Meschede. In der Buchhandlung Wortreich in Meschede kann man sich abends, nach dem Ende der Ladenöffnungszeit, einschließen lassen. Ein Bericht.

Wir sind fünf Meschederinnen, die gern lesen. Als Geschenk an uns selbst haben wir uns jetzt in der Buchhandlung Wortreich einschließen lassen. Das Motto „Lesen und Genießen“ - fünf Leserinnen nachts im Buchladen.

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Katrin Föster schließt die Besucher nachts in ihrem Buchladen Wortreich ein und verabschiedet sich. 
Katrin Föster schließt die Besucher nachts in ihrem Buchladen Wortreich ein und verabschiedet sich.  © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

Lesen und Kulinarik in der Buchhandlung

Erstmal wird die Sektflasche geköpft und ein kleiner Imbiss aufgebaut. Beides haben wir selbst mitgebracht. Katrin Föster hätte uns aber auch versorgt. Sie hat in der Vergangenheit schon Veranstaltungen zu „Lesen und Kulinarik“ angeboten. Da gab es dann ein Dreigang-Menü, bevor die Kunden in den Büchern stöberten. Im neuen Ladenlokal fehlt ihr die Küche. „Was nicht heißt, dass das Angebot mit Catering nicht wieder aufleben könnte“, sagt sie. Seit ungefähr zehn Jahren, so erinnert sie sich, lässt sie Kunden abends in ihren Buchladen. Ein Projekt zur Kundenbindung, ohne Riesenandrang. „Etwa fünfmal im Jahr gibt es dazu Anfragen“, berichtet sie. Allerdings hat sie es auch bisher nicht beworben.

Um 18.30 Uhr - es ist schon dunkel - finden wir uns in der Ruhrstraße ein. Inhaberin Katrin Föster sitzt noch an der Kasse, klärt kurz das Wichtigste - Toiletten, Notausgang und wann sie wiederkommt, um uns zu befreien. Dann fällt die Ladentür ins Schloss und der Schlüssel wird von außen umgedreht. Wir sind allein. Ein ganzer Buchladen für uns! Herrlich!

Zum Schmökern kann man sich da, wo man will, niederlassen. Autorin Ute Tolksdorf nimmt den Fußboden.
Zum Schmökern kann man sich da, wo man will, niederlassen. Autorin Ute Tolksdorf nimmt den Fußboden. © WP | Ute Tolksdorf

Angebot auch in Schmallenberg

Denn natürlich muss jemand die Kunden einschließen und etwa zweieinhalb Stunden später auch wieder befreien. Sie überlegt, das in Zukunft auch für die Schmallenberger Filiale anzubieten. „Da habe ich eine neue Mitarbeiterin, die direkt in der Nachbarschaft wohnt und Spaß daran hätte“, sagt sie. „Da gibt es wohl auch schon Nachfragen.“ Bisher sind es deutlich mehr Frauen als Männer, die sich dafür interessieren. Katrin Föster ist sicher, mit dem passenden Angebot - „vielleicht, wenn ich ihnen Whiskey hinstelle und besondere Krimis oder Grill-Bücher heraussuche“ - könnte sie auch männliche Leser locken.

Wir schlendern an die Regale, berichten von den letzten Büchern, die wir gern gelesen habe, schwatzen noch dies und das. Nur kurz halten wir uns an den „Stehrümchen“ und Karten auf, die der Buchladen auch anbietet und suchen die Ecken auf, in denen wir unsere Lieblingsbücher und -autoren finden. „Das wollte ich immer schon mal lesen“, schallt es aus einer Ecke. „Musst du nicht kaufen!“, aus einer anderen. „Leihe ich dir.“

Ohne Eintritt und Kaufzwang

Natürlich geht es für Katrin Föster auch um den Verkauf, doch einen „Eintritt“ oder Kaufzwang gibt es nicht. Letztlich rechnen kann sich ein solcher Abend nicht, auch wenn wir am Ende mit sieben Büchern und zwei „komme morgen noch mal mit Geld“-Versprechungen das Geschäft verlassen. „Das dient der Kundenbindung“, erklärt Katrin Föster. „Wer Interesse an Büchern hat, findet immer was.“

Buchkunden sind keine klassischen Ladendiebe: Und wenn was fehlt, wüsste ich ja, wo ich nachfragen müsste.
Katrin Föster - Buchhändlerin, schließt Kunden abends allein ein

Katrin Föster ist Inhaberin der Buchläden
Katrin Föster ist Inhaberin der Buchläden "Wortreich - Lesen und mehr" in Meschede, Arnsberg, Schmallenberg und Winterberg. © WP | Ute Tolksdorf

Immer mal wieder reden wir über Bücher - über die, die wir gerade lesen oder die, die uns zuletzt begeistert haben. „Wie schreibt eigentlich Rebecca Gablé?“, lautet eine Frage. „Spannend, mit Geschichte und Schmusi“, ist der knappe Kommentar. Mehr muss man gerade wirklich nicht wissen. Es wird ruhig.

TikTok-Trend

Ich greife zu verschiedenen Autoren, die ich immer schon mal lesen wollte und lande dann doch wieder bei den Titeln der Spiegel-Bestseller-Liste. Unsere jüngste Leserin klärt uns über den TikTok-Trend am Buchmarkt, über Farbschnitt und Themen auf. Fantasy - gerade nicht mein Genre. Sie greift zum Buch und verschwindet hinter Kopfhörern. Die Welt bleibt draußen.

Kopfhörer auf - die Welt bleibt komplett draußen. 
Kopfhörer auf - die Welt bleibt komplett draußen.  © WP | Ute Tolksdorf

Wir lassen uns treiben. Während wir drinnen schweigend lesen oder in Büchern blättern, ist es draußen erstaunlich laut. Auch um 20 Uhr laufen noch jede Menge Menschen durch die Fußgängerzone, schauen erstaunt durch die Glasscheiben. Doch keiner klopft und will rein (meine heimliche Sorge). Die Öffnungszeiten stehen ja auch deutlich an der Tür. „Im Thalia kann man sogar ganze Nächte verbringen“, weiß jemand. Mit Schlafsack und Taschenlampe könne man sich dort einschließen lassen. Kein Thema für Katrin Föster. „Dafür fehlt hier einfach der Platz und Thalia hat auch ganz andere Betreuungsmöglichkeiten.“

Zeit zum Fachsimpeln über Bücher.
Zeit zum Fachsimpeln über Bücher. © WP | Ute Tolksdorf

Keine klassischen Ladendiebe

Warum wir sonst eigentlich nicht länger in Buchläden stöbern, fragen wir uns: „Da hat man dann schnell ein schlechtes Gewissen oder zu wenig Zeit.“ Katrin Föster vermutet auch, dass man sich dann zu sehr beobachtet fühlt. Ob sie keine Angst hat, dass die Eingeschlossenen das ein oder andere Buch mitgehen lassen? Die Inhaberin wirkt erstaunt. Darüber habe sie wirklich noch nie nachgedacht - „Buchkunden sind keine klassischen Ladendiebe“, ist sie überzeugt und ergänzt mit einem Lachen: „Und wenn was fehlt, wüsste ich ja, wo ich nachfragen müsste.“

Nach zweieinhalb Stunden ist unsere Zeit rum. Wir werden „befreit“. Manch eine taucht tief aus einem angelesenen Buch heraus auf. Wir sind begeistert und trotzdem froh, dass der Abend im Buchladen endet: Es fing gerade an, richtig teuer zu werden.

Sekt und Imbiss zum Beginn - selbst mitgebracht.. Auch Katrin Föster hätte die Kundinnen versorgt.
Sekt und Imbiss zum Beginn - selbst mitgebracht.. Auch Katrin Föster hätte die Kundinnen versorgt. © WP | Ute Tolksdorf