Schmallenberg. Cannabis soll legalisiert werden. Der Schmallenberger Klinikleiter Dr. Geyer ordnet die Risiken mit Blick auf Alkohol und Tabak ein.

Ab dem 1. April soll das neue Cannabisgesetz in Kraft treten. Auch wenn das Land NRW den Beschluss weiter verschieben möchte, beschäftigt das Thema schon jetzt viele Menschen in der Region. So auch Dr. Dieter Geyer, Chefarzt der Fachkliniken in Bad Fredeburg und Holthausen. Sein täglicher Kontakt zu Suchtkranken zeigt ihm, welche Folgen der Cannabiskonsum haben kann. Im Interview erzähl der 68-Jährige, was er von der Legalisierung hält, wie seine Suchtpatienten darüber denken und welche Risiken der regelmäßige Konsum bergen kann.

Dr. Dieter Geyer ist Chefarzt der Fachklinik Bad Fredeburg und Holthausen und weiß, welche Risiken die Cannabis-Legalisierung mit sich bringt.
Dr. Dieter Geyer ist Chefarzt der Fachklinik Bad Fredeburg und Holthausen und weiß, welche Risiken die Cannabis-Legalisierung mit sich bringt. © WP Meschede | Privat

Wie blicken Sie auf die Cannabis-Legalisierung?

Das Ziel der Cannabis-Legalisierung ist es ja, den Konsum zu entkriminalisieren, den Schwarzmarkt auszutrocknen, den Jugendschutz zu stärken und eine höhere Produktqualität zu schaffen. Cannabis vom Schwarzmarkt ist nämlich häufig mit künstlichen Cannabinoiden versetzt. Fakt ist, Cannabis hat ein höheres Abhängigkeitsrisiko als Alkohol, dafür aber ein niedrigeres Suchtpotential als das legale Nikotin in Zigaretten. Ich finde gerade darüber sollte man eigentlich mehr sprechen. Zigaretten sind nämlich schon seit Jahrzehnten gesellschaftlich akzeptiert, obwohl es jährlich über 100.000 Tausend tabakassoziierte Tode gibt. Trotz alle dem glaube ich nicht, dass der neue Gesetzesentwurf die genannten Ziele erreichen wird.

Wie viele Patienten ihrer Fachkliniken werden wegen einer Cannabisabhängigkeit behandelt?

Von 1000 Patienten, die im Jahr zu uns kommen, sind rund 40 bis 50 Prozent Cannabis abhängig. Die Zahl der Alkoholabhängigen liegt bei 70 bis 80 Prozent. Was deutlich auffällt ist, dass die Summe an Cannabisabhängigen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat - vor allem bei den jungen Leuten, aber nicht ausschließlich. Früher war es so, dass eher Jugendliche dazu neigten, Cannabis zu konsumieren und die Älteren dafür Alkohol. Wer jedoch heute schwer suchtkrank ist, nimmt meist nicht nur eine Substanz.

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Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass junge Erwachsene ab 18 Jahren Cannabis konsumieren und anbauen dürfen. Wie blicken Sie aus medizinischer Sicht darauf?

Das ist durchaus problematisch, vor allem mit Blick auf das Risiko für Psychosen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Wir alle haben die Veranlagung für eine Psychose, bei jungen Erwachsenen ist das Risiko jedoch am größten. Das liegt vor allem daran, dass junge Menschen durch ihre Identitätsfindung häufig eine besondere soziale Belastung tragen. Die Frage nach der Karriere, der Auszug aus dem Elternhaus, eine hohe Veranlagung und der zusätzliche Konsum von Substanzen fördern das Risiko einer psychischen Erkrankung. Auch die erlaubten Mengen, die der neue Gesetzesentwurf vorsieht, sind daher kritisch zu betrachten. Bei zwei bis fünf Gramm THC am Tag besteht für einen Jugendlichen ein hohes Risiko, einfach nichts mehr auf die Reihe zu kriegen.

Welche weiteren Risiken birgt der Konsum von Cannabis?

Auch wenn der Weg ein anderer als zum Beispiel bei Alkohol ist, kann der Konsum eine Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und des Gedächtnisses zur Folge haben. Es besteht zudem die Befürchtung, dass auch bei Abstinenz keine vollständige Rückbildung mehr möglich ist. Außerdem gelten natürlich dieselben Risiken wie beim Rauchen von Zigaretten: Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen.

Der Preis der Freiheit ist Eigenverantwortung.
Dr. Med. Dieter Geyer - Ärztlicher Leiter der Johannesbad Fachkliniken in Bad Fredeburg

Wie reagieren Ihre Patienten auf den neuen Gesetzentwurf?

Einige sorgen sich schon, dass es bald schwieriger wird abstinent zu bleiben, wenn um sie herum konsumiert wird. Das ist jedoch etwas, mit dem alle Suchtkranken konfrontiert sind. . Es gibt in unserer Gesellschaft Dinge, die einen Suchtkranken innerlich und äußerlich triggern können - mehr als Nicht-Suchtkranke. Wenn ein Konsument positive Erinnerungen mit dem Trigger verbindet, muss er noch stärker dagegen angehen. Das gilt für den Cannabisabhängigen, wenn er auf der Straße den klassischen Cannabisgeruch riecht, wie für den Alkoholabhängigen, der an einer Kneipe vorbeiläuft. Der Preis der Freiheit ist Eigenverantwortung.

In den Johannesbad Fachkliniken in Bad Fredeburg und Holthausen werden Menschen mit verschiedenen Suchterkrankungen behandelt. Darunter auch wegen Cannabisabhängigkeit.
In den Johannesbad Fachkliniken in Bad Fredeburg und Holthausen werden Menschen mit verschiedenen Suchterkrankungen behandelt. Darunter auch wegen Cannabisabhängigkeit. © WP | Privat

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Abschließend: Glauben Sie, dass es durch die Legalisierung mehr Cannabisabhängige geben wird?

Das ist schwer einzuschätzen, da es aus anderen Ländern, die Cannabis bereits legalisiert haben, nur wenige Studien zu dem Thema gibt. In den USA und Kanada kann jedoch beobachtet werden, dass der Konsum vor allem bei Jugendlichen gestiegen ist und sich auch die psychischen Erkrankungen infolge des Konsums leicht erhöht haben. Ökonomisch lässt sich aber eine spannende Betrachtung ziehen. Der Schwarzmarkt konnte nämlich in keinem Land ganz beseitigt werden. Die Erklärung ist simpel: Ist das legale Cannabis teurer als das vom Schwarzmarkt, weichen die Leute darauf aus. Ist der Preis gleich richten sich die Menschen nach der Dosierung. Ist die auf dem Schwarzmarkt höher, kaufen die Leute da. Eins ist sicher: Die Arbeit wird uns bestimmt nicht ausgehen.