Meschede. Die „Booktok“-Community in den sozialen Medien tauscht sich über Bücher aus. Diese Trends sind längst im „Wortreich“ in Meschede angekommen.

„Tiktok made me buy it“, zu Deutsch: „Tiktok hat mich dazu gebracht, es zu kaufen.“ Das Schild prangt schwer übersehbar auf einem Regal im Schaufenster des neuen „Wortreich“-Geschäfts auf der Ruhrstraße in Meschede. Darunter: Bücher in sanften Pastelltönen, mit Blumen und Farben auf den Seitenrändern. Einige andere sind in düsteren Farben gehalten, viele der Titel sind auf Englisch - man muss genauer hinschauen, um herauszufinden, ob es eine englisch- oder deutschsprachige Ausgabe ist.

Sie alle haben eins gemeinsam: Sie werden auf „Booktok“ beworben, einer Community auf den Social-Media-Plattformen Tiktok und Instagram. Dort tauschen sich junge Menschen über Bücher aus: Was sie gut fanden, was sie begeistert hat, was sie nicht so gut fanden. Zumeist werden die Bücher in Kurzvideos, so genannten Reels, kommentiert, präsentiert und bewertet. „Wenn dann eine Buch-Influencerin mehrere tausend Follower hat und noch mehr Menschen ihr Video sehen - dann reagieren natürlich auch viele darauf und folgen ihrer Empfehlung“, erklärt Buchhändlerin Katrin Föster das „Booktok“-Phänomen.

In diesem Jahr ist der Trend ins „Wortreich“ gekommen

Sie als Inhaberin der „Wortreich“-Buchhandlungen mit Stammgeschäft in Meschede ist Anfang diesen Jahres auf die Bewegung aufmerksam geworden: Bei einem Treffen ihrer Einkaufsgesellschaft gab es einen Vortrag einer „Booktokerin“. Gleichzeitig schwärmten die Nichten einer Kollegin aus Schmallenberg, beide im Teenageralter, von dem, was ihnen auf Tiktok gezeigt wurde: Farbschnitte, Liebesromane, dazu passende Lesezeichen und Gimmicks. Zu der Zeit wurde auch erstmals eine Booktok-Bestsellerliste vom Börsenblatt, dem Fachmagazin der Buchbranche, herausgegeben. „Wir wurden quasi von mehreren Seiten dazu gebracht - und auf Trends reagieren wir natürlich.“

Katrin Föster, Inhaberin der Buchhandlungen „Wortreich“.
Katrin Föster, Inhaberin der Buchhandlungen „Wortreich“. © Zentrale | Privat

Also begannen Katrin Föster und ihr Team, die Booktok-Trends sichtbarer zu positionieren. Aber was sind diese Trends? „Größtenteils ist das junge Literatur für Teenager und Menschen in ihren Zwanzigern. Viele Liebesromane, aber auch so genannte College-Romane.“ Diese spielen in der Regel an irgendwelchen Hochschulen, zumeist im Ausland - und sind auch nicht unbedingt auf ein Genre begrenzt. „Viele Fantasybücher sind dabei - auch Dark Fantasy.“ Und auch Sachbücher landen immer wieder auf der Booktok-Bestsellerliste. Das Spannende dabei: „Nicht alle diese Bücher sind Neuerscheinungen. Manche sind schon älter, sind aber durch die Empfehlungen in den sozialen Medien wieder sehr gefragt.“

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Als Beispiel dafür nennt Katrin Föster die Romane von Colleen Hoover: Die amerikanische Autorin veröffentlicht schon seit elf Jahren Bücher. Im November stand sie mit drei Romanen in der Booktok-Bestsellerliste: „Verity“, ein Psychothriller aus 2018, steht auf Platz fünf, die Romane „Nur noch einmal“ (2016) und „Nur noch einmal und für immer“ (2022) auf den Plätzen 15 und neun. „Die Bücher haben sich früher schon gut verkauft - und jetzt erleben wir da nochmal einen richtigen Boom.“

„Iron Flame“, der zweite Teil der Buchreihe „Flammengeküsst“ von Rebecca Yarros, wird für 32 Euro gehandelt - und hat ein Motiv eines Drachens und mehrerer Blitze auf dem Farbschnitt.
„Iron Flame“, der zweite Teil der Buchreihe „Flammengeküsst“ von Rebecca Yarros, wird für 32 Euro gehandelt - und hat ein Motiv eines Drachens und mehrerer Blitze auf dem Farbschnitt. © WP | Katharina Kalejs

Ein weiterer Boom, den „Booktok“ in die Bücherwelt gebracht hat: Farbschnitte. Die bunten Seitenränder in Unifarben oder ganzen bunten Motiven sind etwas, das über „Booktok“ beliebt geworden ist. Die Nachfrage sei hoch, dadurch seien immer mehr Verlage dazu übergegangen, Bücher mit Farbschnitt zu produzieren. Mit dem Buch „Iron Flame“ von Rebecca Yarros, welches Anfang Dezember erschienen ist, ist zum ersten Mal ein Buch auf den Markt gekommen, dessen Ausgabe mit Farbschnitt teurer gehandelt wird (Verkaufspreis 32 Euro) als die Ausgabe ohne Farbschnitt (28 Euro). „Früher war es meistens so, dass die Erstausgabe zum Beispiel mit Farbschnitt gedruckt wurde, und danach die Ausgaben ohne. Da gab es aber keinen preislichen Unterschied“, erklärt Föster. Sie muss zugeben, dass sie die bunten Seitenränder schon nicht mehr sehen kann - aber so sei es immer, wenn ein Trend den Buchmarkt überflute. Die Buchhändlerinnen und Buchhändler, die täglich damit arbeiten, sehen sich an solchen Trends nun mal satt.

„Booktok“: Wenn das Internet junge Leute in die Buchhandlungen treibt

Die Mescheder Buchhändlerin sieht aber auch eine positive Entwicklung in der „Booktok“-Bewegung: „Hier kommen ganze Gruppen von Teenagern rein, drei, vier, fünf von ihnen auf einmal, und sie suchen nach den Büchern, die sie auf Tiktok oder Instagram gesehen haben.“ Erstmal ja nichts Ungewöhnliches. Aber was Föster und ihr Team beobachten: „Das Schöne ist: Sie unterhalten sich dann über die verschiedenen Bücher, über den Inhalt. Sie kaufen die Bücher nicht nur und stellen sie sich ins Regal, sondern sie lesen sie auch mindestens einmal.“ Und das steigere natürlich auch die viel diskutierte Lesekompetenz, so die Buchhändlerin weiter - Lesen bildet.

"Tiktok made me buy it": Verschiedene Bücher aus verschiedenen Genres, die eins gemeinsam haben - sie wurden von Influencern in den sozialen Medien empfohlen. © WP | Katharina Kalejs

Ob das tatsächlich etwas ist, was dank „Booktok“ zugenommen hat, will Föster nicht bewerten. Doch seitdem sie die Bücher sichtbar platziert und eine eigene „Booktok“-Ecke im „Wortreich“ in Meschede eingerichtet hat, kommen diese Gruppen öfter in ihren Laden - denn sie möchten ja wissen, was sie kaufen, ob das Buch zum Beispiel die Ausgabe mit Farbschnitt ist, und gehen deswegen lieber in den Laden vor Ort, anstatt es im Internet zu bestellen. „Und wir in den kleinen Geschäften nehmen diese Gruppen natürlich auch ganz anders wahr als die Kolleginnen und Kollegen in den großen Filialen der großen Ketten“, sagt Föster.