Meschede. Sie sind das Highlight der Passanten an der Ruhr: Nutrias haben sich in der Mescheder Innenstadt angesiedelt. Alles zum Nagetier.

„Wissen Sie, was das für ein Tier ist?“ Die Passanten an der Ruhr in Meschede unterhalten sich – wildfremde, gemeinsam zum Innehalten bewogen von einem kleinen, schwarzen Tier mit weißer Nase. „Ist das ein Biber? Eine Ratte?“ Nein, es ist keine Ratte, auch wenn einer der deutschen Namen vielleicht darauf schließen lässt: Das kleine, schwarze Tier ist eine Nutria, auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt.

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Und nachdem sie sich vor einigen Jahren schon in Velmede und Laer gezeigt haben, scheinen sie es sich jetzt in der Innenstadt gemütlich gemacht zu haben. „Die Nutrias sind absolut nicht scheu - sie sind dafür bekannt, dass sie auch in wenigen Metern Abstand zum Menschen sitzen bleiben“, so Dr. Axel Schulte, einer der wissenschaftlichen Leiter der biologischen Station im Hochsauerlandkreis.

So erkennt man Nutrias

Ursprünglich, so der Nabu, stammen die Nutrias aus Südamerika, sind aber schon seit vielen Jahren auch in Deutschland weit verbreitet. Vermutlich wurde ihre weltweite Verbreitung auch durch den Pelztiermarkt vorangetrieben, für den sie bis ins 20. Jahrhundert hinein in großem Stil gezüchtet wurden. Nutrias gelten international wie auch in Deutschland nicht als gefährdete Art; trotzdem unterliegen sie nicht dem Bundesjagdgesetz und dürfen nur mit Ausnahmegenehmigungen der unteren Landschaftsbehörden geschossen oder gefangen werden. In der Jagdsaison 2017/18 wurde so in NRW eine Jagdstrecke von über 16.500 Nutrias erlegt, so der NRW-Nabu auf seiner Website.

Ausrotten wird man sie nicht mehr können, aber problematische Bestände müssen dezimiert werden.
Dr. Axel Schulte, - einer der wissenschaftlichen Leiter der Biologischen Station des Hochsauerlandkreises

Nutrias werden etwa 40 bis 60 Zentimeter lang und erreichen ein Gewicht von etwa vier bis acht Kilogramm. Das Fell ist zumeist braun oder grau bis schwarz. Der Schwanz ist, im Unterschied zum Biber, rund, aber ebenfalls spärlich behaart. Ein eindeutiges Erkennungsmerkmal sind die deutlich sichtbaren, orangefarbenen Nagezähne. „Nutrias sind Uferbewohner und leben meist im Schilfgürtel von Flüssen und Seen“, erklärt Dr. Axel Schulte. Besonders die weitläufigen Renaturierungsmaßnahmen an deutschen Flüssen erleichterten die Lebensraumsuche des Nagetiers. Meist leben sie in kleinen Gruppen in selbst gegrabenen Erdbauten, manchmal aber auch in Schilfhöhlen.

In direkter Innenstadtnähe am Fußweg zwischen Campus und Herum tummelte sich im Februar diese Nutria.
In direkter Innenstadtnähe am Fußweg zwischen Campus und Herum tummelte sich im Februar diese Nutria. © WP | Katharina Kalejs

Können Nutrias für den Lebensraum Ruhr gefährlich werden?

Seit 2016, so der Deutsche Jagdverband, steht die Nutria auf der EU-Liste der invasiven, gebietsfremden Tierarten. „Die Nahrungsaufnahme von Nutriagruppen kann landwirtschaftliche Schäden verursachen. Nutrias können durch Abfressen großflächig Ufervegetation vernichten und damit verschwinden Brut- und Schutzräume für Wasservögel, Fische und Amphibien“, heißt es auf der Website des Jagdverbands. Außerdem sind in NRW schon Fälle bekannt geworden, wo sie seltene Riet- oder Muschelarten nahezu ausgerottet haben – denn sie fressen nicht nur Pflanzen, sondern auch kleinere Tiere. An der Ruhr als klassischer Mittelgebirgsbach bestehe dahingehend aber kein Grund zur Sorge, so Schulte. „Wir haben keine ganz seltenen Gräserarten am Ruhrufer, und auch keine gefährdeten Arten im Wasser.“

Trotzdem könnte durch Nutrias ein neues Ungleichgewicht im Lebensraum Ruhr und Ruhrufer entstehen – wie eigentlich durch alle Neozoen, also gebietsfremde Arten. „Sie sind nicht völlig unproblematisch, aber auch nicht direkt gefährdend“, so Dr. Axel Schulte. „Welche Schäden sie anrichten, sieht man erst nach Jahren.“ Denn offensichtlich breitet sich die Nutria-Population langsam aber stetig ruhraufwärts aus – und erst, wenn sie dort einige Jahre gelebt hat, können Zusammenhänge zwischen Vorkommnissen und Nutrias gezogen werden. Deswegen ist Schulte auch Befürworter der Regelung, dass das Bejagen jederzeit durch die Untere Landschaftsbehörde, in Meschede die des Hochsauerlandkreises, gestattet werden kann. „Ausrotten wird man sie nicht mehr können, aber problematische Bestände müssen dezimiert werden.“