Meschede. Woher kommt der gelbe Blütenstaub? Fachleute aus dem HSK erklären, was da so staubt, wie lange noch und warum wir uns darüber freuen sollten.
Überall liegt wieder gelber Blütenstaub auf Fensterbänken, Terrassen und Autos. Die Luft ist trocken und staubig. Nach 2014, 2018 und 2020 haben wir offenbar erneut ein Fichtenmastjahr. Doch warum blüht die Fichte so heftig? Und was ist noch alles zurzeit in der Luft? Das beantworten Experten aus der Region.
Auch wenn die meisten schimpfen, der gelbe Pollenstaub zeigt: Waldbäume, die zu den Windbestäubern gehören, geben momentan alles - vor allem die Fichten, doch andere Arten kommen hinzu. Und das ist erstmal positiv, denn reichlich Pollen sind die Voraussetzung dafür, dass die riesigen Kahlflächen wieder bewaldet werden.
Landesbetrieb Wald und Holz
Johannes Jesch, er arbeitet beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW und hier speziell beim Zentrum für Waldbau und Holzwirtschaft in Arnsberg, erklärt, was momentan vor allem in der Luft ist: „Wir haben es mit einer sehr bunten Mischung blühender Pflanzen zu tun. Die Eiche blüht, der Ahorn, die Buche und – dort, wo noch vorhanden – natürlich auch die Fichte.“
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Das freut ihn, denn gibt es viel Pollen, steigt auch die Chance auf reichlich Samen im Herbst, weil Pollen - sie stammen vom männlichen Teil der Pflanzen - den weiblichen Teil befruchten: „2020 konnten wir 144 Tonnen Forst-Saatgut ernten. 2021 war es das schlechteste Jahr mit gerade einmal zehn Tonnen“, sagt Jesch, der für die Vermarktung und Beratung von Saatgut bei Waldbesitzern und Baumschulen zuständig ist. „Wir brauchen in NRW dringend Samen für die 115.000 Hektar Freifläche. Denn ohne Saatgut können die Baumschulen keine Pflanzen produzieren.“
Jeder Baum, so der Fachmann, unterliege einem eigenen Blührhythmus von drei, fünf oder sieben Jahren, der auch schon mal variieren könne. Dass sich Bäume und Büsche gerade in diesem Jahr zum gemeinsamen „Stauben“ verabredet hätten, könne viele Ursachen haben. Der Winter war aus forstwirtschaftlicher Sicht ausreichend feucht, so dass nach den Jahren der Klima-Extreme bei allen Bäumen und Sträuchern die Pollenproduktion „mäßig bis stark“ sei. Jesch hofft nun, dass nicht noch die Eisheiligen der guten Entwicklung einen Strich durch die Rechnung und Fruchtansätze zunichte machen.
Angstblüte der Fichte
Manche Baumarten - wie zum Beispiel die Fichten – können auch aus purem Überlebenstrieb die Pollenherstellung ordentlich ankurbeln. Man spricht dann von Angstblüte. „Der Baum hat eine Art Instinkt, der ihm sagt: Bevor du abstirbst, musst du dich noch mal verjüngen. Auch diese Angstblüte hat es im Rahmen der Evolution schon immer gegeben“, so der Fachmann. Hinzu kommt der Klimawandel. „Wir stellen auch fest, dass manche Arten immer früher blühen.“
Dass viele über den Blütenstaub reden, liegt für Johannes Jesch aber nicht nur daran, dass sie ihr Auto häufiger waschen oder den Balkon abfegen müssen: „Die Trockenheit, der Borkenkäfer und jetzt überall die riesigen Freiflächen haben für das Thema Wald sensibilisiert.“ Daher nehme man auch solche Phänomene wie den intensiven Blütenstaub stärker als sonst wahr.
Die Biologische Station im HSK
Auch Dr. Axel M. Schulte, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologischen Station des HSK, geht davon aus, dass beim Blütenstaub momentan viele Gründe und viele Arten zusammenkommen. „Die steigenden Temperaturen haben das begünstigt. Ohne die Pollen untersucht zu haben, glaube ich, dass es sich zu einem Großteil um Fichte und Birke handelt. Von der Masse her gibt es sicherlich weniger Fichten. Aber auf vielen Flächen hat sich auch die Birke als Lücken-Pionier stark ausgebreitet. Insofern denke ich auch, dass es ein Blütenstaub-Mix aus vielen Arten ist.“
Pollenflug, so der Biologe, sei generell der Versuch der Pflanze, ihre Art zu erhalten. „Und wenn der Standort nicht günstig ist, ist das weite Verbreiten von Pollen die einzige Chance, um an einen günstigeren Platz zu gelangen.“ Das aktuell recht windige Wetter begünstigt das. Ein Pollenkorn könne sich locker drei bis vier Kilometer weit vom Wind treiben lassen. Mini-Samen könnten auf die Art sogar den Weg bis über die Alpen schaffen. „Es gibt ja auch durchaus noch einige Fichten-Bestände, die auf für sie günstigen Flächen stehen. Und in dem direkten Umfeld staubt es dann natürlich mehr.“ Ob ein Baum starke Pollen bildet, entspringt übrigens keiner spontanen Laune. Dr. Schulte: „Die Knospen, die jetzt ausgebildet werden, wurden schon im vergangenen Jahr angelegt.“ Wie lange es noch staubt, das können auch die Experten kaum genau voraussagen: Ein Regen würde die Luft zwar erstmal bereinigen und die Pollen auf den Boden bringen, aber im Anschluss kann es wieder losgehen.
Folgen für Pollenallergiker
Die gute Nachricht für Menschen mit Pollenallergie: Die Fichtenpollen sind für sie meist harmlos, da sie mit Wachs überzogen sind, Allergiker reagieren bei weitem nicht so stark darauf wie bei anderen Blühern.Die Masse des Feinstaubs kann allerdings zu Irritationen der Atemwege und zu brennenden und juckenden Augen führen.