt, können den Patienten aber nicht so versorgen, wie sie es möchten und wie er es benötigt. Gespräche mit dem Kranken und seinen Angehörigen gehören zum Job, aber dafür bleibt kaum Zeit.

Abhilfe würde zum Beispiel eigenes Aufnahmepersonal schaffen: Mit Patientenanamnese schreiben, Laufzettel vorbereiten und so weiter ist eine Pflegekraft mindestens eine halbe Stunde beschäftigt – pro Patient. Mittags um zwei habe er an manchen Tagen noch kein Zimmer aufgesucht, sagt jemand. „Wir sind keine Sekretäre.“ Denn auch die Dokumentation hinkt hinterher, in zwei Stunden kommt schnell ein 20 Zentimeter hoher Papierstapel zusammen – Verwechslungen sind vorprogrammiert, erst recht, wenn man die Zeitnot bedenkt. Daneben sollen auch noch die Arbeitsräume und Stationsküchen geputzt werden.

3. Problem: Vernachlässigung Die Infektionsrate steigt, weil der Zeitdruck so groß ist. Handdesinfektionen sind zwingend vorgeschrieben, das Mittel muss mindestens 30 Sekunden einwirken. Daran ist im Alltag nicht zu denken – es klingelt schon der nächste und schon ist es wieder vergessen. Laut einer Studie steht Deutschland auf dem zweitletzten Platz, was unterlassene pflegerische Handgriffe betrifft. „Wenn so gearbeitet würde, wie es vorgeschrieben ist, bräuchten wir das doppelte Personal“, sagt einer.

4. Problem: Der Nachwuchs
Zwar können zeitliche Ressourcen dadurch freigeschaufelt werden, dass Pflegeschüler „Botengänge“ erledigen: Betten zum OP schieben und von dort wieder abholen, Laborergebnisse wegbringen. Währenddessen erledigen die examinierten Kräfte die schweren Aufgaben. Aber: Pflegeschüler sind auch zum Lernen auf Station. An manchen Tagen sind auch die Examinierten ständig damit beschäftigt, ihre Patienten wieder ins Zimmer zu befördern – ein eigener Hol- und Bringdienst würde enorm Raum schaffen für speziellere Aufgaben. „Man entfernt sich immer mehr vom Patienten“, sagt einer.

Fazit

„Wenn mehr Personal da wäre und wir sauberer arbeiten könnten, würde es sich positiv auf die Kosten auswirken“, fasst es einer zusammen. Allein wegen der besser eingehaltenen Hygiene und unterbleibenden Verwechslungsfehlern könnten Kranke schneller genesen und lägensomit kürzer in der Klinik.