Meschede. In Wildshausen herrscht Unruhe: Ein Wolf ist am Ruhrtalradweg gesichtet worden. Das sagen Touristiker, Tierzüchter, Anwohner und Jäger.
Der Wolf rückt näher. Völlig ohne Scheu war er am Sonntag (24.3.) auf der Glösinger Straße in Wildshausen an der Grenze zu Freienohl - und rund 80 Meter vom Ruhrtalradweg entfernt - unterwegs. Auch auf dem angrenzenden Stadtgebiet Meschede soll ein Tier gesichtet worden sein. Jetzt nimmt auch das Projektbüro des Ruhrtalradweg zu der Sichtung Stellung.
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Fotografiert und gefilmt hat das Tier Tim Lemke. Der Oeventroper ist Ziegen- und Forellenzüchter, verkauft seine Fische auch am Eversberger Hofladen von Möller-Winter und macht sich vor allem Sorgen um seine 14 Thüringer Waldziegen. „Die stehen auf der roten Liste“, sagt er. Lemke züchtet sie. Ihr Bestand sei deutlich geringer als der des Wolfes. „Meine Teichanlage ist nur rund 450 Meter von der Stelle entfernt, an der wir den Wolf jetzt gesehen haben.“ Erst vor wenigen Tagen habe er die Ziegen durch Zufall von dort weggeholt.
Lanuv braucht jetzt Kotspuren für genetische Analyse
Er hatte dem Lanuv (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) die Sichtung direkt gemeldet. Auch wenn die Videoaufnahmen eindeutig scheinen - das Lanuv braucht darüber hinaus für eine genetische Analyse Haare, Kot, Blut oder Speichelreste. „Keine Ahnung, wo ich die herholen soll“, ärgert sich Lemke.
Appell: Wolfsberater einschalten
Er appelliert an alle: jede Wolfssichtung direkt dem zuständigen Wolfsberater zu melden. Im HSK - rund um Meschede und Arnsberg - sind das Heike Herrmann, Ute Messerschmidt und Stefan Knippertz. „Man hat da für den Nachweis nur ein sehr enges Zeitfenster von 24 Stunden. Aber die sind immer erreichbar - auch am Wochenende.“ Die sachkundigen Ansprechpartner können auch direkt die entsprechenden Proben nehmen.
Das ist wichtig, denn erst, wenn der HSK offiziell als amtlich festgelegtes Wolfsgebiet, als Pufferzone oder Wolfsverdachtsgebiet gilt, gibt es Fördermittel - beispielsweise für den Erwerb von Spezialzäunen. „Am liebsten wäre es mir aber, wenn meine Tiere weiter freilaufen könnten und ich die Zuschüsse nicht bräuchte“, sagt Lemke. Er kennt die Wolfsdiskussion und kann auch manches Argument der Gegenseite verstehen, „aber als Weidetierhalter guckt man anders darauf.“
Der Wolf muss Respekt lernen
Auch Tarquin Cosack vom Rittergut Wildhausen hat sich die Videos und Bilder ganz genau angesehen. „Ein Jungwolf“, so vermutet er. „Der Wolf ist hier seit längerem belegt, aber so nah an der Wohnbebauung wurde er noch nicht gesehen.“ Auch Cosack wird sich für sein Damwildgatter jetzt erstmal noch einen höheren Zaun besorgen.
Jungwolf ohne Respekt
Der Oeventroper ist selbst Jäger und hat zwei Jahre in Kanada gelebt: Angst macht ihm der Wolf nicht. „Es gibt in den Ländern, die mit dem Wolf leben, fast keine Angriffe auf Menschen.“ Aber was man nicht vergessen dürfe, dort dürfe er auch überall bejagt werden. Nur so lerne er Respekt vor den Menschen. „Den hatte der jetzt gesichtete Jungwolf offensichtlich nicht.“
Nicht mal erlaubt, den Wolf zu verscheuchen
Verärgert ist Cosack daher über den Umgang in Deutschland. „Wenn es politisch gewollt ist, dass diese Kreatur hier mit uns lebt, dann muss auch erlaubt sein, sie zu bejagen oder wenigstens zu vergrämen.“ Doch nicht mal das Verjagen sei erlaubt.
„Der Wolf muss aber lernen, dass er Abstand halten muss. Dafür müssen wir ihm immer wieder auf die Pfoten treten dürfen“, sagt Cosack. Andernfalls könne er auch zu einer Bedrohung für die Menschen werden.
Touristiker denken über Warnung nach
Norbert Arens, ist Leiter der Touristischen Arbeitsgemeinschaft Meschede-Bestwig. Dass der Wolf so nah am Ruhrtalradweg gesehen wurde, flößt auch ihm Respekt ein - „das gleiche Gefühl hätte ich aber auch bei einem großen, frei laufenden Hund.“ Er wird die Sichtung ans Projektteam des Ruhrtalradwegs in Oberhausen weiterleiten und werde dann sehen, wie man dort entscheidet, ob man warnt oder nicht. „Wie man es macht, macht man es wahrscheinlich verkehrt“, fürchtet Arens. „Soweit ich weiß, gilt der Wolf als nicht gefährlich, wenn er nicht gerade krank ist oder Tollwut hat. Ich würde weiterhin bedenkenlos dort herfahren.“
Das sagt das Projektbüro des Ruhrtalradwegs
Das Projektbüro des Ruhrtal-Radwegs schreibt: Es gebe auch entlang anderer touristisch relevanter Radfernwege wie z.B. dem Elberadweg oder in NRW entlang der Römer-Lippe-Route seit Jahren Wolfsgebiete. „Aus all den Jahren sind von dort keine Begegnungen mit negativen Folgen von Radfahrenden oder Fußgängern mit Wölfen bekannt.“ Daher seien auch entlang des Ruhrtal-Radwegs keine besonderen Schutzmaßnahmen für dessen Nutzer erforderlich.
Man vertraue zudem darauf, dass die Menschen, die auf dem Ruhrtal-Radweg und allen anderen naturnahen Wegen unterwegs sind, den dort befindlichen Tieren und Pflanzen den gebührenden Respekt entgegenbringen und ihnen unaufgeregt in angemessenem Abstand begegnen, sodass auch fortan nicht mit Angriffen von Wölfen auf Menschen zu rechnen ist.
Auch Tarquin Cosack kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, „dass der Wolf einen Radfahrer hetzt“. „Aber der Ruhrtalradweg ist ja auch Naherholungsgebiet. Der wird auch von Spaziergängern mit Kinderwagen genutzt.“
Hintergrund
Wolfsnachweise gab es im vergangenen Jahr im HSK in Hallenberg (Riss eines Lamms), Medebach (Fotos und Videos) und Arnsberg (Riss eines Sikawildes). Im Nachbarkreis Soest wurde Wolfsrisse von Sikawild am Möhnesee und in Hirschberg nachgewiesen. Dokumentiert werden diese Nachweise auf der Seite https://wolf.nrw/wolf/de/nachweise. Der letzte Wolfsnachweis für Meschede liegt vier Jahre zurück.
Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) schreibt zur Gefährlichkeit von Wölfen:
Von einem wildlebenden Wolf gehe in der Regel keine Gefahr für Menschen aus. Wölfe seien von Natur aus vorsichtige Tiere, die Begegnungen mit Menschen meiden. „Sie interessieren sich schlicht nicht für uns Menschen - weder nehmen sie uns als Beutetiere, noch als Artgenossen wahr.“ Welpen könnten sich dabei neugieriger und unbedarfter verhalten.
Berichte über Angriffe auf Menschen aus früheren Jahrhunderten ließen sich zum größten Teil auf tollwütige Wölfe zurückführen. Deutschland sei aber seit 2008 tollwutfrei. Dass die Tiere Menschen angreifen, um sie zu fressen, würde auch in historischen Aufzeichnungen als extreme Ausnahmen in Gebieten mit extrem niedrigen Beutetierbeständen gesehen, in denen sich Wölfe von Nutztieren und Abfall ernährten. Dann befänden sich Kinder in einer sehr angreifbaren Situation, „wenn sie etwa Vieh im Wald hüten. Im heutigen Europa ist das Risiko, dass Wölfe ein solches Verhalten erlernen, sehr gering.“
Die DBBW schreibt aber auch: „Die instinktive Vorsicht, die Wölfe Menschen gegenüber zeigen, kann sich deutlich verringern, wenn die Tiere gezielt angelockt oder angefüttert werden. Dann kann es zu problematischem Verhalten kommen.“