Oeventrop. Eine Wolfssichtung in Oeventrop macht einem örtlichen Tierzüchter Sorgen. Er fordert Hilfe beim Schutz vor dem Raubtier.
Einen Tag nach der mit Fotos und einem Video dokumentierten Wolfssichtung an der Glösinger Straße bei Filscheid in Oeventrop ist die Aufregung darum noch groß. „Für meine Tiere ist das jetzt ganz gefährlich“, sagt Ziegen-Züchter Tim Lemke. Er betreibt in Glösingen eine Forellenzucht und hält an den Teichen auch Vieh. Entsprechend aufgeregt war er am Sonntag, als er den Wolf an der Straße gesehen hatte.
Er sei angehalten, hätte das Tier laut angesprochen und wollte den Wolf verscheuchen. „Der Wolf hat gar keine Scheu gezeigt“, erzählt Tim Lemke, „er ließ sich gar nicht von mir beeindrucken.“ Wahrscheinlich, weil es sich nach Einschätzung von Lemke noch um ein Jungtier handelt. „Und wo ein Jungtier ist, sind doch andere Wölfe nicht weit“, fürchtet Lemke. Der Glösinger hält aktuell 14 Thüringer Ziegen und vier Hochlandrinder. „Mit den Rindern haben wir in diesem Jahr erst angefangen.“ Sie stehen ebenso wie normalerweise die Ziegen an den Teichen in der Filscheid - „und laufen dort eigentlich auch frei herum.“
Tim Lemke macht sich nun Sorgen und wünscht sich Landesfördermittel für das Aufstellen von Schutzzäunen für seine Tiere gegen den Wolf, so wie sie Viehhalter in Gebieten mit nachgewiesenen Wolfspopulationen auch anderswo erhalten. Nach seiner Sichtung am Sonntagvormittag gegen 11.30 Uhr habe er am Montag die Landesnaturschutzbehörde „Lanuv“ informiert. Vom Anruf war Tim Lemke aber enttäuscht: „Von dem Wolfsberater habe ich bezüglich der Hilfen bereits eine Absage bekommen“, so der Oeventroper, „dem Lanuv reichen Videos oder Fotos nicht aus. Die wollen Kot oder Haare zur Beprobung.“ Tasächlich braucht die Behörde DNA-Spuren zum Nachweis, vor allem zur Identifizierung der Tiere. Auch Speichelproben nach Wolfsrissen werden genommen.
Und was sagt ein heimischer Fachmann dazu? „Es ist durchaus denkbar, dass sich dort ein Wolf aufhalten könnte“, formuliert es Marco Johann vorsichtig. Bei seiner Einschätzung verweist der für den Landesbetrieb Wald und Holz NRW im Revier Rumbeck/Oeventrop tätige Förster auf Sichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft im vergangenen Jahr: „Bei Breitenbruch hat es ja zuletzt gleich mehrfach Sichtungen gegeben“, so Johann auf Nachfrage dieser Zeitung. Auch von einem Wolf gerissene Tiere habe man dort gefunden. Ob es jedoch DNA-Nachweise gibt, kann der Revierförster nicht bestätigen; ebenso wenig einen Zusammenhang mit dem Auftauchen des Tieres am Wochenende in Oeventrop. Fraglich sei außerdem, ob es sich um einen Jungwolf, einen Rüden oder ein Weibchen handele.
Auch Tarquin Cosack vom Rittergut Wildhausen hat sich die Videos und Bilder ganz genau angesehen. „Ein Jungwolf“, so vermutet er. „Der Wolf ist hier seit längerem belegt, aber so nah an der Wohnbebauung wurde er noch nicht gesehen.“ Auch Cosack wird sich für sein Damwildgatter jetzt erstmal noch einen höheren Zaun besorgen. Der Oeventroper ist selbst Jäger und hat zwei Jahre in Kanada gelebt: Angst macht ihm der Wolf nicht. „Es gibt in den Ländern, die mit dem Wolf leben, fast keine Angriffe auf Menschen.“ Aber was man nicht vergessen dürfe, dort dürfe er auch überall bejagt werden. Nur so lerne er Respekt vor den Menschen. „Den hatte der jetzt gesichtete Jungwolf offensichtlich nicht.“
Nicht mal erlaubt, den Wolf zu verscheuchen
Verärgert ist Cosack daher über den Umgang in Deutschland. „Wenn es politisch gewollt ist, dass diese Kreatur hier mit uns lebt, dann muss auch erlaubt sein, sie zu bejagen oder wenigstens zu vergrämen.“ Doch nicht mal das Verjagen sei erlaubt .Der Wolf müsse lernen, dass er Abstand halten muss. „Dafür müssen wir ihm immer wieder auf die Pfoten treten dürfen“, so
Tarquin Cosack, der auch Inhaber der Sattlerei auf dem Rittergut Wildshausen ist. Andernfalls könne der Wolf auch zu einer Bedrohung für die Menschen werden. Dabei denkt der Oeventroper vor allem an Kinder. „Fünf- bis Sechsjährige, die allein im Wald herumstreifen, und das ist hier gar nicht so selten, wären eine leichte Beute.“
Was tun bei einer Begegnung mit dem Wolf?
Laut „Lanuv“ verhält es sich so, dass es „grundsätzlich äußerst selten ist, dass ein Mensch einen Wolf zu Gesicht bekommt“. Wölfe meiden die Nähe des Menschen. Allerdings könne es bei jungen und unerfahrenen Wölfen schon einmal vorkommen, dass die Neugier größer ist als die Angst (vielleicht in Oeventrop der Fall!?). Dann gilt:
- Nicht versuchen, sich dem Wolf zu nähern, ihn anzufassen oder zu füttern.
- Nicht weglaufen, am besten stehen bleiben und abwarten, bis sich der Wolf zurückzieht.
- Wenn man selbst den Abstand vergrößern will, langsam zurückziehen.
- Man kann den Wolf auch vertreiben, indem man auf sich aufmerksam macht (laut ansprechen, in die Hände klatschen, mit den Armen winken).
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Wolfsnachweise gab es im vergangenen Jahr im HSK in Hallenberg (Riss eines Lamms), Medebach (Fotos und Videos) und Arnsberg (Riss eines Sikawildes). Im Nachbarkreis Soest wurde Wolfsrisse von Sikawild am Möhnesee und in Hirschberg nachgewiesen. Dokumentiert werden diese Nachweise auf der Seite https://wolf.nrw/wolf/de/nachweise. Der letzte Wolfsnachweis in Arnsberg stammt aus dem August.
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Sorgen machen sich nun aber auch Bürgerinnen und Bürger, die den Wald als Freizeitraum nutzen. Die DBBW - Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf - schreibt dazu: „Von einem wildlebenden Wolf geht in der Regel keine Gefahr für Menschen aus. Wölfe sind von Natur aus vorsichtige Tiere, die normalerweise Begegnungen mit Menschen meiden. Sie interessieren sich schlicht nicht für uns Menschen - weder nehmen sie uns als Beutetiere, noch als Artgenossen wahr“. Möglich sei, dass sie bei einer Begegnung erst sichern, um die Situation besser einschätzen zu können, bevor sie sich zurückziehen und dass sie auch nicht panisch flüchten, sondern eher gelassen den Rückzug antreten. Welpen könnten sich dabei neugieriger und unbedarfter verhalten als ältere Wölfe.